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Texte aus dem Jahr 2022

 

1. Die Gründung von Tochterkolonien unter den Mennoniten Russlands
2. Die Wirtschaft der Mennoniten in Russland
3. Eine seltsame Geschichte, die sich die Mennoniten in Russland erzählten
4. Wer war Johann Cornies?
5. Durch Trübsal und Not. Ein Buch von Helene Dueck
6. 
Die Ukraine und die Mennoniten
7. Die verzweifelte Lage der Mennoniten am Krauel
8. Kraul: der Versuch, die Mennonitengemeinde mit der Brüdergemeinde zu verschmelzen
9. Das Gründungsprotokoll der MBG von Colônia Nova?
10. Alte Protokolle - Einblick in längst vergangene Zeiten: Das Jahr 1946
11. Alte Protokolle - Einblick in längst vergangene Zeiten: Das Jahr 1947
12. Ein neuer Fund:Tausende Blätter, Dokumente, Protokolle und Kopien zur Geschichte der Mennoniten Brasiliens
13. Das neu gefundene Protokollbuch der MG-Curitibas, 1947-1975 Teil II
14. Die Blumeninsel: Empfangslager der ankommenden Mennoniten im Jahre 1930
15. Ein alter Bericht über das Gemeindeleben in der Kriegszeit
16. Brief einer mennonitischen Sünderin
17. Der anonyme Zettel eines verzagten Mennoniten
18. Die Gründung des Heims in São Paulo
19. Stimmt es, dass brasilianische Mennoniten ein geringes Selbstwertgefühl haben?
20. Wie wählen die Mennoniten? 
21. Erste Missionsversuche der MBG Boqueirão
22. Jubiläumsfeier 50 Jahre Cruz Verde
23. Wann eigentlich wurde die MBG in Curitiba gegründet?
24. Das Einweiheprogramm der Cruz Verde vom 28. Mai 1972
25. Jubiläumsfeier 50 Jahre Cruz Verde
26. "Estranhos no Mundo"Sobre as peregrinações de meus cinco avós menonitas. ​Rosvitha Friesen Blume
27. "Simplesmente Victoria"Ein Interview mit Christine Dyck, Curitiba, über ihren neuen Roman
28. Was ist Glaube?
29.  Sind gute Entscheidungen Glückssache?
30. Herr, deine Güte reicht ...

 

Aus der Mennonitengeschichte

   

 Die Gründung von Tochterkolonien unter den Mennoniten Russlands  

     Im Laufe einiger Jahrzehnte gründeten die Russland-Mennoniten in ihrer neuen Heimat am Dnjepr zwei große „Mutterkolonien“ mit insgesamt fast hundert Dörfern. Die erste, auch „Alt-Kolonie“ genannt, ist als die Chortizaer Ansiedlung bekannt geworden. Heute ist dort die ukrainische Großstadt Saporischschja. Das zweite mennonitische Siedlungszentrum, als „Neu-Kolonie“ bezeichnet, lag an einem kleinen Fluss namens Molotschna und wurde daher Molotschnaer Ansiedlung genannt. In diesen Kolonien wurde ziemlich bald der Landmangel, der in der Erbteilungstradition begründet war, zu einem großen Problem. Während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und später entstanden daher unzählige „Tochterkolonien“, die über weite Gebiete des Russischen Reiches verstreut lagen.

     Als erfolgreiche und sparsame Bauern hatten Mennoniten die Aufmerksamkeit der zaristischen Regierung angezogen. Beispielsweise erhielten Mennoniten von der Regierung finanzielle Unterstützung und doppelt so viel Land wie Lutheraner. All dies trug zum schnellen Wachstum der mennonitischen Kolonien bei.

    Mennoniten unterschieden sich von anderen Kolonisten nicht nur in ihrer Religion, sondern auch im Alltag, in der Sprache und auf der kulturellen Ebene und wirtschaftlichen Entwicklung. Die Verflechtung dieser spezifischen ethnischen und religiösen Faktoren führte zur Bildung einer speziellen Konfession, die Glaube und Ethnie vermischte.

       Mennonitische Kolonien kapselten sich von der umliegenden Bevölkerung ab einschließlich von deutschen Kolonisten anderer Kirchen und die Ehe mit einem Mitglied einer anderen Kirche war verboten.

    Die ersten Versuche Tochterkolonien in Sibirien zu gründen gehen auf die Mitte des 19. Jahrhunderts zurück. Insgesamt gründeten Mennoniten neunundfünfzig Kolonien. Die Gesamtzahl der Mennoniten, die in Sibirien angesiedelt war, zählte etwa 21.000 Menschen. Die Hauptbeschäftigung der Mennoniten in Sibirien war die Landwirtschaft.

V.J. Nagnibeda, ein bekannter sibirischer Statistiker, der gut bekannt war mit der lokalen Landwirtschaft, besuchte 1911 mennonitische Siedlungen und beschrieb sie folgendermaßen:

    „In mennonitischen Siedlungen ist alles sauber und ordentlich. Die Häuser sind hell und geräumig. Sie sind in einer geraden Linie gebaut, die oft bemalt sind mit derselben Farbe; normalerweise sind Häuser etwa 21m von der Straße zurückgesetzt, mit Obstgärten zwischen Haus und Straße. Dieser Bereich ist eingezäunt und mit duftenden Blumen (Petunien, Nelken, usw). Wenn man durch die Steppe reitet, kann man nachts am Duft der Blumen unmissverständlich wissen, dass man durch eine Mennonitensiedlung reitet. In vielen Siedlungen wurden viele Bäume gepflanzt. Höfe und Straßen werden bei Trockenheit täglich gefegt und bewässert.

     Fast alle mennonitischen Siedlungen haben Schulen, die von der Gemeinschaft gebaut und erhalten werden. In vielen gibt es Versammlungshäuser und Getreidespeicher. Auch gibt es Getreidemühlen mit Ölmotoren. Eine Kolonie leistet sich auch Schullehrer, Arzthelferinnen und Hebammen.

     In mennonitischen Siedlungen stießen wir auf ein Institut für die Hygieneinspektion, die die Sauberkeit in den Siedlungen überwacht, den Arzt über Vorkommnisse in Heimen mit ansteckenden Krankheiten benachrichtigt oder sie unter Quarantäne stellt.

    Der moralische Charakter spielt bei den Mennoniten eine bedeutende Rolle und trägt zu ihrem wirtschaftlichen Erfolg bei. Von ihrer protestantischen Ethik her sind sie durchdrungen von einem Geist des Unternehmertums. Diese Psychologie des wirtschaftlichen Fleißes macht Mennoniten konzentriert und unternehmungslustig. Mennoniten zeichnen sich durch ihre Religiosität und strenge Einhaltung der christlichen Grundsätze, ein hohes Bildungsniveau, ein konzentrierter Fleiß, Rationalität, ein Gefühl von Stolz auf ihr Eigentum und eine respektvolle Haltung gegenüber dem Eigentum der Nachbarn, auch üben sie gegenseitige Hilfe und Nüchternheit. Ihre Arbeits- und Geldmitteln verwenden die meisten nicht für den Bau teurer Häuser, sondern für die Erschließung von Ackerland und die Vermehrung des Viehbestandes.

   Und schließlich ein wesentlicher Grund für den Wohlstand mennonitischer Farmen waren die bereits erwähnten ethno-konfessionellen Gemeinschaftsmerkmale, d.h. mennonitische Bereitschaft zur gegenseitigen Hilfeleistung. Tochterkolonien erhalten von ihren Mutterkolonien zinslose Darlehen, die im Zeitraum von neunzehn Jahren zurückbezahlt werden können. Diese klug und durchdachte Politik seitens der mennonitischen Mutterkolonien hat definitiv eine bedeutende Rolle bei der Gründung der sibirischen Tochterkolonien gespielt. Neue Siedlungen von Bauern blicken in die Zukunft ohne Angst, da sie wissen, dass sie im Notfall immer Unterstützung finden werden.

Aus:

- Wikipedia und 

- The Mennonite Colonies of Siberia, From the Late Nineteenth to the Early Twentieth Century

 Die Wirtschaft der Mennoniten in Russland

      Die mennonitischen Kolonisten bildeten in Russland Dörfer mit fünfzehn bis dreißig Familien mit jeweils 70 ha Land. Die Siedlungen behielten etwas kommunales Land und einen gemeinsamen Getreidespeicher, den die Armen in mageren Jahren nutzen konnten. Einnahmen aus kommunalem Eigentum ermöglichten die Finanzierung großer Projekte, wie z. B. die Bildung von Tochterkolonien für die wachsende Bevölkerung. Auch die Versicherung wurde separat und außerhalb der Kontrolle der russischen Regierung organisiert.

      Die wachsende Bevölkerung und der damit verbundene Druck nach mehr Ackerland wurden 1860 zu einem Problem. Es war gesetzlich festgelegt worden, dass die Farmen unter den Nachkommen nicht aufgeteilt werden konnten, sie mussten intakt von einer Generation zur nächsten weitergegeben werden. Da die Landwirtschaft die wichtigste wirtschaftliche Aktivität war, entstand eine wachsende Klasse von unzufriedenen, landlosen Armen. Ihre Probleme wurden von der Dorfversammlung, die aus stimmberechtigten Landbesitzern bestand, zum größten Teil ignoriert. In den frühen 1860er Jahren wurde das Problem so akut, dass die Landlosen sich als Gruppe organisierten, die bei der russischen Regierung um Hilfe bat. Eine Kombination von Faktoren erleichterte ihre Notlage. Die russische Regierung erlaubte die Teilung der Farmen in Hälften oder Viertel und ordnete die Freigabe des Gemeindelandes des Dorfes an. Die Kolonien selbst kauften Land und bildeten Tochterkolonien an der Ostgrenze, die sich bis nach Sibirien und Turkestan erstreckten.

     Mit der Ausweitung des Weizenanbaus wuchs die Nachfrage nach Mühlen und landwirtschaftlichen Geräten. Die erste große Gießerei wurde 1860 in Chortitza gegründet, weitere Firmen folgten. Bis 1911 produzierten die acht größten mennonitischen Fabriken 6% der gesamten russischen Produktion (über 3 Millionen Rubel), lieferten Maschinen in alle Teile des Reiches und beschäftigten 1744 Arbeiter. Die Jahresproduktion von Lepp und Wallmann in Schönwiese betrug 50.000 Mähwerke, 3000 Dreschmaschinen, tausende Gangpflüge sowie andere landwirtschaftliche Geräte. Mehl- und Futtermühlen waren ursprünglich windbetrieben, eine aus Preußen verpflanzte Technik. Diese wurden schließlich durch motor- und dampfbetriebene Mühlen ersetzt. Das Mahlen und seine unterstützenden Industrien dominierten die Industriewirtschaft der Kolonien und nahe gelegenen Gemeinden.

    Was wäre gewesen, wenn diese Entwicklung durch den Kommunismus nicht unterbrochen worden wäre. Sicherlich wären die Mennoniten sehr reich geworden. Aber das Mennonitentum entstand um den wahren Glauben auszuleben. Und wie hätte sich dieser mitten in einem so grossen wirtschaftlichen Erfolg entwickelt? 

Quelle: Gameo, das mennonitische Lexikon (auf Englisch)

Eine seltsame Geschichte, die sich die Mennoniten in Russland erzählten

  

       Wie soll ich die große Zurückhaltung meiner Großmutter erklären? Sie sprach einfach nicht über Peter Hildebrand, eines meiner Vorfahren. Es gab bei ihm einen Makel, seine Frau war eines Nachts auf seltsame Weise aus der Welt geschieden. Meine Großmutter hat nie über diese Ereignisse in meiner Anwesenheit gesprochen, und erst nachdem sie 1920 gestorben war, haben ihre Töchter (meine Tante Sus und Tante Lena) die Geschichte über Helenas tragisches Ertrinken erzählt und die damit verbundenen übernatürlichen Deutungen. Man hörte nur immer: „Das ist nichts für deine Ohren!“, was die ganze Angelegenheit nur noch mysteriöser erscheinen ließ. Was kann denn schon beim Tode eines Familienmitgliedes so schlimm sein?

       Helena war siebzehn bei ihrer Heirat mit Peter Hildebrand, ein Freund ihres Vaters und 21 Jahre älter als sie. Peter kam aus lutherischem Hause und war erst seit kurzem bekehrt, als sie heirateten. In den nächsten 23 Jahren wurden ihnen 9 Kinder geboren. Sie wurden reich. Und er wurde als Prediger in Kronsweide ordiniert.

       Dann aber kam das Schreckliche über die Familie. Die Fakten sind eigentlich einfach. In der Nacht vom 18. auf den 19. Juni 1833 schlüpfte Helena aus ihrem Haus, nur mit ihrem weißen Nachthemd bekleidet und mit der schwarzen Nachtmütze. Keiner hat es gesehen. Aber so muss es gewesen sein. Sie wird leise aufgestanden sein und auf sanften Schritten das Haus verlassen haben.

       Als ihre Abwesenheit am nächsten Morgen festgestellt wurde, fanden Sucher ihre Fußspuren im seichten Wasser des Dnjepr, der zum Süden führt, vorbei an der großen Felsformation am Ufer des Nachbarhofes, wo die Abdrücke ausblieben. Was ist aus ihr geworden? Wo ist sie geblieben? Trotz allgemeiner Aufregung im Hause, niemand hatte eine Ahnung, was zu tun wäre.

       Am Nachmittag fischte ihr Cousin Jacob Hoppner in der Nähe der Mündung des Nebenflusses, als eine Gruppe von Russen ihn über dem Wasser zuschrie, sie hätten zuvor einen ertrunkenen Juden in den seichten Gewässern in der Nähe des Flusses liegen gesehen. Hoppner ignorierte die Bemerkung, bis er später am Nachmittag zum Hause der Hildebrands ging und über Helenas rätselhafte Abwesenheit erfuhr. Ein Suchtrupp eilte zum Fundort und entdeckte ihre Leiche. Sie war noch bekleidet wie in der Nacht zuvor, ihre schwarze Mütze verleitete die Fischer zu der Annahme, dass es sich um die Leiche eines Juden handelte.

       Niemand kennt Helenas wahre Todesursache, aber die wahrscheinlichste Erklärung ist, dass Helena das Haus schlafwandelnd verließ, am Fluss entlang ging, dann ausrutschte, in einen tiefen Strudel fiel, wo sie ertrunken ist. So wurde es auch anfänglich im Dorf weitererzählt. Ja, so wird es gewesen sein!

       Zwei Tanten erinnerten sich allerdings daran, als Helena noch Teenager war, dass sie sich in einen russischen Adligen verliebt hatte, der ihren Vater mal besucht hatte. Andere bemerkten, selbstverständlich ganz nebenbei und ohne Aufsehen erregen zu wollen, dass es einen großen Altersunterschied zwischen Helena und ihrem Mann gab, einundzwanzig Jahre, was sie dazu geführt haben könnte, Selbstmord zu begehen.

       Was auch immer der Grund war, bald fügten sich nach ihrem Tode eine Reihe abergläubischer Fabeln hinzu.  Zuerst eine Nachbarin, Frau Dyck, erinnerte sich, wie sie an jenem Abend den Hund der Familie aufheulen hörte und dieser sich dann rasch auf der Rückseite des Hauses verkrochen hatte. Sie stand auf, eilte zum straßenseitigen Fenster und erwischte einen Blick auf drei weiß gekleidete Gestalten wie aus einer anderen Welt, die sich näherten und dann an ihrem Hause vorbeigingen. Von dieser übernatürlichen Erscheinung zutiefst erschrocken löschte sie schnell die Lampe, sprang wieder ins Bett, über den schlafenden Körper ihres Mannes hinweg und versteckte sich versteinert unter der Decke.

       Ein anderer Nachbar, Peter Wiens, enthüllte eine noch gruseligere Geschichte. Bei Sonnenuntergang sei er nach einem Angeltag zurückgekehrt, habe sein Boot an den Strand gezogen, aber ließ es und seinen Fang dort, als seine Frau ihn zum Abendessen nach Hause rief. Nach dem Essen gingen er und seine Frau, um Boots- und Welse zu holen und als ich, so erzählte er, flussabwärts schaute, sah ich ein anderes Boot mit zwei Männern darin, das sich schnell näherte. Obwohl keiner der Männer ruderte, glitt das Boot reibungslos dahin über die glasige Wasseroberfläche. Verwundert beobachtete Herr Wiens die Männer aussteigen, ohne das Boot auf den Strand zu setzen, dann über die Straße gehen, durch einen Zaun hindurch, anstatt darüber zu klettern, und ich sah sie in Richtung von Hildebrands' Obstgarten gehen. Besorgt, dass das Boot abtreiben könnte, rief Wiens die Männer – erst auf Plautdietsch, dann auf Ukrainisch –, ihr Boot doch auf ein höher gelegenes Gelände zu ziehen, aber sie ignorierten seine Rufe. Er dachte sich, die Schiffer gehen zu den Obstgärten der Hildebrands, um Maulbeeren zu pflücken, und deshalb werden sie bald wieder zurück sein. So beschloss Wiens, das Boot selbst hochzuziehen. Als er aber näher kam, sei das Boot vor seinen Augen entwichen.

       Auf dem nahe gelegenen Hof von Peters bezeugte das Dienstmädchen zwei geisterhafte Gestalten am Fenster vorbeigehen sehen. Sie stürzte heraus und rannte zum Gehege, um ihrer Herrin aufgeregt von der Erscheinung zu erzählen. Als Frau Peters aufblickte, erhaschte sie gerade noch einen Blick auf zwei weiße Gestalten. Sie rief ihnen zu, aber diese schienen davonzuschweben und verflüchtigten sich hinter hohem Unkraut.

       Helenas Sohn Jakob war an dem Tag weg, während diese mysteriösen Dinge stattfanden, aber auch ihm stand ein seltsames Ereignis bevor. Nachdem er auf die Steppe hinter dem Dorf geritten war, um einige seiner Pferde für die Arbeit des nächsten Tages zusammenzutreiben, kam Jakob am Dorffriedhof vorbei. Das Pferd sträubte sich plötzlich und weigerte sich, weiter zu traben. Als er aufblickte, sah Jakob zwei weiß gekleidete Gestalten, von denen er glaubte, dass sie Herr und Frau Neufeld waren, alkoholzugeneigte Mennoniten. Sie aber schienen ihn zu ignorieren. So überredete Jakob sein Pferd schließlich weiterzuziehen.

       So endeten die Erzählungen der merkwürdigen Erscheinungen, die Nachbarn und Verwandte sich flüsternd mitteilten, um das geheimnisumwobene Abscheiden der Tochter des berühmten Hoppner zu erklären.

       Mein Onkel Kornelius Braun erkannte die Ähnlichkeit dieser Geschichten mit der ukrainischen Folklore der Region, was auch den umfangreichen Kontakt der Mennoniten mit den Inselbewohnern bestätigt und wie sehr der Aberglaube der ukrainischen Nachbarn in wenigen Jahren schon auf die Mennoniten übergesprungen war.

       Die Zurückhaltung meiner Familie darüber zu sprechen liegt vielleicht daran, dass sich dieses in einer Predigersfamilie zugetragen hatte.

       Unter einigen konservativen Mennoniten lief das Gerücht, dieses sei die Vergeltung für die eingebildete Haltung des hinterbliebenen Ehemanns. Andere schrieben Helenas Ertrinken als Bestrafung für Verfehlungen ihres Vaters zu,  denn sagt die Bibel nicht, dass der Herr die Ungerechtigkeiten der Väter an den Kindern bis zum dritten und vierten Generation „besucht“?'

       Der Dorfklatsch kam nicht sobald zur Ruhe und diese Geschichte wurde von Dorf zu Dorf weitergereicht. Wäre es heute denn so viel anders gewesen?

     

Nacherzählt anhand eines Berichtes in: A MENNONITE FAMILY IN TSARIST RUSSIA AND THE SOVIET UNION, 1789-1923 von David G. Rempel with Cornelia Rempel Carlson

Wer war Johann Cornies?

  

    Johann Cornies wurde als ältester von vier Brüdern im Jahre 1789 geboren. Sein Vater zog mit seiner Familie im Jahre 1804 von Westpreußen in die Molotschna, Südrussland. Sein Vater praktizierte als Heilkundler und war somit der erste Arzt der Kolonie.

      Cornies arbeitete anfänglich als Angestellter bei einem Müller und begann danach mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen zu handeln. 1811 siedelte er sich im Dorf Ohrloff an.

     Dort widmete er sich der Viehzucht und Landwirtschaft. Darin war er so erfolgreich, dass die Umgebung anfing, auf ihn aufmerksam zu werden. Cornies entdeckte, dass die naheliegende Steppe sich für die Merinoschafzucht eignete, was besonders den nomadisch lebenden Tartaren zum Vorteil wurde. Seine landwirtschaftlichen Kenntnisse wurden an die umliegenden Dörfer von anderen Volksgruppen weitergegeben. Er entwickelte die Methoden, mit denen Getreideanbau in der Steppe möglich wurde. Er konnte die Bewässerung der Felder mit aufgestauten kleinen Flüssen und Teichen regeln. Er machte auch Experimente mit Seidenraupen und Tabak, was aber keinen Erfolg hatte. 1830 gründete Cornies den „Landwirtschaftlichen Verein“ und wurde dessen erster Präsident.

    1820 gründete er den „Christlichen Schulverein“ und beeinflusste dadurch das Schulwesen unter den Mennoniten. Cornies setzte eine einheitliche Lehrerausbildung durch, gründete Schulen und führte die allgemeine Schulpflicht ein. Seine 87 allgemeine Regeln über Unterricht und Behandlung der Schulkinder waren wegweisend für das Schulwesen. Der Unterricht wurde auf hochdeutscher Sprache geführt, während die allgemeine Umgangssprache in den mennonitischen Kolonien Südrusslands Plautdietsch war.

    Cornies bekam 1825 Besuch von dem russischen Zaren Alexander I, der ihm sehr wohlwollend gegenüberstand. Er war bei den russischen Behörden sehr beliebt; der Fürst Woronzow war oft Gast in seinem Haus. Unter dem Zaren Nikolaus I. wurde Cornies aufgrund seines Lebenswerkes zum korrespondierenden Mitglied des Gelehrtenkomitees des Reichsministeriums in St. Petersburg ernannt.

     Mit unermüdlichem Eifer und auf eigene Kosten experimentierte Cornies, um die für den Ort am besten geeigneten Anbaumethoden zu finden. Zum Beispiel erkannte er, dass es wegen des Mangels an sommerlichen Niederschlägen wichtig war, die Feuchtigkeit des Bodens im Winter zu erhalten. Durch das Aufstauen der Steppenbäche, die im Sommer weitgehend trocken waren, bewässerte Cornies die Wiesen und verbesserte sowohl das Weideland als auch die Heuernte enorm.

    Besondere Sorgfalt ließ Cornies bei der Anpflanzung von Wäldern walten. Er verstand ihre Bedeutung für baumlose Steppen und förderte, wenn nötig, sein weitreichendes Ziel mit rücksichtsloser Gewalt. 1845 wurden allein in der Molotschna über eine halbe Million Obst- und Waldbäume gezählt, dazu kamen 300.000 Maulbeerbäume. Sechs Jahre später gab es über fünf Millionen Bäume in 47 Dörfern. Auf dem vergleichsweise breiten Platz zwischen Straße und Haus wurden Obstbäume gepflanzt, auf der Rückseite des langen Grundstücks Hecken und Baumreihen gepflanzt, was den Dörfern ein einladenderes Aussehen verlieh. Cornies unterrichtete die Siedler auch im Anbau von Gemüse und Blumen.

