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Teil II
In der zweiten Hälfte des Jahres 1880 war eine Gruppe Mennoniten ins innerste Asiens, mitten unter rein muslimische Bevölkerung, gezogen. Dort würde Jesus wiederkommen. Sie sahen sich als Auszugsgemeinde, die eine Bergungsstätte vorbereiten würde für andere Gläubige, die vor den Wirren und Verfolgungen der Endzeit bei ihnen Herberge finden würden. Bei einigen überwog der Wunsch, ihre Söhne vor dem Militärdienst zu bewahren, der nun alle Jünglinge betreffen sollte. Und der Forsteidienst war ihnen nicht genug. Man würde ja dabei indirekterweise dem Staat dienen.
Ein Glaubenswahn hatte jene Mennoniten erfasst. Sie kamen aus den verschiedensten Kolonien, sogar aus Preussen war eine Gruppe gekommen. Allmählich erwachten die meisten. Sie erkannten, dass Claas Epp ein falscher Prophet war. Viele zogen zurück, viele wanderten nach Nordamerika aus.
Einige aber blieben. Und sie gründeten eine bleibende Kolonie. Sie bauten eine Kirche, die alljährlich weiß getüncht wurde. Die Kirgisen nannten sie die "weiße Moschee", was in ihrer Sprache AK-METSCHET ausgesprochen wurde. Die Mennoniten übernahmen diese Benennung, um dadurch die gute Nachbarschaft zu fördern.
Was sie für ihren Glauben durchgemacht haben, klingt uns heute einfach absurd. Wie kann man solch große Opfer bringen? Überfalle, Raub, Mord, Schändung, sogar die Entführung einer Frau, die nie mehr zurückkam. Und der Prophet Claas Epp kam nicht zur Einsicht. Es wurde immer schlimmer.
Nun folgt der abschließende Teil dieser Erzählung.
Als beispielsweise im Jahre 1929 in den mehr belebten Gegenden Russlands wirklich eine große Trübsal ausbrach, da sind viele, die von Ak-Metschet wussten, dorthin geflüchtet. Immer wieder hat Ak-Metschet sich ihrer in würdiger Weise angenommen (Und somit zurückgezahlt, was die Mennoniten der ganzen Welt Gutes an ihnen erwiesen hatten, als sie in den Anfangsjahren nicht wussten, wie sie überleben sollten?).
Seit 1884 sind noch einzelne Familien von Ak-Metschet nach den Vereinigten Staaten von Nordamerika ausgewandert. Ihre chiliastischen Hoffnungen waren plötzlich geschwunden. Manche kehrten auch in das europäische Russland zurück. Die Mehrheit jedoch blieb bei Klaas Epp, auch dann, als im Jahre 1889 die Parusie (Wiederkunft) Christi sich nicht bewahrheitet hatte. Klaas Epp starb am 6. Januar 1913 (Immer wieder sind Gruppen von Mennoniten wie von einem geistlichen Wahn ergriffen worden, von dem sie dann nach Jahren aufwachten).
"Ja, ja, unser Anfang war schon schwierig. Unser gesunder starker Menschenschlag im Bündnis mit Gott hat sämtliche politischen und religiösen Schwierigkeiten überwunden. Auch wenn Klaas Epp sich verrechnet und manches Mal schwer gesündigt hat, eine Quelle des Trostes und der Kraft ist uns seine Lehre doch geworden. Wir sind auch noch heute fest davon überzeugt, dass Epp uns von Gott als Führer gesandt war." Das sind die Worte eines Anhängers von Klaas Epp (Grundsätzlich ist die Gruppe mennonitisch geblieben, auch in Glaubensfragen. Der falsche Prophet hatte sie nur in Endzeitfragen beeinflusst. Und sonst empfanden sie seine Entschiedenheit als Trost und Stärke mitten einer muslimischen Umwelt).