     1839 nahm Cornies 16 einheimischen Jungen auf, um sie in den landwirtschaftlichen Künsten zu unterrichten. Später errichteten diese Russen besondere Modelldörfer. Der Wert einer solchen Ausbildung war schnell klar. Zum Beispiel waren Kartoffeln in Südrussland unbekannt, bis die Mennoniten sie einführten. Viele russischen und ukrainischen Bauern wurden in die mennonitischen Siedlungen geschickt, um zu lernen, wie man Kartoffeln anbaut.

    1847 bestand sein eigener Viehbestand aus 500 Pferden, 8.000 Schafen und 200 Rindern niederländischer Herkunft.  

     Trotz seines Reichtums blieb Johann Cornies ein einfacher, bescheidener Landwirt, der wie alle anderen Mennoniten in einem einfachen Bauernhaus lebte. Seine Errungenschaften und sein prägender, erzieherischer Einfluss auch auf das Privatleben der Kolonisten sind jedenfalls unbestritten.

    Er lehnte Ehrungen und Medaillen ab, die ihm bei verschiedenen Gelegenheiten vom Zaren angeboten wurden, und nahm nur eine einfache goldene Gedenkmedaille an.

    Am 13. März 1848 starb Cornies im Alter von nur 59 Jahren. Nach seinem Tod im Jahr 1848 errichteten die Einwohner der Ortschaft Ohrloff ein bescheidenes Marmordenkmal auf seinem Grab.

​P.S. Diese Informationen stammen aus der mennonitischen Enziklopädie GAMEO und der Wikipedia.

Durch Trübsal und Not

Ein Buch von Helene Dueck

 

     Nach dem Einmarsch der deutschen Truppen im Juni 1941 erließ das sowjetische Regime den Befehl, alle nicht russischen Völker aus den grenznahen Regionen nach Osten zu deportieren. Man fürchtete, dass diese mit den einmarschierenden Deutschen zusammenarbeiten würden. Man deportierte also die Männer zwischen 16 und 60 Jahren. Es wird geschätzt, dass etwa 28000 Mennoniten aus der Ukraine, der Krim und dem Kaukasus nach Sibirien und Kasachstan verschleppt wurden. Zurückblieben (wenige) ganz alte Männer und Frauen mit Kindern.

     Als ein paar Jahre später der Rückzug der deutschen Truppen einsetzte, denn Hitler begann den Krieg zu verlieren, wird geschätzt, dass sich etwa 35000 Mennoniten, also Frauen mit Kindern ohne ihre verschleppten, meistens verschollenen Männern mit den deutschen Truppen flüchteten, denn sie hatten guten Grund die Rache der herannahenden russischen Truppen zu fürchten. Aber zuletzt gelang nur etwa 12.000 russlanddeutschen Mennoniten die Flucht in den Westen, die anderen wurden nach Sibirien deportiert. In Deutschland blieben dann nur wenige, die meisten wanderten nach Kanada (ca. 7.000) und Paraguay (ca. 5.000) aus.

    Auch Elisabeth Peters, Curitiba, hat diese Flucht als Kind mitgemacht und in ihrer Biographie erzählt. Siehe die Besprechung ihres Buches "Minha Peregrinação Iniciada na 2 Guerra" hier.

    Im Internet befindet sich ein weiteres Buch, das diese Flucht beschreibt. Es stammt von Helene Dueck, einer Mennonitin, die nach Kanada ging. Das Buch heißt "Durch Trübsal und Not". 

    In den folgenden Zeilen kann man etwas aus dem 9. Kapitel des Buches nachlesen:

 

                Jenseits des Dneprflußes

     "Morgens, bevor sich unser Treck in Bewegung setzte, schaute ich zurück auf den Fluß, wo ich immer noch tief unten den Flüchtlingstreck sehen konnte, der kein Anfang und kein Ende hatte. Alles wollte auf derselben Brücke den Dnepr überqueren. Die Flüchtlinge fuhren dem Westen zu und die deutsche Wehrmacht nach dem Osten zur Front.
    Ein gewaltiger Fluß! Eine herrliche Aussicht bot sich mir dar. Warum mußten wir gerade jetzt in so schweren Umständen dieses Wunder Gottes sehen! Ich mußte an vergangene Zeiten denken und an unsere verlorene Heimat. Bevor ich unser Haus verließ, mußte ich noch zwei Körbe Stroh hineintragen. Man sagte uns, daß vor dem Rückzug die deutschen Soldaten von Haus zu Haus gehen würden und das Dorf anzünden. Hatten sie das wirklich getan?
    Vor 150 Jahren waren unsere Vorfahren auch durch diese Steppe gewandert. Sie hatten auch den Dnepr überquert, um in der Molotschna im Schwarzmeergebiet eine neue Heimat zu gründen. Es war auch eine sehr schwere Zeit gewesen. Wie ein Kolonist damals schrieb: "Die erste Generation hatte den Tod, die zweite die Not, und erst die dritte das Brot." Der Herr hatte ihren Fleiß, ihre Sparsamkeit und ihre Treue belohnt. Es entstanden blühende deutsche Dörfer. Da kam die Oktoberrevolution, Stalins Schreckensherrschaft und der böse, brutale Krieg. Würden wir nie mehr nach Hause gehen können? Unsere Dörfer sind leer, vielleicht schon verbrannt. Ist hiermit ein Abschnitt der Geschichte unseres Volkes beendet? Unser Volk ist wieder auf Wanderschaft, auf der Suche nach einer neuen Heimat.
    Schweren Herzens verließ ich das Ufer und wandte mich dem Treck zu. Alles stand zur Abfahrt bereit. Wir mußten fort, immer weiter dem Westen zu. Wer hatte da Zeit zum Träumen oder Philosophieren?

    Eine ganze Woche wanderten wir nordwärts den Inguletz Fluß entlang, als wir in einem Dorf Beresnowatoje anhielten. Hier bekamen wir genügend Futter und Wasser fürs Vieh. Wir Flüchtlinge bekamen eine warme Suppe. Das war herrlich. Wir besorgten unser Vieh, und dann machten wir uns fertig für unsere verdiente Nachtruhe. Wir schliefen auf dreckigem Stroh in einer großen Scheune. Es war wohl sehr unruhig in dieser Scheune, wo wir wie Sardinen nebeneinander lagen, aber wir waren unter Dach und von Regen und Kälte geschützt. Ich war totmüde und das Weinen der Kinder oder das Schelten der Frauen merkte ich kaum und schlief bald ein. Heute muß ich oft an die Alten und Kranken denken, die damals wohl nicht schlafen konnten und in großen Schmerzen waren. Für sie muß es doch sehr, sehr schwer gewesen sein.

    Diese unsere Ruhestätte war nicht weit von den Sagradowka Mennonitischen Ansiedlungen. Sobald die erste Nachricht von dort kam, machten sich viele auf den Weg nach den Dörfern, um ihre Bekannten und Verwandten zu besuchen. Hier wurden sie mit offenen Armen empfangen. Arbusen wurden gerade geerntet, und man ergötzte sich an dieser saftigen Frucht, die für die meisten ein Stückchen Heimat war.
   Überhaupt lebten die Sagradowka Mennoniten sehr gut. Der Russe hatte die Männer nicht verschleppt. Die deutschen Panzer waren so rapide vorgeschritten, daß der Russe keine Zeit hatte, die Menschen zu verschleppen oder das Land zu zerstören. Die Kollektivwirtschaften waren bald aufgelöst, das Land verteilt, und man konnte mehr oder weniger selbstständig arbeiten. Aber auch hier war man unruhig. Die Front kam immer näher. Bald würden auch diese Deutschen flüchten müssen.

   So fingen wir an uns vorzubereiten, im Falle der Befehl zur Abreise plötzlich kommen sollte. Wagen, Räder, Pferde—alles wurde nachgesehen und zurecht gemacht. Wer Holz und Blech fand, machte sich eine Bude oder ein Dach für den Wagen. Der Winter stand vor der Tür, und damit Regen, Schnee und Eis. Tante Neta und Mutter konnten kein Holz oder Blech bekommen, und so gab es für unseren Wagen keine Bude. Man backte und kochte wieder, wusch Bettwäsche und Kleider, flickte und stopfte alte Kleider und Strümpfe. Überall herrschte emsiges Leben.

    Der erwartete Regen setzte bald ein. Die Hauptwege waren vom Militär besetzt. Wir fuhren auf den Nebenwegen, die nicht so gut waren. Bald fuhren wir durch tiefen Kot und Dreck, der bis zu den Achseln der Wagen kam, die tiefe Furchen hinterließen. Pferde und Wagen glitten aus und fuhren oft in den Graben. Man blieb oft im Kot stecken und konnte weder vorwärts noch rückwärts gehen. Der Wagentreck verschwand vor uns und man blieb zurück, was ein jeder befürchtete. Wenn man sich umschaute, sah man überall Wagen und Pferde im Dreck liegen. Räder und Deichsel brachen und keiner war da, der helfen konnte. Kein Militär, kein Mann, nur Frauen mit Kindern, mit den Alten und Kranken. Die Kleider und Schuhe waren naß. Man zitterte vor Hunger und Kälte und hatte Wassermangel. Hände, Kleider, Schuhe, vom Kopf bis zum Fuß war man besudelt mit schleimigem Kot und konnte sich nicht bereinigen oder trockene Kleider anziehn. Die Pferde waren schwach und konnten den Wagen nicht ziehn. Auch die Peitsche und lautes Rufen konnte sie nicht auf die Beine bringen. Der Treck war weg. Man war allein geblieben. Wo sollte man sich für die Nacht betten? Im Kot und tiefen Dreck? Ohne Stroh und ohne Obdach? Und woher sollte man Wasser und Futter fürs Vieh hernehmen? Die Sorgen waren oft groß. Man war total erschöpft.

    Ich erinnere mich ganz klar an folgende Begebenheit. Mutter saß auf dem Wagen und trieb die Pferde an, vorwärts zu gehn, während wir Mädels und Tante Neta den Wagen schoben und fast bis zum Knie im Kot gingen und fortwährend ausglitten. Meine jüngste Schwester und eine Cousine weinten im Wagen, weil sie kalt, hungrig und erschöpft waren. Plötzlich fing der Wagen an sich zu drehen und glitt langsam in den Graben. Ein Pferd, der alte Schimmel, war gefallen und glitt gleichzeitig mit dem Wagen aus, während der junge braune Hengst immer noch vorwärts strebte. Er glitt dann aber auch aus und konnte nicht mehr aufstehen. Andere Wagen fuhren an uns vorbei. Wir lagen im Graben. Was sollten wir tun? Die Pferde waren total erschöpft. Wir auch.
    Mutter und die Tante beschlossen, die Nacht hier im Graben zu verbringen. Irgendwie würde der Herr uns schon helfen, wenn sie selber auch keinen Ausweg fanden.

     ...

   Tausende von Flüchtlingen hatten ähnliche Erfahrungen, die man kaum beschreiben kann. Nur wer in den Schuhen dieser Trecker war, kann richtig verstehen, wie unheimlich schwer dieses Flüchten war. Immer wieder mußte man sich sagen, daß der Mensch viel mehr ertragen kann, als er denkt."

     Um weiterzulesen, siehe das ganze Buch im Internet: Helene Dueck, Durch Trübsal und Not

Durch Trübsal und Not

Ein Buch von Helene Dueck

Teil II    

 

    In einer Woche waren wir in Litzmannstadt in Polen, was man damals Wartegau nannte, wo das Entlausungslager auf uns wartete. Wir wurden in große Zimmer geführt, wo Männer und Frauen getrennt wurden. Kleine Knaben unter sechs Jahren gingen mit den Frauen und die älteren Buben mit den Männern.

   In einem großen Zimmer mußten wir uns alle entkleiden. Die Kleider wurden gezeichnet und weggeführt, um sie zu entlausen. Wir selber kamen in ein riesig großes Badezimmer mit Dutzenden von Duschen und langen Reihen von Bänken. Hier galt es stundenlang warten und nackend auf den kalten Bänken sitzen. Wie peinlich war das! Die meisten von uns waren noch nie beim Strand gewesen und hatten noch nie einen Badeanzug angehabt, und hier waren hunderte von nackten Frauen mit ihren Kindern, jedem Auge blosgelegt. Die Arbeiter, Männer und Frauen, liefen herum. Man hätte in die Erde versinken können.

    Arbeiter gingen von Frau zu Frau und puderten ihre Haare, die nach langem Warten in Trögen gewaschen wurden. Das Wasser hatte einen scharfen Geruch. Dann kamen wir unter die Dusche, und nach langem Warten standen wir wieder in langen Schlangen, immer noch ohne Kleider, um einen Stempel auf den linken Arm zu bekommen. Der dunkelblaue Stempel sagte ganz klar REIN, und damit waren wir fertig im deutschen Reich zu leben. Im andern Zimmer fanden wir unsere Kleider, die chemisch gereinigt worden waren und kaum erkennbar. Sie waren verknittert und hatten ihre Farben verloren. Wir mußten sie anziehen, denn wir hatten keine andern. Man sagte uns, all dieses war nötig, um Krankheiten zu vermeiden. Ein jeder, der vom Osten kam, mußte durchs Entlausungslager.

......

    Am Heiligen Abend las Mutter die Weihnachtsgeschichte, dann betete sie und wir sangen etliche Weihnachtslieder. Es war ein stiller, ruhiger Abend gewesen. Wir sprachen von Vater und den Brüdern und begaben uns schon frühe ins Bett.

   Ganz plötzlich erwachte ich aus meinem tiefen Schlaf. Vor mir unten im hellen Mondenschein lag Mutter auf ihren Knien neben ihrem Bett. Sie schluchzte leise und weinte. Ganz deutlich konnte ich verstehen, daß sie für ihren Mann und ihre Kinder betete. Dieses Bild bewegte mich tief. Ich hab es nie vergessen. Auch in späteren Jahren, als wir getrennt waren und nichts voneinander wußten, stand dieses Bild vor meinem Geistesauge. Ich wußte immer, ich hatte eine betende Mutter. Sie war eine Frau, die nicht viel Worte machte, aber sie war immer bereit, für mich Fürbitte zu tun.

...

   Der Bahnhof war fast leer. Vor der Bahnlinie blieb Großvater stehen, steckte seine rechte Hand in die Manteltasche, zog ein kleines schwarzes Büchlein heraus und gab es mir mit diesen Worten: "Die Lage ist ernst, und wir wissen nicht, was uns die Zukunft bringen wird. Nimm dieses kleine alte Neue Testament und lies darin, denn es wird dir helfen, wenn du in Not bist. In der großen Verfolgung der 30ger Jahre, als ich von Ort zu Ort wandern musste, habe ich dieses Büchlein immer bei mir gehabt. Daraus habe ich viel gepredigt und selber in Not und Trübsal viel Trost und Mut darin gefunden. Wenn du es liest, erinnere dich dann an deinen Großvater, der dich liebt."

   Ich stieg in den Zug, winkte freudig vom offenen Fenster, als der Zug mehr Momentum bekam und die zwei Figuren mit den winkenden Taschentüchern immer kleiner wurden. Ich habe Großvater und Mutter nie mehr in meinem Leben gesehen. Dieser lange Gang zum Bahnhof mitten in der Nacht in Schnee und Eis war der letzte Liebesdienst, den Großvater und Mutter mir erwiesen haben. Sie waren die zwei Menschen in meinen jungen Jahren, die ich am meisten liebte. Großvater wurde bald darauf von russischen Soldaten hinter eine Scheune geführt und dort kaltblütig erschossen. Und Mutter wurde mit den Schwestern und anderen Verwandten nach Sibirien verschleppt, wo sie unter unbeschreiblichen Umständen arbeiten mußten.

   Es geschah damals, als die menschlichen Herzen mit Rache erfüllt waren und man kleine Kinder und alte Greise genau so quälte und ermordete, wie Soldaten an der Front. Haß und Rache regierten und nicht das Herz.

...

   Sobald man Briefe schreiben konnte oder Post bekommen, fing meine Mutter an, ihre Söhne und ihren Mann zu suchen. Sie schrieb an Freunde und Fremde. Sie erkundigte sich in verschiedenen Lagern und schrieb einen Brief nach dem andern. Sie betete und hoffte. In ihrem Herzen, sagte sie, wußte sie, daß alle drei irgendwo am Leben sein mußten.

   Endlich hörte sie von Verwandten, daß ihre zwei Söhne noch am Leben sind. Ihre Freude war endlos. Bald würde sie sie sehen. Bald würden sie wieder zusammen sein. Daran zweifelte sie nicht.

...

   Nachts, wenn es dunkel und ruhig war, konnten wir das Donnern und Krachen im fernen Osten hören und wurden daran erinnert, daß die Kriegsgefahr noch nicht vorbei war und daß wir auch hier in Polen nicht sicher waren, obwohl man uns beteuerte, daß der Russe nie seinen Fuß aufs deutsche Land setzen würde.

...

   Abends saßen wir vier im Dunkeln. Wir hatten uns viel zu erzählen. Immer wieder kamen wir auf unsere Lieben zu sprechen, die wir in Rußland verloren hatten. Vater war schon im März 1938 verschwunden. Wir hatten nach seiner Verhaftung nie mehr von ihm gehört und wußten nicht, ob er noch am Leben war oder irgendwo im kalten Sibirien leiden mußte. Wo waren unsere Brüder, die 1941 kurz vor dem Einmarsch der Deutschen mit allen Männern unserer Dörfer unter starker Bewachung abmarschieren mußten? Wo waren sie? Hatten sie alles überstanden? Hans war nur 15 Jahre alt, und Mutter sorgte sich um ihn. Er war doch nur ein Kind, als er von Mutter gerissen wurde und würde sie in der Fremde brauchen. Gerhard war schon 18, etwas reifer, aber auch ihn vermißte Mutter so sehr.

...

   Als einige von uns zum Bahnhof kamen, war er auffällig leer. Man sah keinen Menschen, und man verkaufte keine Fahrkarten mehr. Zwei Züge sausten an uns vorbei, ohne anzuhalten, sie waren beide überfüllt, und wir hätten nicht hineinkommen können. Menschen standen auf den Treppen der Züge, andere hingen aus den Fenstern hinaus. Nun wußten wir Schülerinnen, daß die Lage ernst war. Nach Hause zu unseren Lieben konnten wir nicht fahren, zum Gehen war es zu weit, und so kehrten wir wieder zurück zur Schule.

...

   Der 18. Januar 1945 wird uns ewig im Gedächtnis bleiben. Schon um halb vier Uhr morgens wurden wir von einem Trampeln und Poltern über uns geweckt. Wir waren schon wach, als wir ein leises Klopfen an der Tür hörten. Als sich die Türe öffnete, hörten wir Schwester Lyddis Stimme in der Dunkelheit, die keine Aufregung verriet: "Auf, Mädels! Wir müssen wieder flüchten.“

   Wir rissen die Leintücher und Kissenbezüge von unseren Betten und machten daraus Rucksäcke und Brotbeutel.

   Ich mußte immer an Mutter denken. Würde der Krieg uns wieder trennen?

   Die Roten hatten größere Fortschritte gemacht, als man geglaubt hatte, und nun galt es laufen und immer stärker laufen. Allmählich hatte sich auch der Wind gedreht und kam von vorne, was das Gehen erschwerte.

   Die Uhr wurde elf, sie wurde Mitternacht, und es ging immer weiter. Es war kalt. Wir hatten keine richtigen Winterkleider, keine Stiefeln, um durch den tiefen Schnee zu waten und froren.

   In Redichow traf Herr Götz, der Direktor unserer Schule, eine bekannte Rotkreuzschwester, die uns versprach, allen ein Essen zu kochen. Gleich fingen wir Mädels an, Kartoffeln zu schälen und Gemüse sauber zu machen, aber schon nach zehn Minuten wurde uns gesagt, daß wir alles liegen und stehen lassen sollten, da der Russe in Leslau durchgebrochen war und 80% des Waldroder Trecks in seine Hände gefallen war. Dabei soll es schrecklich zugegangen sein.

...

   Plötzlich stand vor uns ein großer Gutshof. Ob wir hier etwas zu Essen bekommen würden? Schüchtern, fast ängstlich klopften wir drei verhungerte und fast verfrorene Mädels an die Tür, und als der Wirtsherr erschien, fragten wir stotternd, ob er etwas Brot hätte, das er uns geben könnte. Brot hätte er keines, sagte der satte und gut gekleidete Mann, aber er könne uns helfen schneller weiterzukommen. Er führte uns auf den Weg, wo eine Gruppe von deutschen Soldaten Panne hatten und sagte, diese würden uns bestimmt mitnehmen, wenigstens bis nach Kruschwitz, wo wir als Schule uns zu Nacht treffen sollten.

...

   Außerhalb der Stadt sahen wir einen Bauernhof. Wir drei waren schon schwach und zitterten vor Kälte und besprachen uns, bei diesem Bauern Hilfe zu suchen. Der polnische Bauer und seine Frau saßen beim Ofen und wärmten sich. Leere Teller standen auf dem Tisch, was uns sagte, daß sie eben Abendbrot gegessen hatten. Auf dem Herd stand ein großer Topf mit kochenden Kartoffeln, die wohl für die Schweine bestimmt waren. Frieda war die erste, die reden konnte. Ob sie etwas Warmes zu trinken hätten, denn wir wären fast erstarrt von der Kälte und wir hätten schon seit zwei Tagen fast nichts gegessen.

   "Wir haben selber nichts zu essen," sagte der Mann kaltblütig. "Seht, daß ihr wegkommt!"

   Da holte Lottie ein paar Seidenstrümpfe aus ihrem Rucksack. Diese hatte sie immer sorgfältig aufbewahrt, denn sie waren ein Geschenk von einem guten Freund. Jetzt war sie gewillt, sie für ein paar Kartoffeln zu opfern, die sie auf dem Herd sah. Sofort gab uns die Bäuerin Brot, Kartoffeln mit Salz und warmen Tee zum Trinken. Wir durften auch unsere Handschuhe und Taschentücher trocknen und unseren fast erstarrten Körper erwärmen.

......

   Wir warteten und warteten, und nach einer Stunde kam tatsächlich ein Zug, der uns nach Posen bringen sollte. Er hatte kaum angehalten, da strömte die Menschenmenge auf ihn zu. Es war ein Rennen und Jagen, ein Schieben und Drücken, ein Schreien und Weinen, und am Ende waren es die Starken und Aggressiven, die in den Zug kamen. Frauen mit kleinen Kindern, die Alten und Kranken mußten zurück bleiben, als der Zug voll und zur Abfahrt bereit war.

   Langsam fuhr der Zug weiter. Oft blieb er stundenlang stehen, da die Bahnlinien besetzt waren, und dann fuhr er wieder weiter. Vor Gnesen standen wir etliche Stunden. Überall, wo wir hinkamen, waren die Leute schon geflüchtet.

   Gegen Abend kamen wir in Posen an, blieben aber im Zug, der weiter fuhr, aber andauernd anhielt. So fuhren wir vier Tage und vier Nächte. Es ging über die Oder. Es war kalt und wir froren wie die Pudel, denn manche Fenster des Wagens waren kaputt, und es war immerhin Winter. Wir trampelten mit den Füßen und schlugen um uns mit den Armen, um warm zu bleiben.

   Hunger war unser ständiger Begleiter.

 Die Ukraine und die Mennoniten

             

     Wo einst die Mennoniten in der Ukraine ansiedelten, gibt es heute Kämpfe, nachdem Russland die Ukraine überfallen hat.

     Ukraine ist das zweitgrößte Land Europas, nach Russland. In seiner Geschichte wurde die Gegend von vielen anderen Völkern beherrscht (Mongolen, Ottomanen, Kossaken, Polen und Russen). Nach der russischen Revolution von 1917 entstand in der Ukraine eine Freiheitsbewegung, die von den Kommunisten niedergeschlagen wurde (Holodomor).

     Bis zum Zweiten Weltkrieg lebten in der Ukraine viele Juden. 2001 lebten noch rund 100.000 Juden in der Ukraine. Nach der offiziellen Volkszählung von 2001 leben in der Ukraine 77,8 % Ukrainer, 17,3 % Russen und über 100 weitere Ethnien. Ca. 75 % der Ukrainer gehören den orthodoxen Kirchen an. 

      Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen berichtete an diesem 3. März, dass etwa eine Million Flüchtlinge aus dem Land geflohen sind. Mittlerweile ist die Zahl gestiegen.

     Als die Mennoniten 1789 in die Ukraine kamen, betrachteten sie dieses Land als Russland. Sie sollten die von den Türken zurückeroberten Landstriche urbar machen und den ukrainischen Nachbarn als Muster-Landwirte dienen. Die erste, auch „Alt-Kolonie“ genannt, ist als die Chortizaer Ansiedlung bekannt geworden. Heute ist dort die ukrainische Großstadt Saporischschja. Das zweite mennonitische Siedlungszentrum, entsprechend als „Neu-Kolonie“ bezeichnet, lag an einem kleinen Fluss namens Molotschna und wurde daher Molotschnaer Ansiedlung genannt.

    In diesen Kolonien wurde ziemlich bald der Landmangel zu einem großen Problem. Während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und später entstanden daher vierzig „Tochterkolonien“, die über weite Gebiete des Russischen Reiches verstreut lagen.

      Vor dem Ersten Weltkrieg war die Ukraine zum Hauptproduzenten von Getreide, insbesondere Weizen, geworden. Die Mennoniten trugen dazu bei, die Ukraine zur Kornkammer Europas zu machen, indem sie neue Methoden der Landwirtschaft einführten und die Mehlverarbeitung in verschiedenen Bereichen entwickelten.

     Die Mennoniten lebten sich dort gut ein und sahen Russland immer mehr als ihre definitive Heimat. Der einflussreichste Mennonitenführer, Johann Cornies (gest. 1848), brachte dieses zum Ausdruck, als er in einem Brief über „Das Neue Russland“ (heute Ukraine), bevölkert mit Molokanen, Kosaken, Nogais, Doukhobors, Zaporozhianern, Deutschen, Juden und viele mehr folgendes schrieb:

     „Es ist sehr interessant, so viele Völker zu finden, die eng zusammenleben. Sie gehen ruhig und still miteinander um. Während sie ihren Geschäften nachgehen, beobachten wir verschiedene Bräuche, Sprachen, Trachten und Lebensweisen. Ich glaube nicht, dass so etwas irgendwo anders auf der Welt zu finden ist. Unsere weise imperiale Regierung hat es geschafft, uns alle zusammenzubringen und eine Führung zu bieten, die uns alle glücklich macht. Dafür geben wir Gott die Ehre.“

    Als der Zar zwischen 1853 und 1856 in der Krim einen Krieg führte, fand er große Unterstützung unter den Mennoniten. Sie empfanden es schon als „ihr“ Land und taten ihr Bestes, der Regierung in dem Krieg zu helfen.

    Ukrainer und Mennoniten pflegten weiter keinen Kontakt, außer dass jene bei den Mennoniten als Landarbeiter angestellt wurden.

    Die Revolution von 1917 stellte dann alles auf den Kopf. Der letzte Schlag gegen die Mennoniten in der Ukraine kam während des Zweiten Weltkriegs, als sie 1941 vor den vorrückenden deutschen Truppen von den Russen nach Osten und 1943 vor der vorrückenden sowjetischen Armee nach Westen evakuiert wurden. Die mennonitischen Kolonien in der Ukraine wurden dabei effektiv zerstückelt und nie wieder aufgebaut. Die Überlebenden wurden Mitte der 1950er Jahre freigelassen, ihnen wurde jedoch die Rückkehr in die Ukraine verweigert.

    Vor dem Ersten Weltkrieg lebten in Russland ungefähr 120.000 Russlandmennoniten. Bis 1911 produzierten die acht größten mennonitischen Fabriken 6% der gesamten russischen Produktion, lieferten Maschinen in alle Teile des Reiches und beschäftigten 1744 Arbeiter. Die Jahresproduktion von Lepp und Wallmann in Schönwiese betrug 50.000 Mähwerke, 3000 Dreschmaschinen, tausende Gangpflüge sowie andere landwirtschaftliche Geräte.

    Dieses neue Land war ihnen zur Heimat geworden. Hier gab es die von ihnen gewünschte Freiheit, was christlicher Glaube und deutsche Kultur betrifft und dazu Land ohne Ende. Sie hatten viele Kinder, aber durch Gründung neuer Kolonien, bis in Sibirien hinein, konnte es sich niemand vorstellen, dass es mal anders kommen könnte.

    Ergeht es uns heute nicht ebenso? Sind wir nicht schon mehr Brasilianer als Mennoniten? Irdische Heimaten sind vergänglich. Immer.

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Mennoniten in Brasilien

Die verzweifelte Lage der Mennoniten am Krauel

     Ich bin auf ein Protokoll gestoßen, dass die aussichtslose Lage der Zurückgebliebenen am Krauel beschreibt.

     Die Mennoniten wurden bei der Ankunft in ein gebirgiges Land auf den Höhen Santa Catarinas angesiedelt. Alles war ihnen fremd und sie hatten keine Ahnung, wie es zu bewirtschaften wäre. Das hügelige Land, Bäume roden, Mais und Maniok pflanzen, die Art der Milchwirtschaft, alles war ihnen unbekannt. Zusätzlich hatten sie keine Märkte, wo sie ihre Produkte hätten absetzen können.

    Meine Mutter wurde von den Eltern als Dienstmädchen nach Curitiba geschickt, um mit dem wenigen Geld das Überleben der Familie in Stolz Plateau zu ermöglichen. Vater, als einziger Sohn, ging nach Taió, um in der Käserei zu arbeiten, denn seine Arbeit zu Hause gab wenig her. Sein Bruder war in Russland geblieben, sonst waren nur Schwestern zu Hause. Und mein Großvater hatte nur eine Lunge und konnte nur wenig tun.

    Ähnliche Geschichten bei anderen führte dazu, dass die Stolzplateauer zum größten Teil schon zu Beginn der dreißiger Jahre nach Curitiba abwanderten. Diese hatten den zusätzlichen Vorteil zwei gewaltige geistliche Leiter zu haben, Ältester David Koop in der Mennonitengemeinde und Pred. Peter Hamm in der Brüdergemeinde.

    Diese Abwanderung führte aber zu großer Verunsicherung in den verbliebenen Mennoniten am Krauel. Zur Zeit dieses Protokolls (06.04.40) war noch die Mehrheit der Mennoniten am Krauel, doch die nun folgenden Äußerungen der 11 versammelten Älteste, Prediger und Diakone geben einen erstaunlichen Einblick in die verzweifelte Lage der Zurückgebliebenen. Ich gebe einige der Äußerungen wieder: 

    -"trotz der katastrophalen Lage des geistlichen Lebens unserer Gemeinden"

    - "Verbot unserer geistlichen Versammlungen seit Oktober 1939"

    - "die Abwanderung (nach Curitiba) und die damit verbundenen Schwierigkeiten"

    - "dass ein beträchtlicher Teil der Gemeinden sich von der KfK nicht mehr überwachen lassen will"

    - "dass keine biblische Gemeindezucht in den Gemeinden zu üben ist, da der zu Bearbeitende, wenn er wegen unzulässiger Handlungsweise zur Rechenschaft gezogen wird, droht alle Beziehungen abzubrechen und nach Curityba zu gehen, wo er aufgenommen wird ohne seine gestörten Beziehungen mit der Ausgangsgemeinde und den Mitbürgern am Ort in Ordnung zu bringen wie es manche Fälle aus der Vergangenheit bestätigen."

    - "dass die Abwanderung nach Curitiba anhält und bereits Formen anzunehmen scheint, die jeder Vernunft direkt ins Gesicht schlagen. Gefragt, sagen einige:

- 'Brüder bemüht euch nicht vergebens, ich verkaufe und gehe nach Curitiba'

- 'Ich verkaufe an den ersten besten und wenn man mir dafür auch die Beine einschlägt und ich dann einige Zeit lahm gehen werde'

   - "Dass hier die Redensart geht: 'Am Krauel herrsche ewiger Streit, in Curityba dagegen Frieden', weil die Gemeindeglieder hier am Orte für offenbare Verstösse gegen bestehende Ordnungen auf geistlicher Linie sich verantworten müssen, in Curitiba aber sich in ihren ungerechten Handlungen gerechtfertigt sehen, indem sie dort in die Gemeinde aufgenommen werden"

   -"dass die Abwandernden die Abwanderung nach Curityba als gerechtfertigt ansehen, weil die Majorität der Siedler auf dem Standpunkt steht, dass es in Curityba wirtschaftlich leichter ist und Curitiba von Prof. B.H.Unruh anerkannt ist"

   "Das Ergebnis vorstehender äußerst trauriger und entmutigender Feststellungen sind folgende Beschlüsse:

Infolge der gegebenen Verhältnisse nach außen hin und der Unmöglichkeit der Ausübung einer biblischen Gemeindezucht halten wir dafür, dass die laut Satzungen vorgesehen Arbeit der KfK.  heute in unserer Mitte nicht durchführbar ist, und sehen uns genötigt dieselbe auf unbestimmte Zeit einzustellen."

    Alle Anwesenden stimmten dem zu. 

    Da erst erschien der Siedlungsleiter David Nikkel, legte Protest gegen diesen Beschluss der KfK ein, "dass sie dennoch ihre Arbeit und Pflicht tun muss, um noch das Wenige zu erhalten, das wir besitzen, ungeachtet dessen, dass die KfK bereit auf verlorenem Posten steht."

    Wenn jemand sich für das ganze Protokoll interessiert, kann er es von mir anfordern.

    Was ich hieraus erkenne, ist dass

    - die Abwanderung der Minderheit nach Curitiba die Mehrheit am Krauel verunsichert und geschwächt hat, besonders die Leiter

    - die dadurch verursachte Not scheint nicht finanzieller Art gewesen zu sein, sondern geistlicher. Man hatte nicht mehr die Möglichkeit, Druck auf den Einzelnen auszuüben. Man konnte nicht mehr die notwendige "Gemeindezucht" praktizieren. Was waren diese so große Sünden, die man nun nicht mehr bestrafen konnte? Ich weiß es nicht. Man erkennt aber, dass sobald die geistliche Leitung an jemanden herantrat, dieser unberührt davon blieb und damit drohte nach Curitiba zu gehen.

    Wie wir wissen, hat die Abwanderung angehalten und dass mit der Zeit die Mehrheit der Mennoniten in Curitiba wohnte, so dass am Ende der vierziger Jahre die letzten auch abwanderten und Witmarsum, Pr und Colônia Nova, RS gründeten.

    Warum kamen diese nicht auch nach Curitiba, sondern suchten lieber wieder ein Wohnort weit ab von der Stadt? War in diesen die Angst vor den Gefahren der Stadt zu groß? Waren diese die Konservativeren?

Kraul: der Versuch, die Mennonitengemeinde mit der Brüdergemeinde zu verschmelzen  

  Das war der Vorschlag des Siedlungsleiters David Nikkel. Es folgt der Brief, den er an die Leiter beider Gemeinden richtete. Anschließend einige erklärende Kommentare und Vermutungen. 

Witmarsum (SC), den 21. Sept. 1946

An die Vorstände der beiden Mennonitengemeinden Witmarsums

Zu Händen Herrn

Aeltesten Gerh. Rosenfeld

Diakon Jac. Renpenning

In Erwaegung der durch das Abscheiden des Predigers Isaac Martins entstandenen besonderen Umstaende wenden wir uns mit diesem an Sie. Im voraus bitten wir Sie, die Enthuellung unserer Gedanken und Wuensche nicht als profane Einmischung in kirchliche Angelegenheiten zu deuten, sondern als das, was sie sind – Interesse an einer guten Loesung der Probleme der Kirchengemeinde zum Wohle unserer Gesamtgemeinschaft.

Von der Vorsehung zu einer Schicksalsgemeinschaft gefuegt, sind wir alle voneinander abhaengig und fuereinander verantwortlich. Auch die Zukunft wird diese Gebundenheit nicht loesen, solange wir hier als Gemeinschaft bestehen.

Waere es nun nicht moeglich und vielleicht gerade der gegebene Moment dafuer, dass sich unsere Gemeinden zu einer einzigen zusammenschloessen?

Wie vielen Reibungsmoeglichkeiten waere damit vorzubeugen und wieviel einfacher koennte sich die Leitung gestalten! Von der guten Beeindruckung der vorlaeufig abseits stehenden Mennoniten ganz zu schweigen.

Es muss zugegeben werden, dass die Durchfuehrung eines solches Aktes große Belastungsproben aussetzen wird.  Ein Erfolg wuerde aber dauer auch um so segensreicher und eine geschichtliche Tat sein. Wir bitten daher die betreffenden Vorstaende keine persoenlichen Opfer zu scheuen und die Belastungen mutig auf sich zu nehmen, wenn Sie sich von der Notwendigkeit des Zusammengehens ueberzeugen koennen.

Es liegt auf der Hand, dass es fuer die kleine Mennoniten-Kirchengemeinde in Zukunft schwerer sein wird, sich zu behaupten.

Andererseits wuerde sich die große Bruedergemeinde nichts vergeben, wenn sie sich zu einer großen Liebestat aufschwingen koennte und ihre Schwestergemeinde einfach als Ganzes aufnaehme. – Weitherzigkeit und gegenseitiges Vertrauen duerften geeignet sein, auch die gefahrdrohenden Klippen zu umschiffen.

Die Grundsaetze der Bruedergemeinde duerften bestehen bleiben und koennten auch kirchliche Braeuche wie Katechismusunterricht der Taueflinge und auch die Taufform in gewuenschten Faellen uebernommen werden.

Wir moechten mit diesen Andeutungen nur bekunden, dass wir an die Moeglichkeit des allgemeinen Zusammengehens als Christen und Mennoniten glauben. Wir moechten keiner Gemeinde damit zu nahe getreten sein. Unser Wunsch ist, dass die Bruedergemeinde keinen Schaden naehme und der Kirchengemeinde geholfen werde.

Allseitiger guter Wille und gebetsvolle selbstlose Pruefung der Frage sind die einzigen Voraussetzungen zum Auffinden einer Loesung nach Gottes Willen zu unserm Heil.

In der Hoffnung, dass unsere Denkschrift zum mindesten einer ernstlichen Erwaegung Wert geachtet werde, zeichnet im Auftrage

   David Nikkel

   Einleitend schickt Nikkel die Gründe für seinen Vorschlag voraus: Prediger Isaak Martins sei gestorben, ich nehme an, er war der Leiter der Mennonitengemeinde am Krauel. Deswegen hatte nun die Gemeinde ein Problem, sie hatte keine Leitungskraft, vielleicht auch keinen Prediger. In Curitiba war damals schon Ältester David Koop, aber so weit mir bekannt ist, gab es auch hier Predigermangel. Nikkel fügt einen dritten Grund hinzu: sein Vorschlag würde der Gesamtgemeinschaft wohltun. Dann spricht er von einer Schicksalsgemeinschaft aller Mennoniten und der gegenseitigen Abhängigkeit und Verantwortung.

   Dann kommt er zum Hauptanliegen des Briefes mit der Frage: „Waere es nun nicht moeglich und vielleicht gerade der gegebene Moment dafuer, dass sich unsere Gemeinden zu einer einzigen zusammenschloessen?

   Davon verspricht er sich folgende Vorteile: Reibungsmöglichkeiten in der Verwaltung der Kolonie könnten vorgebeugt werden und es würde einen guten Eindruck auf die vielen „abseits stehenden Mennoniten“ haben. Er erkennt, dass dieses die Gemeinden auf eine große Belastungsprobe stellen würde, aber ein eventueller Erfolg wäre dann „eine geschichtliche Tat“.

    Er verstärkt nochmal seinen Vorschlag dadurch, dass er darauf aufmerksam macht, dass die Mennonitengemeinde klein und die Brüdergemeinde groß sei. Er schließt seinen Brief mit einigen Vorschlägen, wie gewisse Eigenarten jeder Gemeinde ohne Schaden integriert werden könnten.

   Wie wir wissen, ist daraus nichts geworden. Warum?

   Könnte es nicht sein, dass Nikkel ein früheres Modell wiedereinführen wollte, wie es in Russland bis 1860 bestanden hatte, als es nur eine Gemeinde unter den Mennoniten gab und somit gewissermaßen auch nur eine Leitung in der Kolonie? Und Ältester Rosenfeld, von der Brüdergemeinde, gerade davor zurückschreckte, weil er nicht wieder den Einfluß von Verwaltungsfragen der Kolonie auf die Gemeinde übertragen wollte?

   Wie wir wissen, löste sich die Kolonie in wenigen Jahren auf, eine Gruppe ging in den Süden, die andere nach Witmarsum, Pr. Hätte der Zusammenschluß die Auflösung der mennonitischen Kolonie am Kraul verhindert? Oder wäre jene Gruppe dann zusammen weggezogen und es gäbe heute ein noch stärkeres Witmarsum in Pr. oder Colônia Nova, RS? 

   Was mich an diesem Brief auf jeden Fall beeindruckt ist, wie schwer es diese Geschwister am Kraul hatten und mit welch großem Fleiß sie gesucht haben, schwere Hürden zu überspringen.

Das Gründungsprotokoll der MBG von Colônia Nova?
 

    Unter den gefundenen Papieren und Dokumenten in der Cruz Verde gibt es auch ein Protokoll, das sicherlich zu den ersten der neuen Brüdergemeinde im heutigen Colônia Nova zählt.

   Ich gebe einiges von dem Protokoll wieder:

   

Protokoll einer Bruderberatung am 22. Januar 1950 auf der neuen Siedlung im Munizip Bagé, im Staate Rio Grande do Sul.

    Ältester Gerhard Rosenfeld macht die Einleitung ... 

Es werden darauf ... folgende Fragen vorgelegt:

- Finden die Brüder den Zusammenschluss auf der neuen Siedlung jetzt für notwendig?

- Wenn ja, wie denken sich die Brüder den Zusammenschluss: als selbständige Gemeinde oder als Filiale vom Krauel und Curitiba?

- Wie denken sich die Brüder die Gemeindeleitung im Falles eines Zusammenschlusses: in einer Person, oder im Bestande eines Comitees?

Resolution:

Frage 1: Die Brüder finden den Zusammenschluss jetzt notwendig

Frage 2: Die sich zusammen schließenden Geschwister bilden eine

Filiale vom Krauel und Curitiba

Frage 3: Bildung eines Comitees.

Stimmen: G. Schartner .......... 13 Stimmen

                  H. Ekk ...................... 06 Stimmen

                  B. Friesen ................ 05 Stimmen

                  H. Loewen ............... 08 Stimmen

                  J. Martens ............... 04 Stimmen

     Br. G. Schartner bittet die Gemeinde am Krauel mit Hebr 13.9 zu grüssen. Zum Schluss folgte von Br. Rosenfeld noch eine brüderliche Ermahnung bezüglich der Sonntagsheiligung und friedlichen Zusammenarbeit.

     

    Die besseren Schlussfolgerungen zu diesem Protokoll könnten wohl die Geschwister am Ort geben. Was mir aber auffiel:

    Wenn jeder der Anwesenden nur 1 Stimme abgegeben hat, dann waren bei dieser Versammlung 36 Männer versammelt.

    Es scheint so, dass sich diese Gruppe in der neuen Kolonie gar nicht darüber im Klaren war, ob die anderen vom Krauel nachziehen würden.

     Was meinte man mit dem Ausdruck "Filiale"? Fühlte man, dass die Gruppe zu klein sein würde, um als selbständige Gemeinde zu bestehen und sah man sich nur als Zweigstelle vom Krauel und von Curitiba? Warum auch von Curitiba? Betrachtete man die dortige Gemeinde zu jener Zeit als die Hauptgemeinde der Brüdergemeinden in Brasilien?    

    Wenn Rosenfeldt ein Ältester war, also ein Bischof, der beauftragt war, die Übersicht über mehrere Gemeinden auszuüben, dann wären sie doch selbständig!? Und warum wurde er nicht als Leiter gewählt?

    Ist dieses das Gründungsprotokoll der Gemeinde von Colônia Nova? Oder gibt es noch ältere Dokumente?

    Kann jemand mit klärenden Ergänzungen oder Korrekturen bei der Bedeutung dieses Protokolls helfen?

Alte Protokolle - Einblick in längst vergangene Zeiten:

Das Jahr 1946

 

    In den vorhandenen Protokollbüchern der M.B.Boqueirão geschieht die erste Eintragung am 9.10.1937. Am 6.12.1941 findet eine Unterbrechung statt. Warum wohl? Es ist Kriegszeit und in dieser Zeit kam auch das Verbot der deutschen Sprache. Das nächste Protokoll ist dann am 14.12.1945. Am Inhalt dieses Protokolls ist aber kein Neuanfang festzustellen. Hat man also die Sitzungen während des Krieges normal weitergeführt, aber nichts Schriftliches hinterlassen, vielleicht aus Furcht davor, Beweismittel für die Polizei zu liefern? Oder ist das Buch dieser Zeit verloren gegangen? Das letzte Protokoll steht auf der Seite 34a des Protokollbuches und das nächste auf der Seite 34b. Ich nehme also an, dass der Vorberat sich traf, aber keine schriftliche Aufzeichnung in diesen Jahren gemacht hat.

Sehen wir uns einige Eintragungen aus dem Jahr 1946 an!

 

Mit Bruder H.H. soll noch mal gesprochen werden. Die Brüder Wilhelm Janzen und Heinrich Fröse werden dazu beauftragt, mit ihm zu sprechen und ihn einzuladen, dass er sich am 2. Juni der Gemeinde stellen soll“ (25.05.1946)

  In jedem Protokoll werden ein oder sogar mehrere Disziplinarfälle genannt. Fehlverhalten wurde damals intensiv nachgegangen, und nicht nur von "einfachen" Gliedern, sondern auch von Gemeindearbeitern. Man achtete sehr auf den Wandel der Glieder und schnell lag die Verfehlung eines Gliedes auf dem Tisch des Vorstandes und es musste sich rechtfertigen. Heute ist es ganz anders. Warum? Hat sich die Gemeinde dadurch zum Besseren gewandelt?