Die chiliastische Erwartung hatte Klaas Epp ganz gewaltig fortgerissen. In allen seinen Berechnungen aber wurde er zu Schanden. (Er hatte den 8. März 1889 festgesetzt, wenn Jesus wiederkommen würde. Als dieses nicht eintraf, errechnete er neue Daten, die sich immer wieder als falsch erwiesen. Siehe weitere Informationen darüber: Hier) Es fehlte ihm an der Demut, seine Verirrungen einzusehen. Immer wieder hat er es fertig gebracht, die Hoffnungen seiner Anhänger hinzuhalten. Er wurde aus einem gutmeinenden Irrenden ein großer Irrlehrer. Epp hat sich nicht nur mit der Jahreszahl 1889 verrechnet, vielmehr ist er nach und nach in seinem späteren Leben immer stärker einem religiosen Größenwahn verfallen gewesen. Er nannte sich nacheinander den "Elias des neuen Bundes", den "Melchisedeck der neuen Erde", den "Sohn Christi, in Ewigkeit aus ihm geboren" und schliesslich die "vierte Person der Gottheit"(Wenn eine Verirrung nicht korrigiert wird, ruft sie oft weitere Fehlgänge hervor).
Aber noch vielmehr ist damals geschehen. Klaas Epp verstieg sich sogar dahin, dass er eines Tages seine eigene Himmelfahrt proklamierte. Aus der Kirche war der Altartisch auf einen freien Platz getragen. Die ganze Gemeinde war versammelt. Zunächst wurde gebetet. Dann bestieg Epp den Tisch; aber aus der Himmelfahrt wurde nichts. Enttäuscht gingen wieder alle auseinander (Sein Wahn ging also so weit, dass er selbst davon überzeugt war).
Wenn Klaas Epp in seinem Tun und Handeln auch schwer gesündigt hat, indem er Gott lästerte - so muss man doch sagen, dass Ak-Metschet in allen Hinsichten eine musterhafte Mennonitengemeinde geworden war. Ihr erster Grundsatz lautete: "Gutes zu tun!" Wenn Flüchtlinge aus Europa kamen, so zerrissen sich die guten Ak-Metscheter förmlich, nur um die Not zu lindern. Obzwar sie gänzlich schlicht nach außen hin wirkten, waren sie derart groß im Gutestun, und ihre Einigkeit war in der Gemeinde derart stabil geworden, dass auch jeder Flüchtling, der aus der Fremde kam, sofort mitgerissen wurde (Man muss dabei aber auch bedenken, dass sie von allen Menschen sehr weit entfernt lebten und jeder mennonitische Besuch daher auch Abwechslung und Neuigkeit mitbrachte).
Es gab keine Armen im Dorf, das Brot wurde geteilt (Das war ein Merkmal der Gruppe seit dem Auszug nach Asien. Es gab Arme unter ihnen, die von den Reicheren mitgetragen wurden). Die Jugend wurde sehr anständig erzogen, obzwar etwas rückständig. Die meisten eingeborenen Ak-Metscheter hatten in ihrem Leben noch nie eine Eisenbahn gesehen. Und doch war Ak-Metschet geistlich und materiell auf der Höhe.
Wirtschaftlich hatten sich die Bewohner von Ak-Metschet vollständig den ländlichen Verhältnissen angepaßt. In der Hauptsache bauten sie Reis an. An zweiter Stelle stand die Baumwolle. Aber auch Weizen wurde dort geerntet.
Unsere Leute waren die Einzigen in jener Gegend, die es gewagt, dem aus Lehm und Sand sich zusammensetzenden Boden Weizenernten abzugewinnen. In diesem Punkt waren sie echte Pioniere in des Wortes wahrstem Sinne. Wo bis dahin, außer einigen besonderen Sorten, kein Gemüse hatte richtig gedeihen wollen, dort wuchsen jetzt die vortrefflichsten Sachen. Der Anbau von Weizen war aber erst möglich geworden, nachdem unsere mennonitischen Bauern das sonst unfruchtbare Land zu düngen begonnen hatten. Hierzu benutzte man Kuh- und Pferdedünger.
Im engsten Zusammenhang damit stand auch die völlig andersartige Einrichtung ihrer Viehställe, im Vergleich zu den Stallungen unserer Geschwister in Europa. Die ganze Einrichtung war eigentlich sehr primitiv, aber zweckmäßig. Der Viehstall war durch Zäune in einzelne Abteilungen eingeteilt. Innerhalb dieser Einzäunungen bewegte die darin befindliche Tierart sich vollkommen frei herum. Monatelang wurden die Stallungen nicht gesäubert. Dagegen wurde morgens und abends sehr viel Stroh gestreut. Durch das sich frei bewegende Vieh wurde eine gründliche Durchmengung von Stroh u. Mist erreicht. Diese Mischung wurde dann gewöhnlich zweimal jährlich aufs Feld gefahren (Ich komme vom Land, wir hatten Kühe im Stall. Ich kann mir dieses nicht vorstellen, wie man es schaffte, 6 Monate lang nicht auszumisten. Wie der Autor aber sagte: "Es war zweckmäßig". Dadurch gab es mehr Dung und folglich besseren Weizen). Trotz der großen Hitze im Sommer, wurden bei sorgfältiger Bewässerung, ausgezeichnete Ernten erzielt.
So lebten die Leute von Ak-Metschet, geistlich und wirtschaftlich wahrlich reich gesegnet, etwa 55 Jahre lang. Ein einziges Mal, wohl im Jahre 1925, sind sie gestört worden von örtlichen Sowjetbehörden (Die kommunistische Revolution hatte schon 1917 stattgefunden, erreichte aber nicht sobald diese letzte Ecke Russlands). Daraufhin wurde dann von der ganzen Gemeinde aus eine Delegation zu Kalinin nach Moskau entsandt (Kalinin = Vorsitzender des Präsidiums des Obersten Sowjets formelles Staatsoberhaupt der Sowjetunion). Nach sonst ungestörter Reise kehrten die Gesandten alsbald aus Moskau zurück mit einem eigenhändig von Kalinin unterschriebenen Schriftstück, welches zum Ausdruck brachte, dass die Gemeinde von Ak-Metschet von den örtlichen Behörden nicht zu belästigen sei. Ihre auf religiöser Grundlage bauende geistliche u. wirtschaftliche Selbständigkeit auch in aller Zukunft gewährt bleiben.
Man schrieb das Jahr 1935. Da wurde eines Tages der Dorfschulze durch die Behörden von Chiwa, zu welchem Bezirk Ak-Metschet gehörte, aufgefordert, die ganze Gemeinde in einen Kolchos zu organisieren. Der Dorfschulze wurde beauftragt, eine Versammlung der Dorfbewohner einzuberufen (Das ist erstaunlich, dass die neuen Machthaber des Landes diese Mennoniten solange in Ruhe gelassen hatten).
Dringend wurde ihm empfohlen, bei den Gemeindegliedern die Anerkennung einer Kolchos-Wirtschaft durchzusetzen. Das Ergebnis der ersten Gemeindeversammlung fiel jedoch negativ aus. Daraufhin fuhr alsbald, von einigen GPU-Beamten begleitet, der Leiter der landwirtschaftlichen Bezirksverwaltung selbst nach Ak-Metschet. Jeder selbständige Bauer wurde zu einer Versammlung beim Schulzen befohlen. Der Schulze Schmidt musste, in Gegenwart der Gäste, nun nochmals die Bewohner von Ak-Metschet zum Zusammentritt in eine Kolchos-Wirtschaft aufrufen. Ergebnislos wird die Versammlung geschlossen. Der Schulze Schmidt wird nachts verhaftet.