 

Schluss (der Sitzung) von Br. Peter Hamm mit Lied und Gebet“ (25.05.1946)

 Ich bin schon vor vielen Jahren im Vorstand gewesen, ich erinnere mich aber nicht daran, dass wir im Vorstand mal gesungen hätten. Warum hat diese Gewohnheit aufgehört? Sind die Teilnehmer heute unmusikalischer? Man tat es auch zur Erbauung der Teilnehmer und um die geistliche Ausrichtung der Sitzung zu unterstreichen. Warum hat sich diese Gewohnheit geändert?

 

Protokoll einer Vorberatssitzung am 3. August 1946 im Hause der Geschw. Jac. Wiens, Xaxim.

Ganz anders als heute hatte man noch keine öffentlichen Räume zur Verfügung und man versammelte sich in den Häusern. Konnten dann die Frau oder andere Familienmitglieder durch die Holzwände mit zuhören?

    

Es werden folgende junge Geschwister für ein biblisches Studium vorgeschlagen: Abram A. Dück, Peter Hübert, Johann Neufeld, Gerhard Klassen und Maria Neufeld“ (3.8.1946)

Was mir hier auffiel, ist dass auch der Name einer Frau genannt wird, die für "ein biblisches Studium" vorgeschlagen wird. Man hat also schon in der Vergangenheit nichts dagegen gehabt, dass in der Bibel auch Frauen bewandert wären.

 

Br. F.K. erklärt sich zu der vorigen Vorberatssitzung, dass sie in zu erregter Stimmung verlaufen ist und empfiehlt für die Zukunft in aller Ruhe einen klaren, neuen, geraden Weg der Wahrheit zu gehen“ (3.8.1946)

In der Sitzung davor, am 29.07.1946, wurde aber diesbezüglich nichts vermerkt, auch keines der angeführten Themen scheint als Streitthema geeignet gewesen zu sein. Es mag auch sein, dass es um etwas ging, das später gar nicht im Protokoll aufgenommen wurde. Auf jeden Fall: warum streitet man sich so heftig auf einer Vorstandssitzung? Auch heute noch? Der "gute" Vorstand ist keine Gruppe von Freunden; in ihm sollten die verschiedensten Standpunkte einer Gemeinde vertreten sein. Das führt unweigerlich manchmal auch zu heftigen Auseinandersetzungen. Klar, hängt dieses auch mit dem Temperament der Teilnehmer zusammen. Ich bin mir sicher, dass z.B. Prediger Peter Hamm immer die Ruhe bewahrt hat, auch in den kritischsten Stunden. Andere aber, wie man weiß, waren ganz anderer Art.

 

Die Lage des Br. J.H.: Ältester Br. Hübert teilt dem Vorberat mit, dass die jungen Geschwister mit ihrer Mutter ein eigenes Heim besitzen, auf welchem noch ungefähr fünftausend Cr. Schuld ruhen, der junge Br. zur Zeit krank, die Schwester ist dabei das Schneiderhandwerk zu erlernen, auch dafür muss Sorge getragen werden, weil es auch mit Unkosten verbunden, sie bedürfen der Unterstützung. Vorschlag wird auch angenommen, ihnen mit Einverständnis der Gemeinde mit (100) Hundert Cr. aus der Kasse zu bewilligen“ (20.12.1946)

Immer wieder liest man, wie es Gliedern finanziell schlecht geht und die Gemeinde dann mit Geld mithilft. Geschieht das heute noch? Man muss bedenken, dass es damals kaum staatliche Einrichtungen gab, bei denen man um Hilfe hätte bitten können.

 

(20.12.1946)

Die Gebetswoche mit dem neuen Jahre zu beginnen wird angenommen. Gebetsprogramm: Die Brüder Jacob Hübert, Peter Hamm und D. Koop möchten es sich zur Aufgabe machen für ein Programm zu sorgen.

Damals also pflegten beide Gemeinden diese Versammlungen zusammen abzuhalten, denn Ältester David Koop, aus der Mennonitengemeinde, arbeitet mit. Zusammen beten bringt Menschen nicht nur Gott näher, sondern auch miteinander. Wann hat das aufgehört? 1972, als die MBG ihre eigene Kirche baute?

  

"Der Vorberat schlägt vor, an jedem Ort einen Kassierer zu wählen zur Sammlung der Gelder für das Waisenhaus."

Das Waisenhaus war wohl eines der ersten Versuche der M.B.G Boq., evangelistisch aktiv zu werden. Zusätzlich zum monatlichen Gemeindegeld erwartete man also auch noch Beiträge für diese Einrichtung.

  

"Bruder Peter Hamm ist bereit dafür zu sorgen, dass der Kirchenraum rein und sauber gehalten wird."

Zwar ist es so, dass er der Kirche gegenüber wohnte. Sicherlich wohnten auch andere Gläubige beider Gemeinden in der Nähe der Kirche und hätten diese Aufgabe übernehmen können, da er mit Leitung, Predigtdienst, Seelsorge, Briefpartner in alle Richtungen der Welt wirklich schon viele Aufgaben hatte. Dieses zeugt von seiner Dienstbereitschaft und großen Demut.

Alte Protokolle - Einblick in längst vergangene Zeiten:

Das Jahr 1947

     

    Die Protokollbücher der M.B.Boqueirão geben lebendige Einblicke in die Vergangenheit. Einiges aus dem Jahre 1947:

   

"Geschwister Hieberts für die Logie von Br. B.B.Janz aus der Gemeindekasse 100 Milreis auszahlen" (1.03.1947)

    Es ist heutzutage kaum vorstellbar, dass die Gemeinde für die Logierung eines Predigerbesuches Beihilfe zahlen würde.

    

"Br. Johann Klassen wird beauftragt auf dem Kirchengrundstück, Schattenbäume nach seinem besten Wissen und Können anzupflanzen. Die Schwestergemeinde soll von diesem Beschluss informiert werden." (3.7.1947)

   Ich erinnere mich noch an die Zedern neben der alten Kirche, unter der die Pferde geduldig auf den Schluss des Gottesdienstes warten mussten. Die Mennoniten Curitibas kannten damals scheinbar nur zwei Arten Bäume: Birnenbäume und Zedern.

Obwohl die Kirche doch beiden Gemeinden gehörte, trifft die MBG eine eigenmächtige Entscheidung, ohne vorherige Absprache. Was wohl danach im Protokoll der Mennonitengemeinde diesbezüglich eingetragen wurde?

      

In Fällen eines Übertritts von einer Gemeinde zur anderen, „soll dieses in schriftlicher Form getan werden und der Grund des Übertritts angegeben werden.“ (2.5.47)

  Warum die Maßnahme? Wollte man auf diese Weise den Übertritt erschweren? Beide Gemeinden konkurrierten um die gleiche "Kundschaft".

"Da noch immer hin und wieder Dinge im Wandel von Br. A. vorkommen, die noch Schatten auf seine Vergangenheit werfen, kann der Vorberat seine Heranziehung zur Arbeit in der Gemeinde einstweilen noch nicht befürworten. Bruder P. Hamm und J. Regier werden beauftragt mit Br. A. diesbezüglich zu sprechen." (3.7.1947)

   

(25.10.1947)  "Schwester Katharina Kröker bittet um finanzielle Unterstützung zwecks Herüberbringung der Kinder aus Europa."

   Im Jahr 1947? Sind es solche Mennoniten, die mit dem deutschen Heer aus sowjetischen Gebieten zurückgezogen sind?

  

"Geschenk einer Bandeja für" (einen Besucher aus dem Norden.)

  Einige Wörter auf Portugiesisch hatten sich also schon so weit durchgesetzt, dass man nicht mehr den Namen für "Obstschale" auf Deutsch wusste. Oder war es vielleicht so, dass man in Russland keine Schalen kannte?

   

"Es wird ein Brief von Paraguay vorgelesen von der Vereinigung der M.G.Gemeinde. ... Die Vereinigung stimmt uns freudig und empfehlen selbigen der Gemeinde vorzulesen."

   Brasilien war ihnen fremd und die Mennoniten Paraguays seelisch so nahe, dass man sich um diese Nähe bemühte und lange Reisen in Kauf nahm, um das Band aufrecht zu erhalten.

​​

Alte Protokolle

Das Jahr 1947 Teil II

 

  Aus den Protokollen der Brüdergemeinde Boqueirão und aus dem Protokoll einer gemeinsamen Sitzung beider curitibaner Gemeinden werden die Spannungen unter den Gemeinden deutlich und auch der beiden Gemeinderichtungen am Kraul. In dieser Zeit hatten auch beide Gemeinden Missionare aus Nordamerika erhalten und auch durch ihre Haltung zu diesen wird manchen aus jener Zeit deutlich.

15.09. Br. Seibel liest Apg 20.28 und kommentiert.: „Dass die Predigerbrüder ihre Gebetsstunden haben. Sie sollen immer wieder versuchen, sich gegenseitig zu verstehen. Wir sind Seelsorger, beauftragt für Seelen zu sorgen. Wir werden immer als Prediger beobachtet. Ein freundlicher Händedruck, ein Auge in Auge schauen, wir werden immer beobachtet. Das ist ein wahrer Seelsorger, der auf sich selbst acht gibt, acht haben auf die ganze Herde, Kinder sind mit eingeschlossen. Wo viele Prediger sind, wird manchmal am wenigsten getan. Wir sind von Gott eingesetzt, die Herde Jesu Christi zu weiden.

Man kann annehmen, dass dieser Missionar schon eine gewisse Zeit unter den Brüdergemeinden Brasiliens tätig ist und durch seine Kommentare kann daraus schließen, welche Mängel er beobachtet hat, nämlich dass manche Prediger sich dessen nicht genug bewusst waren, wie sehr sie von den Gliedern beobachtet werden (Geschieht das heute weniger intensiv?); dass man Kinder zu wenig beachtete, dass die hohe Zahl der Prediger zur Nachlässigkeit vom Hirtendienst führte, dass sie sich zu wenig anstrengten, sich gegenseitig zu verstehen. Fragt sich, ob wir Prediger es heute schon besser machen? Ist der Konkurrenzgedanken heute unter den Prediger geringer?

04.12.

Protokoll einer Vorstandssitzung der Vorstände beider Gemeinden: Das Wort wurde dem Direktor des M.C.C., Br. G. Warkentin, gegeben.

  • "Die Gemeinden in Paraguay laden zur jährlichen Predigerkonferenz ein. In dem Fall dass wir Delegaten nach dort entsenden und nicht über genügend Reisegeld verfügen, will Br. Warkentin sich dafür beim MCC einsetzen, um von dort für zwei Personen das Reisegeld zu beschaffen."

Immer wieder sieht man das Wirken der nördlichen Mennoniten, um den brasilianischen zu helfen, die Einigkeit zu wahren, uns an die paraguayischen Geschwistern anzunähern, unseren Vätern mit finanzieller Hilfe beizuspringen. Sie spielen die Rolle des älteren Bruders, der dem jüngeren auf die Springe helfen muss.

  • "Br. Warkentin gibt eine kurze Einsicht der Gemeinden in der Gegenwart am Kraul. Er wünschte wie hier auch dort mit den Gemeindevertretern eine Besprechung zu haben, leider musste er geteilt mit beiden Gemeinden einzeln verhandeln. Weiter versuchte er sie zu gegenseitiger Aussprache zu zwingen, auch das war erfolglos. Wie sehr er es auch wünschte, die Versöhnung dort beizuwohnen, leider war sein Bemühen ergebnislos. Die Brüdergemeinde hatte bestimmten Grund, die Versöhnung abzulehnen, bevor die andere Gemeinde die ungebührlichen Handlungen aufs gründlichste gut zu machen versuchten."

Der MCC-Direktor berichtet den hiesigen Vorständen, wie er sich am Kraul darum bemüht hat, eine Versöhnung herbeizuführen, es aber eine unüberbrückbare Kluft unter beiden Gemeinderichtungen am Kraul gab. Die Leute aus der Brüdergemeinde begangen dann gruppenweise nach dem Süden Brasiliens umzusiedeln, in der Sehnsucht nach einem Land, wo man wieder so wie in Russland Weizen anpflanzen könnte aber wohl auch um von dem ewigen Streit am Kraul wegzukommen. Als sich dann die Kolonie dort nicht mehr halten ließ, weil durch den Wegzug viele nicht Mennoniten in die Kolonie eingezogen waren, gingen auch die Glieder der Mennonitengemeinde weg und gründeten Witmarsum,Pr.

  • "Die Betreuung der Gruppe in und um São Paulo: Die Besuche in S.P. sind notwendig, doch wie die Arbeit dort anzufangen ist, darüber muss ernstlich beraten werden. Man einigt sich vorläufig jeden zweiten Monat für zwei Sonntage einen Prediger von beiden Siedlungen nach S.P. zu schicken. Die Gruppe dort nach bestem Können und Wissen zu dienen. Die damit verbundenen Unkosten will Br. Warkentin versuchen durch das MCC zu zwei Drittel zu begleichen und ein Drittel sollen wir zwei Siedlungen gemeinsam tragen."

Man kann daraus schlussfolgern, dass es im Jahr 1947 schon viele Mennonitenmädchen gab, die in SP dienten, wahrscheinlich auch einige Familien. Im Gespräch mit dem MCC-Direktor sucht man jetzt nach Möglichkeiten, jenen Mennoniten nachzukommen, damit sie weiter im Glauben bleiben könnten. Nun soll "ein Prediger von beiden Siedlungen" monatlich nach S.P reisen. Welche "beiden Siedlungen"? Aus der Gruppe Curitibas und aus welcher weiteren Siedlung? Meint man die Gruppe am Kraul? Man stell es sich mal vor, wie dieses vor sich gehen sollte: von Ctba gab es schon eine Zugverbindung nach S. Paulo. Dazu brauchte man über 24 Stunden. Wie aber kamen die Leute vom Kraul nach S.P, um dort zu predigen? Was für ein ungeheurer Aufwand, um das Evangelium seinen Glaubensgenossen zu verkündigen! 

  • "Wir einigen uns, dass Br. Seibel (Brüdergemeinde) und Br. Kaufmann (Mennonitengemeinde) neben der Schule auch Evangelisationen abhalten, wo solche gewünscht werden, sonst sich ganz den Gemeindestunden beider Gemeinden fernzuhalten, keinen Rat erteilen in Bezug der Taufe, auch nicht über die Taufform zu sprechen, weder öffentlich noch bei den Hausbesuchen. Diese Arbeit den Ortspredigern beider Gemeinden zu überlassen."

In dieser gemeinsamen Sitzung beider Vorstände mit dem Gesandten der amerikanischen Mennoniten wird klar, wie angstvoll die Beziehung zueinander war und auch wie misstrauisch den nordamerikanischen Brüdern gegenüber. Man fürchtete sich davor, dass diese Missionare die so "wichtigen" Glaubensgrundsätze durcheinander bringen könnten, nämlich die Untertauchungstaufe für die Brüdergemeinde und die Besprengungstaufe für die Mennonitengemeinde.

 

11.12. "Betreffs Aufnahme der Brüdergemeinden Brasiliens in der Konferenz der Brüdergemeinden Nordamerikas:  weil hier (in Brasilien) etliche aufgenommen wurden, die nicht die Flusstaufe empfangen, sind sie doch bereit uns aufzunehmen, in Zukunft nur wahrhaft Wiedergeborenen nachdem sie geprüft, durch die Untertauchungstaufe aufzunehmen.

Es beugt uns, dass die Bundeskonferenz uns so weit entgegenkommt und uns aufnehmen will, wo wir gefehlt haben. Wir erklären uns als Vorstand bereit, falls die Gemeinde es auch annimmt, uns in Zukunft an die alte Ordnung der M.B.G. zu halten. Die Jugend  soll in Wort und Wandel unterwiesen werden. Auch die Wehrfrage ist von großer Wichtigkeit. Dazu kommt noch die Heiratsfrage: Falls der eine Teil ungläubig, schließt sich das betreffende Mitglied damit aus. Der Leitende gibt es dann der Gemeinde bekannt. Die Mitglieder, die vorher, ohne die Flusstaufe erhalten zu haben, aufgenommen, dürfen kein Amt in der Gemeinde haben, auch nicht als Delegaten gewählt werden."

Das sind die Bedingungen die uns gestellt wurden.

Die Brüdergemeinde will im Bund der nordamerikanischen Brüdergemeinde aufgenommen werden, muss aber erkennen, dass hier noch manches verbessert werden muss. Man darf sich laut damaligen Verständnis nur "wahrhaft wiedergeboren" betrachten, wenn man die Flusstaufe erhalten hat. Die Geschwister von der Mennonitengemeinde wurden als nicht vollwertig anerkannt. Und falls mal so einer zur Brüdergemeinde überging, musste er sich einer nochmaligen "richtigen" Taufe unterziehen. Meine Schwiegermutter hat dieses noch durchmachen müssen, da sie von Ursprung her nicht zur Brüdergemeinde gehört hatte und also die "falsche" Taufe erhalten hatte.

Was aber hier auch ersehen werden kann ist, dass diese Verhärterung der Bedingungen nicht hier ihren Anfang nahm, sondern auf das Drängen der Nordamerikaner geschah.

 

21.12.

Br. Hamm war vorläufig auf ein Jahr gewählt und schlägt vor, für weiter einen andern zu wählen, begründet seine Aussage damit dass er körperlich nicht stark und gesund sei, könnten auch passendere Brüder sein, er wolle sich betend hinter dem Gewählten stellen und unterstützen. Findet dass er manches unterlassen und nicht alles nachgekommen sei und sieht im Voraus, der Kampf immer größer wird. Der Vorberat macht der Gemeinde folgenden Vorschlag: Durch Stimmzettel eine geheime Wahl durchzuführen.

Prediger Peter Hamm hat also nie nach der Macht gestrebt. Schon in diesen Anfängerjahren hat er darum gebeten, von Leitungsaufgaben entbunden zu werden und diese "fähigeren" Brüdern zu übertragen. Die Abstimmung darüber aber überließ man der Gemeinde, die auf geheimen Abstimmungen ihn immer wieder die Leitungsaufgabe übertragen hat. Was war es, dass man von allen anderen möglichen Leitern absah und die Mehrheit immer ihn wählte? Er war ein Prediger wie kein anderer, bei Streit unter Brüdern wiederholte Male als schlichtender gewählt, Vertrauungsmann weit über die Grenzen Brasiliens hinaus wie viele Briefzeugnisse es beweisen und demütig genug, um die Kirche auszufegen und für die Gottesdienste sauber zu halten.

Ein neuer Fund:

Tausende Blätter, Dokumente, Protokolle und Kopien zur Geschichte der Mennoniten Brasiliens

  

    Pr. Paul Dück fragte Irmgard und mich, ob wir nicht mal in einem ihm gehörenden Lager reinschauen wollten. Dort liegen gestappelt Zeugen der mennonitischen Geschichte Brasiliens, der Brüdergemeinde wie auch der Mennonitengemeinde. Manches lag vorher bei Lehrer Heinrich Ens. Seine Nachkommen, statt die Müllabfuhr zu rufen, wie es einige leider getan haben, fragten Pr. Paul, ob er es nicht übernehmen wollte. Von Geschichstsbewusstsein durchdrungen, nahm er es freudig an, obwohl auch er nicht wusste, wie es nun weitergehen könnte. Aber so etwas darf nicht verloren gehen.

   Das Material ist sehr umfangreich. Bisher konnte ich nur einen oberflächlichen Blick darauf werfen. Das erste Material, das mir auffiel, möchte ich nun kurz vorstellen. In der Einleitung steht:

“Geschichts- und Protokollbuch der Mennonitengemeinde Curitiba, beginnend mit dem Jahre des Heils 1947. Im Namen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes”.

   Ich kenne die Geschichte der MG Curitibas nicht, heute als Igreja da Cruz Branca bekannt. Ich erinnere mich noch, als Kind in der alten Kirche abwechselnd Prediger Peter Hamm (MBG) und Ältester David Koop (MG) in der Leitung unserer Gottesdienste gesehen zu haben. Erst allmählich wurde mir klar, dass nicht alle zur gleichen Gemeinde gehörten. Spätestens nach der Taufe wurde es mir ganz deutlich, denn dann erlebte ich am 1. Sonntag des Monats, dass wir zwei verschiedenen Gruppen angehörten, denn das Abendmahl wurde getrennt gefeiert und wenn die eine Gruppe sich in der Kirche versammelte, „musste“ die andere in den großen Saal.

    Dieses gefundene Protokollbuch der MG Curitibas erstreckt sich auf 398 Seiten und umfasst die Zeit zwischen 1947-1975. Durch die feierliche Einleitung (am 9. Februar 1947) versteht man, dass dieses das erste Protokollheft ist. Aber die Gemeinde als solche hat sicherlich schon vorher bestanden. Die behandelten Fragen lassen vermuten, dass man sich schon länger versammelte, jetzt aber als Gemeinde auf eine geordnetere Form überging.

   Da mir nun die Protokollhefte beider Gemeinden vorliegen, kann man besser Vergleiche aufstellen und es wäre zu empfehlen, dass Wissenschaftler oder Absolventen der Pós-Graduação unserer Fakultät Fidelis dieses Material als Grundlage für Abschlussarbeiten aufgreifen würden.

  1. In der MBG begann die Protokollführung schon 10 Jahre vorher, bald nachdem man sich in Curitiba eingefunden hatte. Warum dauerte es so lange bei der MG? Ein sicherer Grund ist die Tatsache, dass es sich um eine geringere Zahl Glieder handelte. Im Protokoll vom 25.06.1949 steht die Bemerkung „während ihre (MBG) Gliederzahl gut doppelt so groß ist als die der MG“. Könnte es auch sein, dass die Zahl der führenden Kräften geringer war als bei der MBG? Schon am Kraul zeigte es sich, dass bei der MBG viele „Hähne im Korb“ saßen und in der Gemeinde nach Macht strebten.

  2. Dieses Heft umfasst die Protokollführung von 29 Jahren und gebraucht dafür 389 Seiten. Zum Vergleich: für diese gleiche Zeitspanne gibt es in der MBG 4 Prokollbücher mit ungefähr 800 Seiten, also doppelt so viele Seiten.

    Was könnte man daraus schlussfolgern? Ist es, dass die    Protokolle der MG viel nüchterner und objektiver sind und die der MBG um mehr Einzelheiten und Details besorgt? Sicher ist, dass die Gliederzahl darin einen Unterschied gemacht hat, denn es gab in der MBG wohl auch mehr Fragen zu lösen als in der MG. Könnte es auch sein, dass man es sich in der MG nicht so schwer machte mit Einzelheiten wie in der MBG? Dass die geringere Zahl die MG dazu führte sich mehr um die Einheit zu sorgen und sich nicht so emsig und gelassen gestritten hat wie die MBG?

    Es würde mich freuen, wenn man mir dazu seine Interpretation sagen würde, besonders die älteren von uns, die ja beide Gemeinden miterlebt haben.

​   Ich freue mich über diesen Fund und glaube, dass noch manches Wertvolle ans Tageslicht treten könnte, das das Mühen unserer Väter besser verstehen lassen wird und die Geschichte der Mennoniten Curitibas in einigen Aspekten zur Erinnerung rufen kann.

    Dabei achte ich darauf, niemanden bloßzustellen und so weit es mein Urteilsvermögen erlaubt auch keiner Gruppe Unrecht zu tun. Wo man dieses aber anders empfinden sollte, stehe ich gerne bereit, hier das Wort zu öffnen, um Fehler oder Fehlinterpretationen zu berichtigen.