Am Vorabend des darauf folgenden Tages erscheint der Besuch ein zweites Mal in Ak-Metschet. Abends werden die Dorfbewohner erneut zu einer Zusammenkunft aufgerufen. Als alles versammelt ist, wird zunächst ein neuer Schulze gewählt. Aber auch der neue Schulze Töws kann nichts Positives im Sinne der Sowjets erreichen. Man beruft sich auf das Schreiben von Kalinin aus dem Jahre 1925. Alle Bemühungen der Gemeinde, den Besuch umzustimmen, sind zwecklos. Aber auch der Besuch kann sich nicht durchsetzen. Die Versammlung wird geschlossen. Nachts werden der neue Schulze Töws, der Älteste und alle Prediger des Ortes verhaftet und mitgenommen.
Aber die Sowjets bleiben zähe. Am darauf folgenden Tage erscheint derselbe Besuch zum dritten Male. Eine Wiederholung des vorigen Abends. Schulzenwahl, Ablehnung des Kolchossystems durch die Gemeindeglieder, Verhaftung des neuen Schulzen mit noch ein oder zwei Personen aus der Mitte der Bauern des Ortes (Diese Erfahrung machten die Sowjets in ganz Russland: Mennoniten lassen sich nicht umstimmen, besonders wenn es mit ihren Prinzipien zu tun hat).
Äußerlich herrscht nun Ruhe in Ak-Metschet. Die GPU hat ihre Besuche eingestellt. Verhaftet wurden damals in Ak-Metschet insgesamt zehn Personen. Für einige Wochen blieb ihr Schicksal unbestimmt.
Doch plötzlich erscheint in der örtlichen Zeitung des Regierungsbezirks eine große Bekanntmachung. Dann und dann sollen zehn Konterrevolutionäre durch einen öffentlichen Schauprozess abgeurteilt werden.
Einige Personen aus Ak-Metschet begaben sich nach Chiwa und stellten sich an eine bestimmte Stelle in der Stadt, wo die zehn Personen auf dem Wege vorbeikommen mussten. Was war es für vom Gefängnis zum Gerichtsgebäude ein fürchterlicher Anblick, als sie wirklich vorbeigeführt wurden. Zehn wehrlose Mennoniten. Noch vor wenigen Wochen waren es kräftige, blühende Männer. Jetzt aber schleppten sich bis auf Haut und Knochen abgemagerte Skelette nur noch als Schatten durch die Straßen der Stadt, begleitet von einer bis an die Zähne bewaffneten Schar von GPU-Beamten. Mit gezückten Säbeln ritten vor und hinter ihnen je zwei Kavalleristen der GPU- Streitkräfte (als ob da irgendeine Gefahr bestand, dass die Mennoniten ihre Wehrlosigkeit ablegen würden). Ausserdem gingen rechts und links von ihnen ebenfalls je zwei GPU-Soldaten mit gezogenen und auf die Gefangenen gerichteten Pistolen. So umringt schleppte der ganze Zug sich dem Gerichtsgebäude zu.
Vorsichtig, auf großen Umwegen begaben sich auch die Ak-Metschet gekommenen Personen dorthin.
Der Prozess begann um 3 Uhr nachmittags und dauerte bis tief in die Nacht hinein. Verteidigt haben sich unsere Brüder großartig. Als am späten Abend den Angeklagten Gelegenheit zu einem letzten Schlusswort gegeben wurde, baten die Männer zunächst um eine Bibel, die der Verteidiger verabredungsgemäß mitzubringen versprochen hatte. Die Bibel wurde ihnen überreicht. Der erste Mann in der Reihenfolge auf der Anklagebank stand auf. In seiner hoch erhobenen Rechten hielt er die Bibel. Dann sagte er kurz und unzweideutig, dass auch das schärfste Urteil ihn nicht erschüttern würde, weil die Grundlage seiner Lebensführung das heilige Buch bilde (Man bedenke: dieser Mann war nun tagelang von den Soldaten gedemütigt, geprügelt, mit wenig Speise und Wasser. Trotzdem gibt er nicht nach).
Die Bibel überreichte er dann dem Nachbar auf der Anklagebank. Die erste Ansprache wurde dem Sinne nach wiederholt. Zehn Mal wurden dieselben Worte gesprochen. Darauf folgte alsbald das Todesurteil für alle Angeklagten. "Tod durch Erschießen" lautete der zehnfache Spruch. Ausserdem sollte das gesamte Vermögen der Verurteilten beschlagnahmt werden. Die Familien aber der zehn Unglücklichen unterlagen laut Urteil einer Verbannung nach Sibirien.