   Ich freue mich über diesen Fund und glaube, dass noch manches Wertvolle ans Tageslicht treten könnte, das das Mühen unserer Väter besser verstehen lassen wird und die Geschichte der Mennoniten Curitibas in einigen Aspekten zur Erinnerung rufen kann.

    Dabei achte ich darauf, niemanden bloßzustellen und so weit es mein Urteilsvermögen erlaubt auch keiner Gruppe Unrecht zu tun. Wo man dieses aber anders empfinden sollte, stehe ich gerne bereit, hier das Wort zu öffnen, um Fehler oder Fehlinterpretationen zu berichtigen.

Das neu gefundene Protokollbuch der MG-Curitibas, 1947-1975

Teil II

      Wie ich es schon in der vorigen Ausgabe erläutert habe, wurden Irmgard und ich von Pr. Paul Dück zu einem ihm gehörenden Lager gerufen, wo er uns tausende Papiere und Dokumente Zugang verschuf, darunter auch ein Protokollbuch der MG-Curitibas, das die Zeit von den Jahren 1947-1975 erfasst, eine Kostbarkeit. Sobald es uns möglich ist, wollen wir das Buch digitalisieren, wie wir es schon mit den Protokollen der MBG ab 1937 gemacht haben.

     Bisher habe ich noch keinen kompletten Überblick des gesamten Inhalts. Wie in den Protokollbüchern der MBG gibt es auch hier die Beschreibung mancher heiklen Vorgänge, die selbstverständlich der großen Öffentlichkeit vorenthalten bleiben müssen, denn entweder sind die Teilnehmer der Vorfälle noch unter uns oder ihre direkte Nachfahren und der Einblick in ein Protokollbuch darf die Gemeinde und ihre Glieder nicht bruskieren oder Peinliches ans Tageslicht bringen.

      Von März 1962 bis Ende 1969 wurden in der MG keine Protokolle geführt. Der Grund dafür wird nicht angegeben. Oder gab es doch Protokolle, die sonstwo festgehalten wurden, um dann im Jahr 1970 wieder in diesem Buch die Protokolle niederzuschreiben?

    In dieser Zeit muss der Übergang in der Leitung gewesen sein vom Ältesten David Koop zu Heinrich Ens. Heinrich Neufeld ist nun der Protokollführer. Darum erfahren wir auch nichts über den Abgang des Ältesten David Koop? Wie verlief das? Warum wurde niemand mehr als Ältester gewählt?

    Bisher wurden normalerweise die anwesenden Vorstandsmitglieder in den Protokollen nicht genannt. Manche der Anwesenden werden dann im Protokoll erwähnt, falls ihnen z.B. eine Aufgabe zugeteilt wird, sonst stehen von 1937 bis 1962 nur die Namen vom Vorsitzenden der Beratung und des Sekretärs.

    Ich werfe nun ein genaueres Auge auf die Protokolle von 1947 bis 1949. In den ersten 3 Jahren gibt es in der MG 20 Protokolle auf insgesamt 50 Seiten. Bei der MBG gibt es in dieser Zeit 24 Protokolle, für die man 79 Seiten braucht. Warum dieser Unterschied? Ist man in der MBG so viel ausführlicher und vielleicht umständlicher? Und in der MG viel schlichter und faktenbezogen? Könnte der große Unterschied in der Gliederzahl ein Grund sein?

    In den Protokollen der MG stehen immer die Namen der Getauften und jener, die in der Gemeinde aufgenommen wurden. Das war der MG also bedeutsam, was wieder bei der MBG als nebensächlich behandelt wurde. Man findet in deren Protokolle, so weit ich es bisher durchsehen konnte, keine (kaum) Listen von getauften Glieder. Warum war es der einen Gemeinde wichtig, die Namen von getauften oder von neuen Gliedern aufzunehmen und der anderen scheinbar eine komplette Nebensächlichkeit? Könnte es sein, dass es so war, weil die MG eine kleine Gemeinde war und die MBG doppelt so groß? Dass es der einen sehr wichtig war, den Namen eines jeden neuen Gliedes festzuhalten und der MBG nicht?

     Anpflanzung von Schattenbäumen auf dem Kirchhof: Im Protokoll der MBG steht am 3. Juli 1947 der Beschluss, dieses zu tun. In den Protokollen der MG steht nichts darüber. Wie ging das vor sich? An der alten Kirche steht als Baujahr das Datum 1946. Feierte man damals noch getrennte Gottesdienste, dass die MG zu diesem Thema nicht gefragt wurde? Oder handelte man in der MBG eigenständig, ohne die Schwestergemeinde zu fragen?

     Konflikt am Kraul: im Protokoll einer gemeinsamen Sitzung beider Vorstände hier in Curitiba am 4.12.47 wird darüber gesprochen. Aber in den Protokollen der MG wird dieser Konflikt in diesen Jahren niemals erwähnt. Warum diese distanzierte Haltung zum Konflikt? Die Brüdergemeinde am Kraul beklagte sich stark über die Vorgehensweise der dortigen MG, besonders in bezug ihrer Glieder in der Kolonieverwaltung. Warum findet der Konflikt hier keinen Wiederhall in den Protokollen der MG?

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Mennoniten in Brasilien

"Du warst ein Fremder und Brasilien nimmt dich wie einen eigenen auf"
Empfangsworte auf einer neunsprachigen Tafel

auf der Blumeninsel

 

    Mit der Familie unserer Tochter Corina verbrachten wir einige Tage in Rio de Janeiro. Wir nahmen die Gelegenheit wahr, um die Blumeninsel zu besuchen, Ankunftsort der Mennoniten in Brasilien. Von der Stadtmitte sind es ungefähr 24 Km, bis zur anderen Seite der Guanabara-Bucht, siehe die Route auf Googlemaps.

     Die „Insel“ ist heute keine Insel mehr, der schmale Meeresstreifen wurde mittlerweile aufgeschüttet und mit dem Festland verbunden. Im Jahr 1917, aufgrund des Ersten Weltkriegs, übergab man die Insel dem Marineministerium.

   Man braucht sich nicht vorher anzumelden, außer im Falle größerer Gruppen. Der Eintritt ist frei von Dienstag bis Sonntag von 9.00 bis 17.00 Uhr. Uns wurde ein Soldat zugeteilt, der uns durch die Kaserne führte und viele Erklärungen gab.

      Ich fragte mal meine Mutter, warum dieser Name? Gab es dort viele Blumen?  „Ich hab keine gesehen“, antwortete sie.  Unser Führer berichtete, dass dieser Name auf eine frühere Besitzerin der Insel zurückgeht, deren Name Delfina Felicidade do Nascimento Flores war, darum „Ilha da Dona Flores“ und später „Ilha das Flores“.

   Diese Herberge für Einwanderer  entstand 1883. Als 1888 die Sklaverei abgeschafft wurde, entschloss man sich neue Arbeitskräfte anzuwerben. Aber man hatte ein weiteres Ziel: Die leitenden Politiker meinten, dass Brasilien „zu schwarz“ sei und versuchten durch europäische Einwanderer die „Aufhellung“ der Hautfarbe der Brasilianer herbeizuführen, Brasilianer sollten weißer werden. Der Soldat, der uns durch die Kaserne führte, er selbst mit dunkler Hautfarbe, sagte dieses aber ohne jegliche Kritik. Er übermittelte einfach Fakten. Brasilien hat nach Nigeria heute noch die zweitgrößte schwarze Bevölkerung der Welt.

    Die Herberge war bis 1966 in Betrieb. Sie bestand aus einem Pavillon, in dem Einwanderer blieben, bis sie in anderen Teilen von Rio oder anderen Provinzen eine Stelle finden konnten, und wurde später zu einer komplexeren Struktur, ausgestattet mit Unterkunft, Verwaltung, Krankenhaus, Apotheke, Cafeteria, Schule, Wäscherei und Erholungsgebiet.

     Nach dem Aussteigen wurden die Passagiere in den verschiedenen bestehenden Unterkünften untergebracht, wo sie medizinisch versorgt wurden, ihre Mahlzeiten einnahmen, duschten, übernachteten und dort einige Tage blieben, bis sie ihre neue Arbeit und ihr neues Leben beginnen konnten.

    Und nicht alle durften weiterreisen. Mein Schwager Manfred Unruh erzählte, dass seine Mutter als lediges Mädchen mit noch einer Schwester nach Brasilien gekommen war, dass aber auf der Blumeninsel bei dieser Schwester ein Augenleiden festgestellt wurde und sie zurück nach Deutschland musste. Und seine Mutter hat nie wieder etwas von ihrer Schwester gehört.

    Nach dem Gesetz war die Aufenthaltsdauer auf der Insel auf acht Tage beschränkt.

    Meine Mutter erzählte über ein für sie unvergessliches Erlebnis: sie bekamen dort zum ersten Mal in ihrem Leben Reis mit schwarzen Bohnen. In einer langen Schlange, Teller und Löffel in der Hand kamen sie an ein Zelt heran, "wo wir zum ersten Mal einen schwarzen Mann sahen, den Koch, der das Essen einschenkte. Es war sehr heiß, er schwitzte sehr und seine Schweißtropfen vermischten sich mit der schwarzen Bohnensuppe." "Und habt ihr es gegessen?" "Was sollten wir machen? Wir hatten Hunger, und anderes Essen gab es nicht. Wir sind nicht daran gestorben. Aber das Erlebnis blieb unvergessen, der schwarze Mann, die schwarze Bohnensuppe und als Zutat die Schweißtropfen darauf ."

Ein alter Bericht über das Gemeindeleben in der Kriegszeit  

     In den vergangenen Monaten hat Irmgard, meine Frau, 3200 Seiten von Protokollen, Briefen und losen Blättern digitalisiert. Darunter fanden wir auch ein Heft, vielleicht aus den sechziger Jahren, vielleicht auch später, in dem jemand aus der Cruz Verde (uns fiel dabei der Name von Pred. Willy Janz ein) eine Zusammenfassung aus der Geschichte der MBG-Boq gemacht hat. 

    In den Jahren 1942-1944 wurden keine Protokolle geschrieben. Wie erhielt sich damals das Gemeindeleben? Gab es Gottesdienste? Gab es Vorstandssitzungen oder Gemeindestunden?

     In dem oben genannten Heft, das zusammengefasst Inhalte vergangener Protokolle wiedergibt, fanden wir folgenden Text: 

   "1945. Wir werden gewahr, dass eine große Lücke entstanden ist. - Der Krieg und seine Folgen griffen auch in die gottesdienstlichen Veranstaltungen ein. Es wurde verlangt, dass man die portugiesische Sprache gebrauchen solle. Wohl waren es die meisten, die keine Kenntnisse auf diesem Gebiet hatten. Andere wiederum waren krass dagegen und damit lehnten sie diese Anordnungen ab. - Daher, man versuchte erst einmal den Behörden klar zu machen, dass unsere plattdeutsche Sprache weniger mit dem Deutschen zu tun hatte und mit der holländischen Sprache etwas Ähnlichkeit hatte.  Dieses wurde geprüft und man fand, dass das an dem war und die Behörden ließen es zu. So predigte man, es wurde auch gesungen, aber jedes andere Lied musste übersetzt werden. Und das gab viel Arbeit, um zu jeder Predigt ein neues Lied zu übersetzen. Jedoch Trauungen verlangte man, dass sie in der Landessprache ausgeübt wurden. - Zu diesem Akt waren etliche Brüder, die sich darin übten, und es ging. - Doch man fand es fremd!

    Am 2. September 1945 sprachen sich elf Personen im persönlichen Zeugnis vor der Gemeinde aus, um in die M.B.-Gemeinde aufgenommen zu werden. (Dieses waren schon getaufte Personen).

    Dann innerhalb zwei weiteren Monaten wurden noch zehn anderweitig getaufte Gemeindeglieder durch persönliches Bekenntnis in die M.B.-Gemeinde zu Boqueirão hinzugetan.

    Wie schon oben erwähnt, es gibt keine Angaben darüber, wer dieses Papier verfasst hat und wann. 

      Es fällt aber auf und weckt in mir Bewunderung für die damaligen Leiter und Prediger, dass sie für wohl jeden Gottesdienst auch neue Lieder aus dem Deutschen ins Plattdeutsche übersetzen mussten. In Liedern reimt sich das letzte Wort eines Verses ja oft mit dem letzten Wort des nächsten Verses. Hat man darauf geachtet? Das wäre doch durchaus hochinteressant, wenn man diese Vorlagen aufbewahrt hätte. 

      Und wie verlief dann der Gemeindegesang? Man hatte damals keine Möglichkeit diese Übersetzungen zu vervielfältigen. Nun, das war nicht so schwierig, vor der Versammlung stand der Vor-sager, der immer die nächste Zeile, nun auf Plattdeutsch, vorsagte und die Versammlung diesen Teil nachsang.

     Die Trauungen mussten aber auf Portugiesisch verlaufen. Was haben diese Getrauten von ihrer Feier mitgenommen, bei der sie vielleicht nur das von ihnen gesprochene "sim" verstanden haben? Gibt es jemanden, der in dieser Zeit getraut wurde und darüber berichten könnte?

     Als dann der Krieg vorbei war, ich nehme an, dass man nun wieder die deutsche Sprache gebrauchen konnte, gab es Tauffeste und Aufnahmen. Wir haben nun kürzlich die Covidpandemie durchgemacht und es scheint so, dass manche Gläubige sich in dieser Zeit dem Gemeindeleben entfremdet haben. Welchen Schaden hatte der Verbot der deutschen Sprache auf das damalige Gemeindeleben?

Brief einer mennonitischen Sünderin

     Wie war früher die Beziehung der Glieder zur Gemeinde und zum Gemeindeleiter? Heute ist sie anderer Art. Ist es heute besser oder schlechter als früher? Was hat sich verändert?

     Ich fand einen an den Gemeindeleiter Peter Hamm gerichteten Brief, der einige Einblicke erlaubt. Es ist der Brief eines Gemeindegliedes, einer Frau, die einen schwerwiegenden Fehler begangen hat, der zu ihrem Auschluss führte. Im Brief erkennt sie ihre Schuld, bittet um Verzeihung und Wiederaufnahme.

    Ich gebe ihn unten wieder, habe aber Namen und Ort ausgelassen. Ich habe auch keine Korrekturen unternommen und ihn so wiedergegeben, wie ich ihn entschlüsseln konnte:

                                   (Ortsangabe), 22.2.1952

"Liber Bruder Hamm!

                Habe gestern ganz unerwartet Ihren für mich sehr schmerzvollen Brief erhalten. Und ich muste erfahren, das ich doch, trotz all meiner Reue und Busse und Beckenntnis, aus der Gemeindschaft ausgeschlossen wurde.

    Was das für mich bedeutet, kann ich garnicht wiedergeben. Wenn Herr (...) mich nicht immer wieder auf das Wort gewiesen und mich mit allen treffenden Sprüchen getröstet hätte, wäre ich an Gott und Menschen verzagt. Aber als er den einen Spruch erwähnte: „Kommet her zu mir alle, die Ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken! Habe ich wieder Glauben gefast, und darauf habe ich Kraft und Beistand von Gott erfleht, mir auch jetzt bei dieser Sache zu helfen. Ich bitte jetzt herzlich mir zu vergeben, für all die Arbeit, Mühe, Schmach und Schande die ich Ihnen und der Gemeinde gemacht habe!

    So wie ich es Ihm gesagt habe, wieder zu geben. Denn es beruht alles genauf auf Wahrheit.

     Mit der innigsten Bitte wieder in die Gemeinde auf genommen zu werden.

    Bin ich Ihre gereuige Schwester

   (Unterschrift)

     

   Wer schreibt diesen Brief? Es ist eine Frau. Es erweckt den Anschein, dass sie nicht verheiratet ist, sonst hätte sie den Ehepartner oder Ehestand erwähnt. Sie spricht auch nicht von Familie oder Eltern. Man bekommt den Eindruck, es handelt sich um eine unverheiratete junge Frau. 

    Welches ist ihr Vergehen? Könnte der Ausdruck "Schmach und Schande" ein Hinweis auf ein Fehlverhalten auf sexueller Ebene sein? Vielleicht eine uneheliche Schwangerschaft? 
     Sie berichtet, dass sie "trotz all meiner Reue und Busse und Beckenntnis, aus der Gemeindschaft ausgeschlossen wurde."

     Wir schlussfolgern, dass sie ihre Sünde bereut, die Sünde bekannt und Busse getan hat, aber trotzdem ausgeschlossen wurde.

    Und dieser Ausschluss erschüttert sie. Sie gerät in tiefe Verzweiflung. Wenn nicht ein Glaubensbruder sie mit biblischen Worten ermuntert und aufgerichtet hätte, "wäre ich an Gott und Menschen verzagt."

   Nach einigen heute unverständlichen Sätzen schliesst sie den Brief mit der "innigsten Bitte wieder in die Gemeinde auf genommen zu werden". Sie unterschreibt als "Ihre gereuige Schwester."

   Was fällt uns Lesern des 21. Jahrhunderts bei der Lektüre auf?

    Die immense Autorität der Gemeinde und die heute absolut befremdende Selbsterniedrigung der Schreiberin des Briefes. Es stellt sich heraus, dass die mennonitische Gemeinschaft ihr Ein und Alles ist, und ausserhalb der Gemeinschaft gibt es für sie überhaupt kein Leben, ausgeschlossen aus der Gemeinschaft fehlt ihr auch jegliche Luft zum Atmen.

   Beides klingt heutzutage unmöglich: die Gemeinde hat heute nicht mehr diese erstaunliche Macht über das Leben ihrer Glieder und es scheint mir heute absolut unmöglich, dass ein von der Sünde ereiltes Glied eine so ergriffenes Bekenntnis öffentlich vor der Gemeinde bekennen könnte.

    Sehe ich es richtig? Und falls meine Feststellung stimmen sollte, ist diese Veränderung gut? Ist es eine positive Entwicklung, dass die Autorität der Gemeinde so sehr geschmälert wurde und dass sich wohl kein Glied mehr bei einer Verfehlung so tief vor der Gemeinde selbst demütigen würde?

   Ich empfinde die damalige Autorität der Gemeinde und des Gemeindeleiters als erstickend und übermässig hoch, besonders im Anblick dass auch die Leiter oft grosse Schwächen aufgewiesen haben. Andererseits kann man es meiner Meinung nach nicht als absolut gut ansehen, dass die Gläubigen sich wenig um Gemeindezucht scheren und man kaum noch Reue und Busse erlebt, wenigstens nicht öffentlich wie ich es noch in meinen Jugendjahren auf Gemeindestunden gesehen habe. Aber das kann ich bezeugen: es gibt sie, Bekenntnis, Reue und Busse, aber im seelsorgerlichen Gespräch, und das ist gut.

Der anonyme Zettel eines verzagten Mennoniten
 

    "Anonyme Briefe landen ungelesen in den Müllkorb", wurde mir mal gesagt. Unter den gefundenen Unterlagen stieß ich auf eine kurze Klage eines Verzweifelten Mennoniten. Wer hat sie geschrieben und warum wurde sie aufbewahrt? Trifft die Anklage zu, teilweise wenigstens? Wiederspiegelt sie Zustände früherer Zeiten in mennonitischen Kolonien? Könnte daran etwas wahr sein? Hier werden Missstände in der mennonitischen Gesellschaft angeklagt, wo jemand aus der "unteren" Klasse sich darüber erbost, dass jene der "oberen" Klasse vorteilhafter behandelt werden. Von wem?

    Handgeschrieben ist folgendes zu lesen:

    "Wenn ein großer, begüterter Mann etwas Ungebührliches begeht, so kann man bei einer Tasse Kaffee, oder beziehungsweise bei einer "Tortenkonferenz" die großen und kleinen Falten flink ausbügeln, - und er darf dann wieder frei und keck in der Öffentlichkeit auftreten. --- Aber wenn einem armen Schlucker, der keinen Hund aus dem Ofen locken kann, erst Vorurteile angehängt werden, - und die "brüderliche Bosheit", ihn mit Flecken eingraviert --- die wird er für Zeit und Ewigkeit nie wieder los."

   Kurz, bissig, anonym. Der Gemeindeleiter bekam den Zettel und bewahrte ihn auf. Warum? Scheinbar konnte er den Vorwurf nicht bedenkenlos fallen lassen.

   Hast du, lieber Leser, schon mal jemanden gekannt, der so etwas geschrieben haben könnte? Er beschreibt sich als jemanden, der "ganz unten" in der mennonitischen Gesellschaft steht, der sich "dort" festgenagelt fühlt und keine Hoffnung hat, jemals "hochzukommen". 

    Aber er hat den Mut, die Vorteile des "begüterten" Mennoniten zu beschreiben. Er weiß von dessen Fehlern und Sünden und meint auch zu wissen, wie dieser immer leicht davon loskommt, nämlich "bei einer Tasse Kaffee" oder bei einer "Tortenkonferenz". Mit wem?

    Wer sind diese Mennoniten der höheren Klasse? Oder vielleicht, wer waren sie? Es sind Gemeindeglieder; sie stehen sich finanziell gut, sitzen vielleicht sogar im Vorstand oder haben hoch angesehene Ämter wie Prediger oder Diakon. Und wer ist/war der oberste Richter dieser Gesellschaft? Wahrscheinlich der Gemeindeleiter, dem ja dieser verzagte Mennonit seinen Hilferuf zuschickt. Manchmal, selbstverständlich kann der Mächtige auch ein Mann im Hintergrund gewesen sein, der seinen Stellvertreter an die Leitung gestellt hatte.

    Ist dieser Zettel nur das Schreiben eines Spinners, aus dessen schiefen Weltansicht diese Worte stammen? Oder könnte etwas Wahres dahinterstecken? Dass wir, so sehr wir auch bemüht waren, eine biblische Gesellschaft aufzubauen, dass immer wieder Glaubensbrüder sozial abgedriftet sind und sich benachteiligt gefühlt haben? Ich selbst komme von "unten" und mir scheint diese Sicht aus meiner Kindheit irgendwie bekannt zu sein.

    Und warum ist es heutzutage undenkbar, dass jemand so einen Zettel dem Gemeindeleiter schreibt? Wir sind keine geschlossene Gesellschaft mehr. Wem in der Gemeinde nicht recht geschieht, der geht einfach zur nächsten oder sonstwohin, weit weg von "diesen Mennoniten". Der Gemeindeleiter oder der Prediger hat heute längst nicht mehr das hohe Ansehen von früher und auch nicht die Macht; man erwartet heute viel weniger von ihm.

    Jedenfalls, diese Zeilen haben mich angeregt, ein aufmerksameres Auge zu haben für solche, die sich am unteren Rande der Gesellschaft fühlen und noch zur Gemeinde kommen.

     Sehe ich es richtig?

 

Die Gründung des Heims in São Paulo

     Am 28. Juni 1948 sandte John E. Kaufman einen Fragebogen an Pred. Peter Hamm. Es ging um die Gründung des Mennocentrums in São Paulo.

     Zum Brief gibt es ein Begleitschreiben und einen Fragebogen. Im Begleittext erklärt Kaufman, dass diese Arbeit in S.P vom MCC gestartet wurde, erklärt die Natur der Arbeit, usw. Merkwürdig, er hält es für notwendig zu sagen, dass der Zweck der Arbeit "aufbauender und nicht zerstörender Natur sei." Warum diesen Satz? Schauten die Mennoniten Brasiliens mit Misstrauen auf das MCC, oder vielleicht auf die Initiative des MCCs in S. P.?