Gleich am nächsten Tage erschienen in dem Dorfe Ak-Metschet einige GPU-Autos, um die zehn zur Verbannung verurteilten Familien abzuholen. Wie ein Blitz verbreitete sich die Nachricht durch den ganzen Ort. Die zehn Familien wurden am Ortsmittelpunkt zusammengeführt, wo die Autos sie erwarteten. Aber kaum hatte die Verladung der zehn Familien begonnen, als auch schon alle Frauen und Kinder von ganz Ak-Metschet am Platz waren. Über zweihundert Frauen mit einigen hundert Kindern umringten die Autos. Ein furchtbares Geschrei hob an. Alles ging durcheinander. Die Kinder weinten und brüllten. Die Erwachsenen riefen um Rückgabe der verurteilten Familien. Die GPU lehnte ab. Daraufhin verlangten die Frauen von Ak-Metschet, dass alle oder keiner nach Sibirien verbannt werde. "Entweder oder! Alle oder keiner!" So lautete die Parole der Frauen von Ak Metschet. Sie stürmen die GPU. Männer schlagen mit Kolben um sich. Sie wagen jedoch nicht, von ihren Schusswaffen Gebrauch zu machen. Eine Seltenheit für russische Begriffe. Der Bolschewik schießt sonst sehr schnell. Wahrscheinlich aber waren sie dieses Mal zu feige dazu. Die verzweifelten Blicke und Rufe der Frauen von Ak-Metschet haben sie gelähmt (Wahrscheinlich waren es noch nicht genug abgehärtete Kommunisten).
"Entweder oder! Alle oder keiner! So schallt es durch die Straßen von Ak-Metschet. Die Frauen steigen mit ihren Kindern zu den Verurteilten in die Autos. Sie klettern auf die Motore und auf die Fahrkabinen der Lastwagen. Andere wiederum legen sich mit ihren Kindern vor die Vorderräder der Autos. Einer über den andern. Sie bilden eine unübersteigbare Menschenmauer. Es sind richtige Knäuel von lebendigem Fleisch, was sich da vor den Autorädern gebildet hat.
Immer wieder wird der Höllenlärm durch den Ruf der Frauen von Ak-Metschet übertönt: "Entweder Alle oder keiner!" Die GPU kann nichts ausrichten und verlässt die Stätte des Schreckens. Die Autos mussten sie einfach zurücklassen.
Einige Tage später werden im Bezirk Chiwa sämtliche Lastwagen für einige Zeit beschlagnahmt. Eine Kolonne von unzähligen Autos erscheint in Ak-Metschet. Die Bewohner werden aufgefordert, ihr Wort zu halten. Alle oder keiner, hätten sie gefordert. Also alle, bestimmt die GPU. Sogar Gepäck sollte jeder mitbringen, soviel er tragen könne. Mutig besteigt ganz Ak Metschet die Autos. Unter Gesang und Tränen, Tränen und Gesang werden sie ins Ungewisse gefahren (Haben diese Mennoniten nun sonst alles zurückgelassen? Ihre Hühner? Kühe und Kälber, ihre Häuser und Hausgegendenständen?).
Nach einigen Tagen erfährt man, dass die Ak-Metscheter im Hafen von Nowo-Urgentsch auf ein Schiff warten müssen. Unsere Geschwister werden scharf bewacht, aber allesamt haben sie sich restlos dem Willen Gottes gebeugt. Unerschütterlich war ihr Gottvertrauen (Waren da nicht auch Kranke unter ihnen? Hochschwangere Frauen? Alte?). Eines Tages wurden sie dann in ein Schiff eingeladen und fuhren unter Begleitung des Liedes "Gott mit uns, bis wir uns wiederseh'n!" ab; so berichtet ein Augenzeuge.