    Anschließend stellt er fest: "Die Mennoniten in den Städten sind schwerer zu erfassen und zu organisieren, als auf dem Lande."

    Dann erklärt er, dass man mit dem Fragebogen "die persönliche Einstellung" der Befragten wissen möchte, um "die Gründung des Mennocentrums in S. P. vorwärtstreiben zu können."

Einige der gestellten Fragen:

"1. Bist du der Ansicht, dass das Mennonitentum existenzberechtigt ist?"  Warum stellt man so eine Frage? Gab es denn jemanden unter den brasilianischen Mennoniten, der die "Existenzberechtigung" der Mennoniten bezweifelte? Kaum. Da hat Kaufman wohl seine eigenen nordamerikanischen Zweifel zur Schau gestellt.

"2. Wirkt der Krieg im Völkerleben aufbauend oder zerstörend?" Was soll diese Frage? Wer unter den in São Paulo arbeitenden jungen Mädchen würde den Krieg als etwas Positives einschätzen? War es so, dass dieser Mann eben in S.P eingetroffen, nicht so richtig wusste, was er fragen könnte?

"4. Betrachtest du dich als Mennonit?" - Wahrscheinlich gab es schon solche, die auf Abstand zu den Mennoniten gegangen waren. Ich erinnere mich an den ersten Gruppenführer der Mennoniten, Heinrich Martins, der sich scheinbar bald von den Mennoniten abwandte, denn man hört nie wieder etwas über ihn.

"6. Bist du für ein gemeinsames Zusammenarbeiten der verschiedenen Richtungen der Mennoniten in São Paulo?" Diese Frage versucht wohl festzustellen, ob die dort dienenden Mennonitenmädchen zwei verschiedene Betreuungen notwendig haben würden, eine für die Brüdergemeinde und eine für die Mennonitengemeinde. Wie wir wissen, war die Gruppe aus der Brüdergemeinde die größere und somit gab es dann nur eine Arbeit.

10. Die zehnte Frage versucht feststellen, auf welchen Gebieten dieses Zentrum arbeiten soll, ob nur geistlich oder auch auf sozialer Ebene wie:

d) Räumlichkeiten für Unterhaltung und Geselligkeit in erster Linie für die Jugend

e) Mädchenheim und Stellenvermittlung

f) Fremdendurchgangsheim (Damit meinte man wohl eine Art von Hotel für Mennoniten aus den Kolonien in der Großstadt São Paulo)

   Trotz einiger ungeschickten Fragen des Leiters scheint dann das Ziel erreicht worden sein: tatsächlich ist vielen jungen Mädchen ganz entschieden geholfen worden. Manche nahmen das Angebot nur flüchtig wahr. Andere kamen aber regelmäßig zum Heim, um dort ein wenig mennonitische Heimat zu erleben.

   Meine Schwester Inge (Regina Unruh) war nur 13 Jahre alt, als sie nach São Paulo ging, um als Kindermädchen zu dienen und dadurch ihren armen Eltern zu helfen.

   Sie hat sehr liebevolle Erinnerungen aus der Zeit. Die Mädchen bekamen an ihren Arbeitsstellen einmal im Monat am Sonntag frei, da gab es Gottesdienst mit Abendmahl. Sie hatten auch jeden Donnerstag frei. An dem Tag kamen sie zum Heim, manche schon am Vormittag, assen dann zu Mittag, das wurde vorbereitet von Käthi August, Paraguay, Irmgards Tante. Am Nachmittag gab es dann Bibelstunde.

   An diesem Tag konnten die Mädchen auch ihre Post abgeben, die dann von Prediger Abram Dück, Kanada, zur Post gebracht wurde. Als er sah, dass meine dreizehnjährige Schwester wöchentlich einen Brief an ihren Freund (Manfred Unruh) schrieb, nahm er sie zur Seite und fragte, ob ihre Eltern von diesem Verhältnis Bescheid wüssten. Sie bejahte es. Und diese Liebe währt heute noch. Sie feierten kürzlich ihre Diamantenhochzeit.

   Es war auch ein Mädchen, das sehr geschminkt zum Heim kam. Frau Dück nahm sie zur Seite, ging mit ihr ins Badezimmer, wusch ihr all die Schminke ab und herzte sie mit den Worten: "So, jetzt bist du auch mein Kind!"

    Es war also eine ganzheitliche Betreuung, die wohl manches Mädchen davor gerettet hat, in den Abgrund der Versuchungen zu stürzen. Aber ich weiss, dass einige nicht bewahrt blieben und manches Leid auf sich geladen haben.

   Es soll Zeiten gegeben haben, als mehr als 50 mennonitische Mädchen in São Paulo dienten, die Mehrheit aus Curitiba, aber einige auch aus Witmarsum und Colônia Nova.

Stimmt es, dass brasilianische Mennoniten ein geringes Selbstwertgefühl haben?

    Welches Gefühl hast du in bezug auf deine Person? Neigst du dazu, Schuld auf dich zu nehmen, selbst wenn es die Verfehlung anderer ist? Hast du manchmal das Empfinden, dass die „ganze“ Welt gegen dich ist? Brauchst du ständig die Bestätigung anderer? Bist du extrem kritisch anderen gegenüber und siehst dein eigenes Tun als fehlerhaft und minderwertig? Machst du deine eigenen Errungenschaften klein und kannst nur schwer Lobworte entgegenehmen? Stellst du dir keine hohen Ziele, da du dich für zu unfähig hältst? Dann könnte es sein, dass ein geringes Selbstwertgefühl in deinem Leben bestimmend ist.

    In der Bibel finden wir Helden mit einem erstaunlich guten Selbstwertgefühl wie Josef von Ägypten, aber auch solche mit einem sehr geringen wie sein Vater Jakob.

    Das Gefühl über die eigene Person entsteht zum größten Teil in der Kindheit: das älteste Kind hat meistens ein größeres Vertrauen in seine Person als das jüngste; ein Kind, das sich seines Vaters schämt, entwickelt meistens ein geringes Selbstwertgefühl; wer im Kindesalter Missbrauch erlebt hat, verfällt meistens in ein Gefühl der persönlichen Geringschätzung. Aber, und das mag einige erstaunen, es entwickeln ebenso wenig Vertrauen in die eigene Person solche, die in der Kindheit keine Herausforderung erlebt haben, weil die Eltern oder ältere Geschwister alles für sie gemacht haben.

    Eines der besten Werkzeuge um ein gesundes Gefühl von seiner eigenen Person zu entwickeln, ist die Möglichkeit schon in jüngster Kindheit, Leistungen erbringen zu können und die berechtigte Bewunderung der Erwachsenen zu erleben. Die Regel für die Erziehung starker Kinder heißt: Tu nichts, was das Kind nicht auch selber tun könnte! Mach deinem Kind das Leben nicht zu leicht! Es muss von jung auf lernen zu kämpfen, sich eigene Ziele zu erarbeiten, auf sich selber blicken und sagen: "Ich kann!"  Vertrau dem Kind dem Alter angemessene Aufgaben an und lass das Kind Leistungen erbringen, nicht nur in der Schule, sondern auch in den alltäglichen Tätigkeiten.

    Wir haben dieses mit unseren eigenen Kindern getan und auch dadurch haben sie ein gesundes Selbstwertgefühl entwickelt.

    Wer zu seiner eigenen Person nicht "ja" sagt, wird auch nur schwerlich von anderen bestätigt werden. Wer sich selbst misstraut, erntet meistens auch das Misstrauen anderer.

    Der Erzvater Jakob wurde an die Schürze seiner Mutter gebunden und die Bibel berichtet, wie er ihr hörig war, sogar das zu tun, was er lieber nicht getan hätte (seinen Vater zu betrügen). Er entwickelte keine eigene Meinung und auch nicht die Verantwortung für sein Tun. Als Folge war er leblangs ein unsicherer Mensch, der vor den Herausforderungen des Lebens floh. Als ihm bei seiner Rückkehr nach Kanaan sein Bruder entgegenkam, fürchtete er sich sehr und schickte all sein Vieh, seine Frauen und Kinder voraus, dass diese von einem eventuell wütenden Bruder zuerst zerstört werden sollten. Hätte er ein gesundes Selbstwertgefühl, wäre er all den Seinen mutig voran geschritten, um sie vor dem Bruder zu schützen.

    Als seine Tochter Dinah missbraucht wurde, suchte der Vater des Jünglings ihn auf, um die Sache zu klären, aber Jakob floh vor der Begegnung. Als dann Dinahs Brüder kamen und die Sache nach ihrer Art „klärten“, rügte er sie im Nachhinein, ohne darauf bezug zu nehmen, dass es ja seine eigene Schuld war, dass diese Frage nicht gelöst worden war.

    Wer ein geringes Selbstwertgefühl hat, dem fehlt oft der Mut, das notwendige zur rechten Zeit zu tun. Er flieht vor dringenden Entscheidungen, versucht die Verantwortung anderen zuzuschieben.

    Ganz anders sein Sohn Josef, der sich plötzlich als Sklave sah, aber an sich selbst glaubte und in Kürze die Oberaufsicht von Potifars Hof hatte. Als dessen Frau ihn verführen will, hat er Mut, sich ihr zu widersetzen und die Folgen auf sich zu nehmen. Als er später seine Brüder zu seinen Füßen sieht, rächt er sich nicht an ihnen. Wer ein gutes Selbstwertgefühl hat, schafft es besser, ausgeglichen zu bleiben und das beste im richtigen Augenblick zu tun.

    Und die Mennoniten? Könnte es sein, dass sie ein geringes Selbstwertgefühl haben? Dass sie sich wenig zutrauen und keine großen Wagnisse eingehen? Die paraguayischen Mennoniten stellen im Augenblick sogar einen eigenen Präsidentschaftskandidaten, Arnoldo Wiens, zu den kommenden Wahlen auf.

    Wenn dem so ist, könnte es sein, dass es die Folge davon ist, dass wir brasilianische Mennoniten uns für ein kleines, unbedeutendes Völkchen im großen Brasilien halten? Dass unsere Väter sich wegen ihres Glaubens und ihrer ethnischen Herkunft unter der katholisch romanischen Mehrheit eingeschüchtert fühlten?

    Als Adam gesündigt hatte, floh er und versteckte sich, ein Zeichen seines nun minderwertigen Gefühls. Kein Mensch ist seitdem davon frei und mehr oder weniger betrifft es uns alle. Die Kindheit ist die Wiege, in der der Mensch nun Stärken und Schwächen entwickelt. Man kann sich aber seiner Unzulänglichkeiten gewahr werden und im Glauben dagegen ankämpfen. "Aber in dem allen überwinden wir weit durch den, der uns geliebt hat." (Rm.8.37)

Wie wählen die Mennoniten?    

   

   Spätestens 1964 begannen die brasilianischen Mennoniten in der nationalen Politik Stellung zu nehmen. Auch sie empfanden es so wie die militärischen Kräfte, dass Brasilien vom Kommunismus bedroht war und stellten sich auf die Seite der Militärregierungen und stimmten für Abgeordnete, die der Regierungspartei ARENA, im Falle Curitibas, die Brüder Losso.
    Bisher waren viele, vielleicht die meisten Mennoniten staatenlos, über 30 Jahre lang. Nun erlangten sie wieder einen Pass und die brasilianische Staatsangehörigkeit. Damals, noch in meinen Jugendjahren, sah ich dieser blinden Treue zu den Militärregierungen als etwas, das angezweifelt werden musste. Ich war schon hier geboren, fühlte mich – zum grossen Erstaunen meiner Mutter - als Brasilianer, sah als Student an der Universität die Verfolgung seitens der Geheimpolizei von jedem, der es wagte eine andere Meinung zu haben. Dieses habe ich nicht vom Hörensagen, sondern einige meiner Kollegen wurden in Nacht und Nebel, ohne richterliche Erlaubnis aus ihren Betten geholt und zum DOI CODI geschleppt und fürchterlich gefoltert. Mit Kollegen habe ich sie im Gefängnis besucht und ihren Zustand gesehen. Ich wurde selbst von einem Komitee an der Universität verhört und verdächtigt einer kommunistischen Zelle anzugehören, was absolut lächerlich war. Daher kann ich mich auf keinen Fall automatisch als ein Anhänger von Militärregierungen sehen.
   Nun bin ich ein alter Mann und habe es erlebt, wie denn eine “Demokratie” in Brasilien funktioniert, wie es Politiker machen, um an die Macht zu kommen und wie sie die Macht missbrauchen, um persönliche Vorteile für sich und ihre engsten Mitarbeiter zu besorgen. 
   Zur Zeit haben wir die Wahl zwischen einem typisch “brasilianischen” Politiker und seinem Opponenten. Er versteht sich in die Herzen von einem grossen Teil der Bevölkerung einzuschleichen, ihnen gerade die Versprechungen zu geben, die sie erwarten, ohne nachher im Geringsten sich darum zu kümmern, das Land auf eine gute Fahrt zu bringen. Wer auf meiner Internetseite schon länger die geposteten Nachrichten liest, weiss wie korrupt und unehrlich dieser Mann ist. 20 seiner früheren Minister und Mitarbeiter wurden von gerichtlicher Anklage überführt und im Gefängnis eingesperrt. So gesehen war er also damals als Präsident ein Bandenführer. Und er kam ja darum auch selbst ins Gefängnis. Aber seine hochgestellten Freunde, besonders die im Höchsten Gericht, fanden einen Trick, um alle Verurteilungen rückgängig zu machen und ihn auf diesen krummen Weg wieder zum Kandidaten zu machen.
   Auf der anderen Seite haben wir einen Präsidenten, der seine berufliche Laufbahn in der Kaserne beging, dann in die Politik umstieg, dort jahrzehntelang eine Randfigur war, sich aber in dieser langen Zeit als Abgeordneter nie bestechen liess, was in Brasilien als grosse Ausnahme angesehen werden muss, bis er es wagte, sich zum Kandidaten aufstellen zu lassen. Er wurde 2018 von allen ausgelacht, hatte keinen parteilichen Apparat hinter sich, kein Geld, stellte sich aber auf als einer, der gegen diese alte faule “brasilientypische” Politik ist. Und obwohl alle Umfragen (die meisten von linksgerichteten Kräften geleitet) ihn als Verlierer hinstellten, ging er dann doch als Sieger hervor.
   Er musste dann unerwartet gegen ganz grosse Hindernisse ankämpfen. Wenn die Pandemie sich auch weltweit erstreckte, wird kaum ein Oberhaupt in anderen Ländern so grosse Anschuldigungen und Verfolgungen seitens der grössten Zeitungen, Radios und Fernsehsendern samt Grossteil der Politiker und des Höchstens Gerichts erlebt haben wie Bolsonaro. Da kann ich nur erstaunen wie wiederstandsfähig dieser Mann ist, welch unglaubliche Willenskraft er aufweist, gegen diese alte Politik anzukämpfen. Hat er nicht auch Fehler? Und ob! Kaum einer von uns Gläubigen wird sich daran ergötzen, wenn Fluchworte aus seinem Mund kommen. Er selber steht dazu: “Ich fluche, aber ich stehle nicht”.  Der andere Kandidat flucht wohl weniger, dafür aber im Gegensatz …
   Die meisten Mennoniten werden wohl kaum Zweifel haben, welchem Kandidaten sie ihre Stimme geben. Ich habe einige abweichende Meinungen gehört. Mein Freund Pr. Valdemar Kröker neigt dazu, wie er auf seiner Facebookseite bekannte, Simone Tebet zu wählen. Von einigen wenigen weiss ich, dass sie Feuer und Flamme für den Oppositionskandidaten sind. Ich kenne nur wenige von ihnen, aber merkwürdigerweise sind es solche, die auch im Zwist mit ihrer Familie oder mit der mennonitischen Gemeinschaft stehen, also in Opposition zum Vater oder zur überväterlichen Figur (Pastor oder Gemeinschaft).
   Die Bibel lehrt uns für das Wohlergehen unserer Stadt zu beten und zu handeln, was nicht heisst, dass wir meinungslos sein sollen oder auf eine Stellungnahme verzichten müssten. Gott helfe dir bei deiner Entscheidung!

   Ebenso wichtig ist die Wahl von Abgeordneten. In Paraná wählten wir 2018 Kandidaten von der Partei PODEMOS als Senatoren. Klar, wir wollten nicht Requião oder Beto Richa. Mit Recht. Aber diese Abgeordneten vom PODEMOS haben sich in vielen wichtigen Fragen gegen den Präsidenten gestellt und sind mit PT gegen Bolsonaro gegangen. Es ist nun so, dass dieses Mal in Paraná sogar PT die Wiederwahl von Álvaro Dias (PODEMOS) favorisiert, damit Sergio Moro oder Paulo Martins (222), der Kandidat des Präsidenten, nicht gewählt werden.

   Gute Wahl!

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M.B.G.BOQUEIRÃO

(Igreja da Cruz Verde)

 

 

 

Erste Missionsversuche der MBG Boqueirão  

     Wir können es uns heute wohl kaum vorstellen, wie schwer es für unsere Väter war, dem Missionsbefehl der Bibel in der neuen Heimat Brasilien zu folgen. 

      Die Gemeinde war kaum 10 Jahre alt in Curitiba, als man den ersten Versuch startete. Pr. Jacob Dück erzählt, dass im Jahre 1944 "Geschwister Jacob Unruh zurück in ihre Heimat, in die USA" gegangen seien und bei mennonitischen Behörden ihr Anliegen vorlegten, in Brasilien für verwaiste Kinder ein christliches Heim zu gründen. Im Juni 1946 kehrten sie zurück nach Curitiba, um dieses Projekt zu realisieren.

    Prediger Jacob Dück erzählt: "Dieses wäre dann eine Gelegenheit, gemeinsam der Landesbevölkerung das Evangelium zu bringen. Es wurde in Uberaba, außerhalb von Curitiba, ein Bauernhof mit 20 Hektar Land für 16 tausend Dollar gekauft. Haus und Ställe mussten repariert werden. Wohnhaus und das eigentliche Heim wurden in Angriff genommen. Am 17. 12. 1947 wurde das Kinderheim eingeweiht und angefangen, denn 9 Kinder waren schon da."

     "Das Verwaltungskomitee bestand aus folgenden Brüdern: Ältester Jacob Hübert, Pred. Peter Hamm und andere so wie auch Geschw. Unruh. Am Auf- und Ausbau des Heimes haben viele der Geschwister von der M.B.Boqueirão beigetragen."

    Als weitere Arbeiter des Heimes in den folgenden Jahren nennt er Franz und Susie Heinrichs und Geschwister Heinrich Schmidt.

    Br. Dück berichtet auch, dass die Gemeinde "mit anderen Gemeinden zusammen ein wöchentliches Radioprogramm" hatte von 1954-1960. "Verschiedene Brüder dienten hier mit dem Wort. Die Sänger umrahmten die Evangeliumsbotschaft mit passenden Liedern. Andere halfen im Transport." Die Mennoniten kannten damals wohl kaum Schallplatten mit christlichen Liedern auf Portugiesisch; gab es also in den Programmen nur live gesungene Liedern? Der größte Gewinn dabei war sicherlich nicht die Zahl der Bekehrungen, sondern dass unsere Leute es lernten, das Evangelium in einer anderen Kultur zu vermitteln.

      Es wird sicherlich viel Mühe und Wagnis damit verbunden gewesen sein. Sie haben den Anfang der Brücke gemacht, um den Mitbürgern in der neuen Heimat das Evangelium zu übermitteln. Sind wir heute schon ganz in der neuen Kultur angekommen? Haben wir noch immer den gleichen Eifer?

Jubiläumsfeier

50 Jahre Cruz Verde

    Es fing damit an, dass Tobias August Siemens ins Sekretariat der Kirche ging und nach einem Dokument fragte. Die Sekretärin verwies ihn auf die Rumpelkammer, wo er es vielleicht ausfindig machen könnte.

    Dort angekommen sah er sich vor einem Berg von Aktenordnern, Schachteln und Kisten voller lose Papiere und viele Protokollbücher. „Das muss geordnet werden“, meinte er und bat mich um Hilfe. „Tut mir leid, Sohn, aber das schaffe ich nicht allein. Ich werde mit den Gemeindeprotokollen fertig, aber die Dokumente über die finanziellen Aspekte, da bin ich nicht genug zuhause.

    Wir erinnerten uns an den langjährigen Präsidenten der Gemeinde, João Werner Warkentin, der dieses mit Sachkenntnis übernehmen könnte.

    Viele tausend Papiere wurden gesichtet, vieles ging auf den Müllhaufen, tausende Dokumente wurden beiseite gelegt und von Irmgard und Ellen, unseren Ehepartnerinnen, fotografiert, digitalisiert.

    Darauf kam Tobias dann zu einer weiteren Entdeckung: der Bau der Kirche der Cruz Verde geschah vor beinah 50 Jahren. Diese Feststellung geschah im vorigen Jahr. Anschließend kam die Überzeugung: „Dieses Jubiläum müssen wir im Mai 2022 feiern.“ „Sprich mit dem Gemeindeleiter, Pr. Friedbert Kroeger, dein Schwiegervater!“ Das tat er und dieser ging mit dem Vorschlag zum Vorstand. „Selbstverständlich! Worauf warten wir? Tobias, du hattest die Idee, übernimm nun die Ausführung dieser Feier!“ „Aber gern!

    Wie sieht so ein Fest aus? Wie feiert man das Jubiläum eines Kirchbaus? Wir müssen zurück zur Entstehung gehen, Fotos und Berichte von Augenzeugen besorgen, dann auch Raum geben für einige Höhepunkte dieser fünfzigjährigen Geschichte.

    Dazu kommt selbstverständlich der Gesang. „Silvia (Janzen)! Stellst du ein Massenchor auf?! Vielleicht sogar noch mit dem Halleluja?“ „Tobias! Das ist eine gute Idee, aber das mit dem Massenchor... Werden die Leute sich anwerben lassen?“ „Versuch es, Silvia! Du genießt großes Vertrauen in der Gemeinde!

   Silvia rief Interessenten auf, an diesem Vorhaben teilzunehmen. In der ersten Übstunde erschienen 50. Sie ließ noch mehr Mappen fertigstellen, denn es kamen weitere Sänger dazu, also ein Festchor. 

    Die Feier wurde auf 10 Uhr, den 15. Mai festgelegt. Wer redet auf der Feier? Wen beauftragt man mit welchen Zeugnissen und Berichten? Wer trägt Fotos zusammen und ordnet sie, damit sie am Tag projiziert werden können? Kürzlich fand Tobias in einem vergessenen Schrank der Gemeinde Fotoalben mit Hunderten Fotos aus vergangenen Zeiten. „Mama, die musst du noch schnell bis zum 15. bereitstellen! Und an dem Tag musst du unbedingt auch zum Fest kommen!“

    „Und am Samstag, Papa, gibt es ein Theaterstück, das die Geschichte unserer Gemeinde würdigt!“ Diese Bitte kam noch im vorigen Jahr. Ich legte ihm ein Konzept vor, in dem die verschiedenen Entwicklungen unserer Gemeinde und Gemeinschaft mit einbezogen werden würden wie die Gründung vom Freizeitheim Bethel, die Errichtung des Altersheims Bethesda und manches mehr. Aber ein Theaterstück braucht ein handfestes Drama. Und das dramatischste Ereignis dieser Zeit war der Übergang von einer einsprachigen Gemeinde zu einer zweisprachigen. „Und wie willst du dieses veranschaulichen?“ „Nun, durch eine Geschichte, die sich zigmale ereignet hat, nämlich dass sich ein ‚mennonitisches‘ Mädchen in einen ‚Brasilianer‘ verliebt, in einen ‚Schwoata‘ wie einige damals unsere Landesgenossen abfällig nannten. Dieser aber sich als ein ausgezeichneter Gläubiger erweist.“ „Gute Idee. Ich werde sie dem Vorstand vorlegen.