Ein anderer Zeitgenosse sagte: "Es ist das größte Heldentum, das unsere Mennoniten in ihrer Geschichte bewiesen haben. Vor diesen Geschwistern müssen wir den Hut ziehen; wollen niederknieen und für sie beten!"
Nicht allzulange brauchte man warten, um das Schicksal unserer Leute von Ak-Metschet zu erfahren. Man hat sie nicht nach Sibirien verbannt. Es fand nur eine Umsiedlung statt. Auf dem Amu-Darja hat man sie stromaufwärts per Schiff bis Tschard-Shuj gebracht. Von dort per Eisenbahn bis Samarkand gefahren. Von Samarkand aus aber wurden sie 170 km südöstlicher Richtung inmitten einer Sandwüste ausgesetzt. (Die ungefähre Richtung, Hier)
Hammer, Zangen, Beile, Sägen, Spaten, Hacken und kleine Pflüge sind ihnen, in einem Auto besonders, von Ak-Metschet nachgefahren worden.
Hier nun in der Wüste, wurde ihnen nahegelegt, zu beweisen, dass sie ohne Ausbeutung fremder Arbeitskräfte sich behaupten könnten (Wahrscheinlich hatten sie in Ak-Metschet Angestellte. Diese werden nach ihrem Weggang sicherlich arbeitslos geworden sein). Es war dieses eine Lästerung ihres Gottvertrauens. Wir können mit Gewissheit annehmen, dass die Sowjets glaubten, Ak-Metschet würde hier verhungern und umkommen.
Sie haben sich aber verrechnet. Unsere Brüder und Schwestern waren im Kampf mit den Elementen der Wüste reichlich geübt. Aus verkrüppelten Pflanzen und Holz jener Wildnis haben sie Erdhütten gebaut. Abwechselnd haben sie sich selbst in den Pflug gespannt und den lehmigen Sand aufgerissen (Sie hatten ja keine Pferde mehr. Also mussten junge Männer sich vor den Pflug "spannen" lassen. Wer weiss auch Mädchen und Frauen). Gehackt und geschuftet haben sie, unsere Frauen und Kinder von Ak-Metschet, im Schweiße ihres Angesichts. Nach der alten Parole: "Entweder oder! Alle oder keiner!"
Laut Nachrichten, die man dort erhielt, hatten die Sowjets ihnen auch schon einige alte Pferde und ein paar klappernde Ochsen hingebracht. Es ging bergauf. Verhungert sind nur vereinzelte Leute. Einige Männer sind wegen Arbeitsverweigerung verhaftet und zu vier Jahren Zwangsarbeit verurteilt worden. Das Todesurteil aber der ersten zehn Angeklagten wurde in zehn Jahre Zwangsarbeit umgewandelt.
Auf Grund des Heldentums der Frauen und Kinder von Ak-Metschet wurden sie also nicht nach Sibirien verbannt. Sie wurden sudöstlich von Samarkand neu angesiedelt. Die Ak-Metscheter wurden genau in jene Gegend gewaltmässig zurückgebracht, in welcher ihre Väter schon einmal zu siedeln vorgehabt hatten, im Glauben nach Jung-Stilling, dass das der Bergungsort vor den Trübsalen der letzten Zeit sein müsse.
Nun waren sie in der Gegend des Tales Schar-i-Sabs, zwischen den beiden Flüssen Amu-Darja und Syr-Darja, wo sie sich eine neue Heimat gründen sollten.
Die Wege des Herrn sind unerforschlich!
Was wurde aus Ak-Metschet? Der ehemalige "Garten Gottes" in der Wüste Kara-Karum, wie man unser Ak-Metscher bei Chiwa wohl mit Recht bezeichnen konnte, war innerhalb von sechs Monaten restlos verwahrlost und verunkrautet. Es war hier eine Sowjet-Wirtschaft der GPU aufgezogen worden.
Eingesandt von J. J. Janzen.
Siehe weiter unten: Turkestan - Eine Auswanderung mit Folgen.
(Ende)