     Voller Zuversicht breitete er dem Vorstand seine Vorstellungen vom Fest aus und auch den Plan, am Samstag vor der Feier dieses Theaterstück vorzuführen. Die Geschwister waren davon nicht ganz überzeugt, dass es schon Zeit ist, dieses Thema vorzuführen, denn „weißt du, Tobias, dieses Thema könnte vielleicht Wunden berühren, die erst kürzlich verheilt sind. Wir würden uns den Text lieber erst mal anschauen, um danach unsere Antwort zu geben.

     Da er niemanden fand, der sich bereitstellte, dieses Projekt auszuführen, ließ er es fallen. Vielleicht besser so.

Wann eigentlich wurde die MBG in Curitiba gegründet?

     Die ersten Mennoniten kamen schon im Jahre 1932 nach Curitiba, Stolzplateauer. Das karge Land, die schwierigen Verhältnisse zwangen sie dazu. Die Krauler hatten es etwas leichter, die letzten verließen ihre neue Heimat erst Anfang der fünfziger Jahre. Meine Eltern und Großeltern waren Stolzplauteauer, ich kenne diese Berichte.

      Manche zogen nach Blumenau, andere nach Ponta Grossa, Pr., aber Curitiba bekam den Vorzug. Hätten sie vom Weizenland im Norden Paranás gewusst, wären vielleicht alle dorthin gezogen. Aber Curitiba schien diesen die beste Überlebenschance zu bieten.

       Zuerst verstreuten sie sich in die Umgebung der Stadt. Unter den aufgefundenen Dokumenten in der Cruz Verde befindet sich auch ein Papier, ohne Unterschrift, wahrscheinlich Anfang der sechziger Jahre verfasst, mit folgender Information: 

"Die Pionierjahre

1. Die Glieder wohnten sehr zerstreut um Curitiba, versammelten sich am Sonntag, einmal in der Woche, sie waren alle mittellos und führten einen harten Kampf ums Dasein. Die Gemeinde hatte am Anfang einen Prediger in Br. Peter Hamm und die beiden Diakone Br. Jakob Wiens und Franz Görtz. Einmal im Monat wurde das Mahl des Herrn unterhalten, das waren besondere Segensstunden für alle, inmitten des harten Kampfes ums Dasein. Die Gemeinde wuchs in den folgenden Jahren durch ständigen Zuzug aus den beiden genannten Siedlungen."

     Jakob Dück, Prediger und Lehrer, war sicherlich auch jener, der sich am meisten für Geschichte in dieser Gemeinde interessiert hat, schrieb 1971 für die mennonitische Weltkonferenz, folgende Mitteilung:

"Am 26. März 1936 wurde die Mennonitische Brüdergemeinde von Boqueirão gegründet. Die Schule wurde am 30.03.1936 eingeweiht, und am folgenden Tag fing Lehrer Heinrich Loewen jr. den Unterricht mit 18 Schülern an. Diese Schule diente beiden Gemeinden zusammen als Andachtsraum. Aus politischen Gründen wurde Ende 1937 unsere mennonitische Volksschule geschlossen und durch eine Staatsschule ersetzt."

     Im Jahre 1973 bat er einen damals schon älteren Bruder "Informationen über die Gründung der Gemeinde" aufzuschreiben. Auf einem losen Blatt fand ich folgenden Text, verfasst von Jakob Kasdorf:

    „Gemeindezusammenschluss bei Curitiba (März-April 1936): „Ältester Jakob Hiebert wurde eingeladen zur Hauseinweihe der neu erbauten Schule in Boqueirão I und zur Gründung der M.B.Gemeinde. Folgende Geschwister waren beim Zusammenschluss zugegen:  Peter Hamm, Franz Görtz, David Töws, usw."         

     Im Text an die Weltkonferenz steht auch: "1936 wurde die M.B.Gemeinde von Boqueirão gegründet. Prediger Peter Hamm wurde als Leiter gewählt. Als im kommenden Jahr Ältester Jakob Huebert vom Krauel nach Curitiba kam, wurde ihm die Leitung der Gemeinde übergeben. Ein Sängerchor wurde 1937 unter der Leitung von Dirigent Franz Huebert gegründet."

     Diese Informationen decken sich aber nicht mit dem Inhalt des älteren namenlosen Dokuments, wo es heißt: "Angaben über die Entstehung der M.B.G. bei Curitiba Boqueirão und deren weiteren Gang."

    (1960-1962 ? Diese Jahresangaben, in anderer Schrift, wurden sicherlich später diesen Aufzeichnungen hinzugefügt, wahrscheinlich als mögliches Datum für die Aufstellung dieses Papiers, das keine Autorangaben hat)

"1. Die M.B.G. bei Curitiba, Boqueirão, entstand aus Abwanderer aus den beiden Mennonitischen Siedlungen Kraul u. Plateau Stolz, Sta Catarina.

2. Die Gemeinde entstand im Monat Juli 1935

3. Die Gründer waren die Brüder: Franz Görtz, Heinrich Thiessen, Jakob Wiens, Peter Rempel, Peter Hamm, Heinrich Hamm, Gerh. Schierling, Kornelius Gortz, Gerhard Görtz, Jakob Görtz, zusammen mit den Schwestern der Brüder 16 Glieder (Müssten es dann nicht 20 sein? Oder waren eine Reihe der Männer unverheiratet?)

5. Die Gründungsprotokolle sind abhanden gekommen. Eine regelrechte Protokollführung datiert vom 10. Oktober 1937."

      Dieses Dokument ohne Angaben des Verfassers ist mehrere Seiten lang, mit objektiven Informationen. Und weil es älter ist, neige ich dazu, diesen Informationen zu glauben. 

     Es wäre dann also so geschehen: Die ersten Mennoniten kamen 1932 in die Umgebung Curitibas. Als Pr. Peter Hamm 1935 von Stolzplateau herzog, er selbst hochbegabt, Prediger und Dirigent, fing er an, die anwesenden Mennoniten zu versammeln, ohne sofort eine Gemeinde zu gründen und darum auch ohne gewählten Gemeindeleiter.

    Das Papier aus Anfang der sechziger Jahre, aber ohne Angabe des Verfassers berichtet weiter:

     "Da nun die kleine Gruppe wuchs, indem immer mehr Siedler aus den Siedlungen nach Curitiba kamen und sich der Gemeinde anschlossen, so fühlte man bald das Bedürfnis nach einem Leiter. Der einzige Prediger, den die Gruppe hatte, musste ebenso wie all die andern seine Milch an jedem Wochentag so auch am Sonntag Morgen zur Stadt fahren und an die Kunden abliefern. Auf Wunsch der Brüder schrieb er dann an Bruder Jakob Hübert, dem Ältesten der Krauler M.B.G. und bat ihn die Leitung der neu gegründeten M.B.G. bei Curitiba zu übernehmen. Weil die M.B.G. am Kraul in Br. Heinrich Eckk einen zweiten Ältesten hatte, so ließ man Bruder J. Hübert los, der dann im Jahre 1936 nach Curitiba kam und die Leitung der Gemeinde übernahm."

     Ich nehme an, dass erst jetzt, als sich auch die Zahl der Teilnehmer vergrößert hatte, die Gemeinde wirklich gegründet wurde und ein Leiter gewählt wurde. Diese ersten Protokolle sind aber leider verloren gegangen.

Das Einweiheprogramm der Cruz Verde vom 28. Mai 1972, 14.30 Uhr

 

   Die Feier begann am Eingang der Kirche. Auf dem Hof spielte ein Posaunenchor, dirigiert von Zahnarzt Hans Klassen. Darauf folgte die Begrüßung der Gäste, Worte vom Bauherrn Peter Hamm jr. und Öffnung der Schleifen.

 Unter Klaviermusik von Lehrer Waldemar Reimer, betraten die Gäste den Raum. Als Festredner dienten Prof. Arquimedes Maranhão und Lehrer Franz Peters.

Es sangen der Gemeindechor und ein Massenchor, der für die Weltkonferenz übte. Manfred H. Unruh gab als Kassierer einen Bericht. Prediger Peter Hamm sr. sprach das Weihegebet auf Deutsch und Pred. Walter Rempel auf Portugiesisch. Abschließend gab es Grußworte von Leitern anderer Gemeinden.

 In einem Bericht, wahrscheinlich für das damalige Blatt der Konferenz, erzählt der damalige Gemeindeleiter, Pr. Jakob Dück:
   "
Der Herr führte es so, dass wir 1965 ein geeignetes Grundstück käuflich erwerben konnten. .... fingen wir 1971 mit dem Kirchbau an.... am 28. Mai 1972 konnten wir die Kirche (30x14m) und das Sonntagsschulgebäude (30x10m) einweihen."

    An diesem Sonntag, morgen, findet die Jubiläumsfeier statt, um 10 Uhr. Die Teilnahme ist auch über Internet möglich.

Jubiläumsfeier

50 Jahre Cruz Verde

    Einige Bemerkungen zur Feier:

    Wir erfuhren, dass das Grundstück von 14.200 qm im Jahre 1965 erworben wurde. Damals kostete es nach heutiger Rechnung ungefähr eine Million Reais. Wollte man es heute kaufen, müsste man 25 Millionen Reais aufbringen. 

    Bruder Manfred Unruh berichtete über seinen Dienst als Kassierer: Bis zur Einweihung des Baus hatte man 160 tausend Cruzeiros eingesammelt. Es fehlten aber weitere 66, beinah 30% der Gesamtkosten, die heute auf 1,5 Mio Reais geschätzt werden. Die Leute hatten aufgehört beizutragen. Da aber die Rechnungen weiter zu ihm kamen, musste er Geld besorgen. Das tat er durch Anleihen in der Bank und bei Privatpersonen. Der damalige Pastor, Jacob Dück, verkaufte ein Grundstück und brachte den Erlös ein.

    Ein großer Gönner war ein 37 jähriger Geschäftsmann, Abram Froese. Er hatte schon den weit größten Beitrag geleistet. Ende Jahr stellte der Kassierer fest, dass er nicht wusste, wie er das fehlende Geld aufbringen sollte. Da kam Bruder Froese zu ihm mit dem Vorschlag: "Besorg bis Ende dieses Monats die fehlenden 44, dann zerreiß ich den Schuldschein von dem, was die Gemeinde mir schuldet."

    Manfred nahm sich Ferien in seiner Arbeitsstelle und zog los. Er machte drei Hausbesuche, wurde dabei freundlich aufgenommen, bekam aber keinen Pfennig. Da fragte er Gott, was mache ich hier falsch. Es leuchtete ihm ein, dass er nicht um die Hilfe des Herrn gebeten hatte, um die Taschen der Geber zu öffnen. Er demütigte sich und flehte den Herrn um seinen Beistand an. Ab dem vierten Besuch fingen die Beiträge an zu rollen, so dass die Gemeinde am Jahresende sogar einen Überschuss erwirtschaftet hatte.

     Ein regionaler Kassierer von damals, Bruder Erwin Siemens, heute Witmarsum, meldete sich auch. Er hatte sogar noch die Unterlagen der Beiträge vor 50 Jahren.

     Ein Höhepunkt des Morgengottesdienstes war der Gemeindegesang, geleitet von Karine Enns Töws, im Video ab Minute 2:14:00  wiederzusehen. Die Kirche war voll besetzt, darum hatte man die Übertragung des Gottesdienstes für einen anderen Raum ermöglicht, wo 200 weitere Teilnehmer mitmachten.

     Nach der Predigt trat der Massenchor auf und sang Das Große Halleluja (ab 2:52:00). Anschließend trat der junge Pastor André Warkentin auf und gab die Antwort auf die vorher gestellte Frage: "Was werdet ihr Jüngere mit diesem Haus in Zukunft machen?" (Ab 2:56).

      Das Nachmittagsprogramm hatte keine feste Ordnung, die Kinder wurden zum Spiel auf dem Hof angeleitet, die Erwachsenen konnten sich am Gespräch in der Kirche über die Geschichte dieser Gemeinde beteiligen. Es kamen eine Reihe von Beiträgen über die Anfänge der Mennoniten in Curitiba. Die ersten Mennoniten waren schon 1932 gekommen, 1935 kam Prediger Peter Hamm, der ab nun die Gläubigen um sich versammelte. Im Jahre 1936 rief man den Ältesten Jakob Hübert vom Kraul und wahrscheinlich wurde erst jetzt die Gemeinde gegründet. Die ersten Protokolle sind aber verloren gegangen, so dass man nicht genau weiß, wann die Gründung war.

    Teilnehmer berichteten, was damals als Sünde angesehen wurde, wie z.B. wenn man am Piptje teilnahm, oder dass Jungen und Mädchen am Strand nicht zusammen baden durften und dass man das Kino als riesengroße Gefahr empfand.

    Es waren auch eine Reihe dunkelhäutiger Gemeindeglieder anwesend, von denen einer aufstand und gelassen darüber erzählte, wie es war, als er eine Mennonitin geheiratet hat. Seine Braut wurde auf dem Kirchhof gefragt, ob die Beziehung zu dem Schwoata noch bestehe und ergänzte: "Ich bete, dass diese Ehe nicht zustande kommt." (Ab 1:27:00)

    Die Teilnahme und Reaktion auf diese Feier war außerordentlich. Viele blieben den ganzen Tag auf dem Gelände und gingen erst am Abend nach Hause. Die Programme stehen im Youtube: Das Vormittagsprogramm ist schon über 1.300 visualisiert worden, die Gespräche am Nachmittag über 600 mal, also viele mal mehr als die Zahl der Anwesenden an der Feier. Im Chat hinterließ Rosane Duek Boehme den Kommentar: Foi "​muito bom ouvir, relatos, história, gostei e recomendo assistir."

    Es gab liebe Besuche von der Brüdergemeinde Witmarsum, von der Brüdergemeinde Xaxim und der Mennonitengemeinde Boqueirão. Tage nach der Feier traf ein Brief von der Brüdergemeinde von Colônia Nova, RS, ein:

    "À Igreja Evangélica Irmãos Menonitas do Boqueirão. 

Ao sermos informados da celebração de gratidão pelos 50 anos, não pudemos resistir em enviar uma saudação. Em 2 Pedro 3.18 lemos “Cresçam, porém, na graça e no conhecimento do nosso Senhor e Salvador Jesus Cristo. A ele seja a glória, agora e para sempre. Amém.”

 O crescimento de muitas pessoas tem sido reconhecido, o que envolve muita dedicação, serviço, sacrifício, mas também muita alegria, vitória e a glorificação de Nosso Senhor Jesus Cristo. Desejamos isto também adiante, do fundo do nosso coração.     Em nome da Igreja Evangélica Irmãos Menonitas da Colônia Nova/RS, Pr Erhard e Ingrid Friesen.

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Buchbesprechungen

Einiges aus dem Buch

"Estranhos no Mundo"

Sobre as peregrinações de meus cinco avós menonitas

Rosvitha Friesen Blume

   

       Mein Großvater mütterlicherseits hieß Tjlina Enns. Aber die Zentimeter, die ihm an Körpergröße fehlten, machte er durch Entschlossenheit wett. Obwohl die englische Krankheit sein Wachstum sabotiert hatte, hatte er zwei sehr große Brüder.

      Peter wurde 1907 in Orenburg an der Wolga geboren. Der Einfluss der sozialistischen Lehre ließ auch bei ihm Zweifel an der Existenz Gottes aufkommen. Die Skepsis des jungen Mannes äußerte sich bei seinen Hausbesuchen am Wochenende in immer schärferen Kommentaren über Religion. Peter und seine Brüder hatten einen gewissen christlichen Einfluss von ihren Großeltern. Aber die Eltern gingen nicht in die Kirche, obwohl sie mennonitischer Tradition angehörten. Bei einer Evangelisationsveranstaltung war der junge Mann von der Predigt über den Gott der Liebe mehr als beeindruckt und erlebte dort eine radikale Umkehr.

      Mit zweiundzwanzig Jahren absolvierte er seine pädagogische Ausbildung. Es war Zeit zu heiraten. Seine Wahl fiel auf Martha Schwarzwälder, deutscher Abstammung, aber keine Mennonitin.

    Als Marthas Vater an Typhus gestorben war und ihre Mutter wieder heiratete, musste das junge Mädchen das Haus verlassen, weil ihr Ersatzvater kein Verständnis für seine Stieftochter hatte. Sie begann in den Häusern von Familien zu leben, wo sie als Hausangestellte diente.

    Dann, mit Peter verheiratet, um der drohenden Verbannung der sowjetischen Regierung zu entgehen, blieb dem jungen Paar nur die Flucht.

    Am Kraul angekommen erkannte Grossvater bald den Vorteil, sich der Bienenzucht zu widmen. Somit wurde er der Bienen Enns. Da sein Grundstück am Kraulfluss grenzte, in der Nähe der Kirche, wurde es auch der geeignete Platz, um Tauffeiern durchzuführen.

    Mein Großvater war mehr dem Lobpreis hingegeben, meine Großmutter der Strenge, zwei Facetten des Glaubens.

    In Blumenau hat mein Großvater viele Freunde gefunden. Er klopfte an die Türen der Häuser wohlhabender Stadtbewohner, von denen viele Deutsch sprachen, und bot seinen Honig an. Und das Reden fiel ihm ja nie schwer. Er erzählte von seiner Familie, von dem Dutzend Kindern, von den Kämpfen in den ersten Jahren der Einwanderung. Aber aus welchem ​​Teil Deutschlands kommen Sie? Nein, wir sind aus Russland. Aber wieso sprechen Sie ein so gutes Deutsch?

     Rosvitha hat ein Buch über sich und ihre Vorfahren geschrieben, wo sie ihnen nachgeht und wirklich kostbare Geschichten aufgestöbert hat. Da gibt es eine Menge Geschichten über den „kleinen“ Enns in Colônia Nova und warum er in der Umgebung als „Pedro Melo“ bekannt wurde. Sie widmet auch ein Kapitel den typischen Speisen der Mennoniten, wo besonders die mennonitischen Frauen ihren Spass haben werden an ihren Erinnerungen über Twãiback und Riebelplautz, Perishky und Borsch und vieles mehr.

Tjlina Enns ...

              

     "Meu avô materno era conhecido como tjlina Enns". Este avô parece que fascinou a autora. Ou quem sabe apenas lhe contaram mais histórias sobre ele.

      Rosvitha, esposa do Pr. Odair Blume, da Igreja Irmãos Menonitas do Kobrasol, em São José, próximo a Florianópolis, foi também professora de graduação e pós-graduação do Curso de Tradução da UFSC. Assim que ela se aposentou, dedicou-se em tempo integral para pesquisar suas raízes, conversou com familiares, pesquisou em muitos livros e nos apresenta um livro que merece estar na estante de todos menonitas brasileiros.

     Seus antepassados vieram da Rússia, alguns foram para o Paraguay, outros para o Brasil, aqui migraram de SC para RS. Histórias por vezes dramáticas, muitas vezes hilárias, a autora de modo muito inteligente, vai entremeando a história dos menonitas desde a sua origem na Suíça, suas migrações pela Holanda, Prússia até chegar na Rússia e daí se espalhando por todo o império russo e de lá migrando novamente sobretudo para a América do Norte e do Sul. 

     Mas ela consegue contar tudo isto sem se tornar enfadonha, pelo contrário, ela sabe alternar os relatos históricos e as questões de fé com peripécias incríveis de seus ancestrais.

     "Aos vinte e dois anos Peter estava concluindo sua formação pedagógica (na Rússia). Já era tempo de se casar. Mas com quem? Numa festa da igreja que reunia várias vilas, viu uma moça morena de vestido marrom pregueado. Tranças longas e volumosas, olhos triste. Mas aquele vestido não lhe saiu mais da cabeça. As informações que conseguiu reunir o levaram à Vila 2, a uma casa de família abastada onde ela servia de doméstica."

     "Bateu à porta, queria falar com Martha Schwarzwälder. Boa noite, meu nome é Peter Enns, sou da Vila 14. Vi você na festa há duas semanas. Tenho vinte e dois anos, sou batizado, terminando minha formação para professor primário. Quer casar comigo?"

      Não tem como você não simpatizar imediatamente com esse baixinho, feito galo garnizé, que resolve peitar os desafios da vida de um modo assombroso.

     Mas logo nos primeiros capítulos a autora apresenta um conflito bem pessoal com o qual tanto eu e certamente todos os menonitas brasileiros passaram: "Meus problemas começaram quando nos mudamos para a cidade. A cada novo contato, vizinhos, colegas de escola, professores, eu temia o fatídico momento da revelação. Os normais eram os Católicos ou Luteranos. Nós éramos Menonitas. Sempre que informava minha religião, o constrangimento se abaulava nos olhares e gerava aquele postura de quem busca distância segura para não se infectar. .... E os seus pais, o que fazem, meu pai é pastor, de que religião? Pronto."

     Professora de língua e literatura, Rosvitha domina a arte de contar histórias, é muito direta. Ela conta, mas não reconta, é preciso estar atento na leitura e participar ativamente na construção dos acontecimentos. 

    Junto com a história de seus antepassados, conta-nos também a história de seu pai, Pr. Arthur Friesen, pastor de igrejas missionárias em SC, mas muitas vezes orador convidado tanto em Colônia Nova como em Curitiba. Tive o prazer de conhecê-lo pessoalmente, mas agora sei da dificuldade que Deus teve para convencê-lo para tornar-se um servo fervoroso.

    De capa a capa, o livro é cativante. Que não tenha sido o último! Querida Rosvitha, nós, menonitas brasileiros, precisamos urgentemente de pessoas com a sua capacidade de contar histórias, livros que documentem nossas histórias, que retratem os caminhos de nossos antepassados e a nossa inserção na cultura brasileira.

    Muito obrigado!

Ganz unerwartet

   

In ihrem Familienroman "Estranhos no Mundo" erzählt Frau Dr. Rosvita Friesen Blume viele Geschichten aus ihrer Familie. Eine dieser Geschichten möchte ich sehr verkürzt wiedererzählen.

    Nach Paraguay kam auch ein David Isaak, ganz allein. Frau und Kinder waren zurückgeblieben, in den Wirren jener Zeit waren sie auseinanderkommen. Er hatte keine Ahnung, was aus ihnen geworden war oder wo er sie hätte suchen können. Nach einiger Zeit bekam ein Bekannter einen Brief: Helena, die Frau von diesem David Isaak, und seine drei Kinder seien alle tot. Tiefe Trauer. Wie mögen sie wohl gestorben sein?

     Er ging nach Friesland, wo schon ein Bruder von ihm wohnte. Dieser kannte eine Witwe eines soeben verstorbenen Heinrich Friesen. Wie wär’s, meinte der Bruder. Komm, lern die Witwe kennen! Das ging ganz schnell und schon wollten sie heiraten. Die Not trieb sie, aber es war auch Liebe auf den ersten Blick. Als sie zu den Predigern kamen, hatten diese Bedenken. Kannst du es beweisen, dass du tatsächlich Witwer bist, Bruder David? Kann ich. Hier ist der Brief. Alles klar.

    Zwei Kinder wurden ihnen geboren. So viel Leid und dann dieser schöne Trost im fernen Paraguay. Ganz unerwartet platzte ein Schrecken mitten in das frische Glück. Ein Brief. Der Absender, seine Frau Helena. Das Blut gefror ihm in den Adern. Nun war er mit zwei Frauen verheiratet. Und sein Sohn lebte auch und flehte darum, wieder mit dem Vater vereint zu werden. Dort im fernen Russland. Was tun? Wir sehnen uns so sehr nach dir, mein Liebster, schreibt da seine Frau aus Russland. Wie geht es dir?

   Ich bin verheiratet und habe 8 Kinder zu erziehen. Entschuldige, aber ich wusste nicht, dass ihr am Leben wart. Und sowieso, falls ich jetzt nach Russland zurückkehren würde, würde man mich erschießen. Wie mag die arme Helena, nach soviel Leid, auf diese Nachricht reagiert haben?

   Mit Stiefsohn Arthur hatte David so seine Schwierigkeiten. Dieser hatte ein ganz anderes Wesen. Der Stiefvater war leise, jener laut, einer war ordnungsliebend, jener impulsiv. Irgendwann ging es nicht mehr. Und Arthur, Frau Blumes Vater, zog fort von zu Hause.

   Die Ehe ging gut, sehr gut. Die Kinder wurden groß und selbständig, eine Reise nach Kanada, um Kinder und Enkel zu besuchen, nach 37 Jahren Ehe starb seine Frau im Alter von 77 Jahren.

   1990 gab es Glasnost und Perestroika in Russland, Helena schickt ihm einen Brief. Willst du nicht mal Deutschland besuchen? Der Blutdruck stieg, die Gedankenwelt wirbelte durch, was soll ich nur tun? Wenn ich nach Deutschland fliege, wer weiß was daraus wird? Aber jetzt ist die Gelegenheit, die liebe Frau meiner Jugend noch mal zu sehen. Wer weiß? Er konnte sich nicht entscheiden. Stiefsohn Arthur Friesen, nun Pastor und Missionar in Brasilien, wurde eiligst nach Asuncion gerufen. Lang begrabene Gefühle sprossen wieder auf.

    85 jährig sitzt David im Flugzeug, kein Schlaf in der langen Nacht.

    Und dann stand er vor der Tür, die Tür seiner Vergangenheit. Nach 53 Jahren würde er sie, Helena, die Liebe seiner jungen Jahren wieder sehen.

   Was habt ihr euch gesagt, wurde er später gefragt. Wir haben geweint. Was sonst? Dann erst kamen Worte, zögernde Fragen, immer mehr, immer schneller. Bald sprudelten Geschichten, was jeder gemacht hatte, was aus seinem Leben geworden war.

   David, deine Frau, war sie schön? Oh, das war sie. Nächsten Tag zur Tochter, bring mich zum Friseur!

   Bei David aber wuchs die Sehnsucht nach Paraguay, seinem Zuhause, seiner Familie. Er ging. Er musste gehen.

   Und Helena? Das Verlorene hatte sie gefunden, um es wieder zu verlieren. Nach einem Jahr starb sie. Er verbrachte weitere 5 Jahre in Asuncion, umringt von seinen Lieben.

   Geschichten, die das Leben schreibt. Wie köstlich, wenn diese Geschichten dann jemanden finden, der zuhört, sie aufschreibt und weiterreicht. Danke, liebe Frau Blume!

"Simplesmente Victoria"

Ein Interview mit Christine Dyck, Curitiba, über ihren neuen Roman

Menonitas no Brasil: „Simplesmente Victoria“, Christine, ist dein drittes Buch. Woher kam dir die Inspiration für diese Geschichte?

Christine Dyck:   Die Geschichte von „Simplesmente Victoria“ schrieb ich inspiriert von den wahren Geschichten, die ich gelesen und gehört habe. Neben den Geschichten, die mir meine Schwiegermutter (Ich habe das Buch ihr gewidmet) über Uruguay erzählte, wie die Kolonien dort ihren Anfang nahmen. Viele Fakten entsprechen dem Kontext, die Geschichte ist jedoch fiktiv, die Daten sind Inspirationen und für einen Schriftsteller reicht das aus, um einen Roman zu schreiben.

Menonitas no Brasil: Deine Heldinnen sind Frauen, starke Frauen?

Christine Dyck:   Ich schreibe gerne Geschichten von starken Frauen, die sich ihrem Schicksal stellen. Victoria war ein einfaches, verträumtes Mädchen, das einfach nur glücklich sein wollte, genau wie wir alle. Das Leben hielt Überraschungen für sie bereit, es kam der Druck zur arrangierten Ehe, der 2. Weltkrieg, die Flucht nach Uruguay, der Neuanfang. Innerhalb dieser Überraschungen, gute und nicht so gute, entsteht ein sehr starkes Band aus Empathie, Bewunderung und Freundschaft. Die Mutter ihres Mannes nimmt sie auf und steht zu ihr. 

Menonitas no Brasil: Und die gute Schwiegermutter?

Christine Dyck:   Victorias Beziehung zu ihrer Schwiegermutter spiegelt die gute Beziehung wider, die ich zu meiner Schwiegermutter habe, und die Beziehung, die ich zu meinen zukünftigen Schwiegertöchtern haben möchte. Von Nähe, Liebe und Freundschaft, auch bei Meinungsverschiedenheiten. Victoria lernte viel von ihr, und sie wiederum war gut zu ihr.

Ja, und warum meine ersten Heldinnen Frauen waren? Weil ich glaube, dass Frauen stark sind und vieles ertragen, und weil sie trotzdem immer noch anmutig und glücklich sind.

Mein nächstes Buch hat männliche Protagonisten. Es wird 2023 erscheinen.

Menonitas no Brasil: Was hat Victoria von dir?

Christine Dyck:   Im Sinne von Reinheit und Träumerei hat die Protagonistin etwas von mir. Allerdings ist sie viel resignierter als ich es bin. Und meiner Meinung nach sind die Charaktere des Romans sehr realitätsnahe. Schade, dass sie nicht echt sind, ich würde ihnen gerne begegnen.

Menonitas no Brasil: Wie schön! Es wird wohl oft vorkommen, dass eine Schriftstellerin sich in ihre Charaktere so verliebt, dass sie ihnen persönlich gegenüber stehen wollte. Auch in „Querida Anastássia“ war deine Geschichte in einer Dorfgemeinschaft eingebettet ...

Christine Dyck:   Es bereitet mir große Freude, Gemeinschaften zu beschreiben, in denen meine Charaktere leben, die Beziehungen zwischen Menschen zu beschreiben, ihre Reaktionen, Enttäuschungen und Errungenschaften. Lesen ist also immer eine Reise, eine Erholung, eine Zeit für sich. Und das möchte ich in den Arbeiten, die ich schreibe, anbieten.

Ich recherchiere viel, ich tauche in das Leben und die Gedankenwelt jener Welt ein. Ich hatte Rückmeldungen von Lesern von „Querida Anastássia“, die bezeugten, dass sie sich in Russland fühlten, obwohl ich selbst nie dagewesen bin. Ich fand das sehr interessant und ermutigend.

Was ich in diesem Roman über die Kolonien in Uruguay erzähle, habe ich recherchiert: Bräuche wie das Sitzen unter dem großen Baum, die Gemeinschaftsfeste, bei denen alle geholfen haben, die Schaffung von rein weiblichen Kolonien. Auch die Gründung der Schule. Es ist eine Tatsache, dass ein Inspektor aus der Hauptstadt kam, um die Lehrer Spanisch zu unterrichten, was Unbehagen erzeugte, da die Einwanderer keine guten Erinnerungen aus Europa hatten.

Menonitas no Brasil: Du gehst scheinbar ungern auf geographische und politische Details ein.

Christine Dyck:   Ja, das könnte man sagen. In diesem Roman leben die Personen anfänglich in Europa, als der Zweite Weltkrieg ausbricht. Es geht mir nicht um den Krieg, sondern um den Kontext und vor allem darum, wie Krieg das Leben der Menschen verändern kann.

Menonitas no Brasil: Der Kontext ist also realitätsnahe, die Charaktere auch?

Christine Dyck: Neben realen Kontexten erscheint eine fiktive Welt, keine realen Charaktere, sie sind imaginär, aber der Roman enthält viele eingebettete Wahrheiten, wie die Flucht vor dem Krieg, das Wagnis in einem völlig neuen Ort in einer anderen Welt, und als Gepäck nichts als den Glauben an Gott und die körperliche Stärke, und die Gemeinschaftsarbeit, da sie sich als stark erweist, wenn alle ein gemeinsames Ziel haben. Die Schwierigkeiten, Kinder zu bekommen ohne Krankenhaus, ohne Verhütungsmittel, ohne Informationen. Familiendramen, Verrat, Schwierigkeiten und Treffen von Freunden, die sich dort wiederfanden und als Familien vereint blieben.

Menonitas no Brasil: Zusammenfassend ...

Christine Dyck:   Der Roman handelt von einer Reise und stellt die wahre Liebe dar, solche, bei der Menschen ihre Partner auswählen und schwierige und schmerzhafte Entscheidungen treffen. Das ist das Leben von uns allen.

Menonitas no Brasil: Und am Ende des Buches, da wird es dramatisch, denn es erscheint unerwartet jemand aus der Vergangenheit, den man für tot hielt ... Aber das müssen dann die Leser schon selber erfahren.

P.S. Sie hat noch einige Exemplare, die man bei ihr erwerben kann. Telefon: (41) 99911 9242

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Verschiedenes

Was ist Glaube?

  

      Wer hat es sich nicht schon mal schwer gemacht mit der Frage des Glaubens? Nicht von ungefähr spricht man von Glaubenskämpfen, vom Ringen darum, weiter Gott mit Vertrauen zu folgen, auch in schwierigen Lebensphasen sich weiterhin auf etwas zu verlassen, das sich nicht beweisen lässt, das unsichtbar bleibt und oft nicht mit dem Verstand erfasst werden kann.

      Christlich ist unser Glaube nur, wenn er auf die Person Jesu Christi gerichtet ist. Der Christ glaubt also, dass Gott in Jesus von Nazareth tatsächlich Mensch wurde, Gott ist also auf dieser Erde gewandelt, in Christus zum zweiten Mal. Beim ersten Mal im Garten Eden, als Gott Vater, in einer sichtbaren Gestalt für Adam und Eva. Nach dem Sündenfall entzog er sich dann der persönlich leiblichen Gestalt und erschien dann wieder in der Gestalt Gott Sohn, Jesus, der Sohn der Maria.

     Was ist Glaube? Alle Menschen glauben, entweder an die unglücksbringende schwarze Katze, an Horoskope oder an den in der Bibel offenbarten Gott.

    Als ich mich das erste Mal in ein Flugzeug begab und dieses in die Luft aufstieg, merkte ich, wie ich mich lächerlicherweise an die Lehnen meines Sitzes festklammerte. Was nützt das, dachte ich. Ich erinnerte mich an die Tatsache, dass Flugzeuge sicherer sind als Autos. Also entschied ich mich, daran zu glauben, so dass ich mich beruhigen konnte. Glaube ist eine Entscheidungssache (1).

     Bei der Erzählung in 1.Sm 3, als der kleine Samuel in der Nacht eine ihn rufende Stimme hört und zum Priester Eli läuft, klärt ihn dieser auf, dass er auf die Stimme antworten soll: „Rede, Herr, denn dein Knecht hört!“ Der Text erklärt auch „Samuel kannte den Herrn noch nicht“. (2) Glaube kann also abgeschaut und gelernt werden. Das ist wohl die üblichste Form des Glaubens unter Mennoniten, die Gläubige von klein auf um sich herum haben. Besucher, die zu unseren Gottesdiensten auf Portugiesisch kommen, schauen darum auf Altgläubige und schauen bei ihnen ab, wie „Glaube“ funktioniert.

     3. Glaube ist nicht etwas Fertiges, Glaube ist immer im Werden. Glaube wird durch Prozesse verwandelt und dadurch reift er, wie es viele biblische Beispiele deutlich machen.

     4. Kein Glaube ohne Prüfung. Wenn alles gut läuft, sehen sich manche in unerwartete Begebenheiten gestürzt und müssen nun geläutert werden wie z.B. im Falle von Joseph in Ägypten. Er erlebte einen sanften, selbstverständlichen, gehüteten Glaube im Hause seines Vaters. Wie von einem Blitz getroffen, sieht er sich plötzlich als Sklave in der Ferne, ohne jegliche Hoffnung das alte Leben wieder zu finden.

     5. Glaube ist auch Erfahrung wie Petrus es bei verschiedenen Begebenheiten erlebte. Er erfuhr, was Glaube ist, als er seine Fischernetze zurückließ, oder als er versuchte, auf dem Wasser zu gehen, und als er Jesus verriet und nach dessen Auferstehung mit ihm versöhnt wurde.

     6. Glaube ist Wagnis. Jemand fragte, ob Glaube nicht ein Sprung ins Dunkle sei. Wie man es nimmt. Vom Menschenverstand her, der Dinge begreifen will, könnte es so gesehen werden. Aber für die Bibel ist Glaube ein Sprung ins Licht Gottes. Trotzdem bleibt es ein Wagnis.

     7. Glaube ist auch Sehnsucht: „Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser, so schreiet meine Seele Gott, zu Dir. Meine Seele dürstet nach dem lebendigen Gott.“ Ps 42

     8. Glaube ist ein Geschenk: niemand glaubt aus eigener Kraft, niemand darf sich seines Glaubens rühmen. Laut Epheser 2,8-9 ist der Glaube „nicht aus euch, Gottes Gabe ist es.“ Zwar will Gott unsere Mitarbeit, aber alles was wir haben, verdanken wir ihm, auch den Glauben.

     Erst in der Praxis erfahren wir, ob wir tatsächlich glauben. Manch einer steht in einer Ehekrise, in einer Familienkrise und nun zeigt es sich in der Praxis, ob er als Glaubender handeln wird oder als Ungläubiger.

 Sind gute Entscheidungen Glückssache?

                

   Wie schön! Ein neues Jahr steht vor uns, und auch die Herausforderung, viele Entscheidungen zu treffen. Wie komme ich dazu, gute Entscheidungen zu treffen? Sind gute Entscheidungen Glückssache? Sind sie die Folge von unwillkürlichen Zufällen? Oder trage ich dazu bei, dass schlechte Entscheidungen vermieden oder wenigstens gemindert werden und gute Entscheidungen, die langfristig Gutes herbeiführen, von mir beeinflusst werden können?

     „Christsein ist schon eine Entscheidung“, (Bonhoeffer) eigentlich eine so grundsätzliche, dass sie allen anderen Entscheidungen des Lebens die Richtung gibt. Ich bin Christ und bleibe Christ nur solange auch meine Entscheidungen von Christus her getroffen werden.

     Der Christ schaut nun in das Wort und vom Geist Gottes getrieben gibt er seinem Alltag, seinen Beziehungen, seinen Entscheidungen die Richtung.

    Wir wissen nicht, was das Jahr 2022 uns bringen wird, sicherlich Freudiges, vielleicht auch Trauriges. Ganz sicher werden wir auch von Dingen überrascht werden, wo wir uns erst mal zurücknehmen müssen und überlegen, wie das nun zu deuten ist und wie das gehandhabt werden kann.

    Eine geschiedene Frau erzählte, dass ihre herangewachsenen Kinder in kurzer Zeit ausgezogen sind. „Was mache ich nun mit den zurückgebliebenen Hunden meiner Tochter?“ Denn sie zieht in eine kleinere Wohnung und kann sie nicht mitnehmen. Einige dieser „kleinen“ Herausforderungen werden uns begegnen und trotzdem manches Kopfzerbrechen verursachen.

    Eine Frau, ungefähr in den 30iger Jahren, sieht plötzlich ein, dass es Zeit ist, an die erste Schwangerschaft zu denken. Der Mann drängt schon lange darauf. Jetzt wurde ihr klar, dass sie eigentlich nie Kinder haben wollte. Sie hat Angst vor der Schwangerschaft, Angst davor, dass sie bei der Geburt des Kindes sterben wird, Angst dass sie das Kind gar nicht erziehen kann. Aber sie konnte diese Entscheidung nicht weiter aufschieben. Sie suchte eine seelsorgerliche Beratung, lernte ihre Ängste besser kennen und wie sie damit umgehen könnte. Letzte Weihnachten lag ein Baby in ihren Armen.

    Bei manchen Entscheidungen sollte sich der Gläubige unbedingt Rat holen. Die Zahl der Alleinstehenden unter den brasilianischen Mennoniten ist stark gewachsen, sie brauchen unbedingt eine beratende Hilfe.

    Entscheidungen haben Zukunft. Es ist nicht immer sofort zu erkennen, wie heute getroffene Entscheidungen nachwirken werden, nach manchmal vielen Jahren Folgen haben. Ich erinnere mich, wie mal ein Mann Frau und Kinder verließ. Als nach Jahren sein Sohn Vater wurde, war die Überraschung, dass seinem Enkel nicht sein Familiennamen verliehen wurde. Man entscheidet sich z.B. für ein Auto und wenn es einem nicht gefällt, tauscht man es einfach aus. Andere Entscheidungen aber haben eine bleibende und oft mit der Zeit sich immer verstärkende Wirkung. Entscheidungen haben Zukunft, gute oder böse.

    Nicht getroffene Entscheidungen auch. Manches hat man manchmal auf die lange Bank geschoben und irgendwann dann eine böse Erfahrung erlebt. Zum Beispiel bei nicht bezahlten Rechnungen, bei vernachlässigten Steuererklärungen oder bei einem aufgeschobenen Inventar. Der verunsicherte Mensch drückt sich davor, eine Entscheidung zu fällen und merkt nicht, dass dieses auch eine Entscheidung ist. Der Vater sieht, dass er die Erziehung des Kindes zu sehr der Frau überlässt, weiß aber nicht wie er es besser tun könnte und schiebt es auf die lange Bank, in der Hoffnung, dass sich die Dinge schon von allein einfinden werden. Eines Tages ist die Tochter erwachsen und geht Wegen, die ihm nicht gefallen, aber dann ist es schon zu spät.

     Unsere Entscheidungen haben auch stille Beobachter. Je näher uns Menschen stehen, desto intensiver beobachten sie uns bei unseren Entscheidungen und werden Zeuge davon, ob wir weise gehandelt haben.

    Wir können nicht anders als Ungewissheit und die Unvorhersehbarkeit unserer Entscheidungen in Kauf nehmen. Am sichersten geht, wer mit seinen Entscheidungen auf dem Grund des Wortes Gottes steht und nach ihm seine Entscheidungen fällt. So vieles liegt nicht in unserer Hand und darum lassen wir unsere Entscheidungen begleitet von Gebeten geschehen, in dem Bewusstsein, dass wir ganz und gar von Gott abhängig sind. Wir wollen unser Bestes tun, aber das gelingen schenkt Er.

Herr, deine Güte reicht ...

              

     Dankbarkeit ist meistens Mangelware. So vieles ist ungut im Leben, Fehlerhaftes springt in meine Augen und will in kritischen Worten sich breit machen. Oft kommt dann die errettende Stimme: "Sei still! Du hast es gut! Sei dankbar!”

      Wie dankbar wäre mein Vater gewesen, wenn er hätte mein Leben führen können! Was ich als absolut normal erlebe, konnte er nicht mal im Traum erschauen.

       Dankbarkeit ist ein Zeichen von Gesundheit, seelischer und geistlicher Gesundheit. Sie ist ein Beweis, dass der Mensch auf festem Boden steht.

      Sie ist die Eigenschaft, die das Zusammenleben erleichtert. Die Nähe von undankbaren Menschen wird gemieden, man lässt sie lieber allein in ihrem “sauren Topf” schmoren. Kinder geraten oft in eine seelische Sackgasse. Bringt man sie auf andere Gedanken, vergeht ihr Trübsinn und das Leben geht weiter. Bei Erwachsenen will das oft nicht so leicht klappen.

      Dankbare Menschen sind angenehm, sind verträglicher, man verweilt gern in ihrer Nähe. Dankbarkeit bringt Menschen näher, Undankbarkeit treibt uns voneinander Weg.

      Dankbarkeit ist die Bereitschaft dem Nächsten auf positiver Weise zu begegnen. Dankbarkeit ist keine Strategie, denn dann wäre es nur ein äußeres Gehabe. Sie kommt aus dem Innersten des Menschen, man hat jegliche Angriffslust fallen gelassen und kommt dem anderen mit positiver Einstellung entgegen.  Dankbarkeit ist das Überfließen des gütigen Herzens.

      Der dankbare Mensch hat ein Geheimnis erspürt: Was im Leben wirklich zählt, kann nicht gekauft werden, weder geraubt noch erzwungen werden.

Was mein Leben wirklich ausmacht, ist mir zugefallen, geschenkt worden: die Liebe meiner Enkelkinder z.B., habe ich sie verdient? Kann ich sie erzwingen? Oder ein sinnerfülltes Leben: wie verfehlt, wenn ich auf meine Brust klopfen würde in der Meinung, dass ich so etwas Kostbares erzeugen könnte! Was wirklich zählt, ist uns zugefallen, ist uns geschenkt worden wie Gemeinde, Gemeinschaft, Freundschaft und vor allem der Glaube.

      Dankbarkeit ist die beste Antwort auf die Erkenntnis, dass was in meinem Leben zählt, mir geschenkt worden ist.

      Wer ist dankbarer, der jüngere oder der ältere Mensch? Könnte man sagen: je jünger, desto dankbarer ist der Mensch? Wohl eher umgekehrt. Aber nicht alle Alten sind dankbar. Warum nicht? Der junge Mensch hat noch zu wenig erlebt, um vergleichen zu können, um zu wissen, was im Leben denn tatsächlich möglich ist. Der junge Mensch glaubt noch sehr an seine eigenen Kräfte, er meint, das Leben selber meistern zu können. Seine Unzufriedenheit kann sogar eine positive Kraft sein, die ihn vorantreibt.

        Undankbarkeit ist darum eher ein typisches Merkmal, dass jemand noch im jugendlichen Alter steht, oder unreif geblieben ist. Undankbarkeit ist ein Zeichen von fehlender Reife.

     Sklaven und abhängige Menschen erweisen sich oft zutiefst dankbar. Das kommt aber aus einem Gefühl der Machtlosigkeit und müsste wohl als Unterwürfigkeit bezeichnet werden. Gute Dankbarkeit braucht Willenskraft und Entscheidung: trotz aller Mangelhaftigkeit, die ich in meinem Leben feststelle, entscheide ich, nicht sauer und ungenießbar zu werden, sondern Dankbarkeit auszustrahlen, selbst in Tagen wo mir scheint alles daneben zu gehen.

     Dankbarkeit entsteht meistens durch Rückblick in die Vergangenheit. Zukunftsgewandt verwandelt sie sich in Hoffnung.

     Herr, deine Güte reicht ... so weit, dass ich rückblickend dankbar sein kann und hoffnungsvoll in meine Zukunft schaue!

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