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Es folgt nun ein Bericht darüber, wie ihre Ausweisung aus Deutschland geschah.
Am 14. April waren wir, Michael Waldner und ich etwa um zehn Uhr vormittags in Eberhard Arnolds Zimmer und schrieben da Briefe. Dann machte Hans Meier die Tür auf und redete uns an und sagt zu uns: „Brüder, macht Euch gefasst, denn ich komme eben vom Berg und sah hinten beim Wald einen ganzen Haufen Polizisten; sie mögen auf den Hof kommen; aber sie können Euch nichts tun.“ Und dann machte er die Tür zu und ging davon in seine Schreibstube, um aufzuräumen. Und als ich darauf an das Fenster trat und hinausschaute, sah ich die Polizei schon vom Berg herunter eilen. Ich ging zur Tür und machte mich auf den zweiten Stock des Hauses und trat auf den Korridor hinaus, um zu sehen, was geschehen wird.
Da standen schon bereits fünfundzwanzig Polizisten vor der Tür. Da schrie mich gleich einer an: „Wo ist der Hans Meier?“ Ich antwortete ganz bescheiden: „Ohne Zweifel im Haus.“ „Ruf ihn heraus“, war der nächste Befehl. Als ich auf Hans Meiers Stube kam, begegnete er mir schon und stellte sich der Polizei vor, ganz getrost und ohne Furcht. Da verlas der Oberste dem Hans Meier den Befehl. „Ich mache Euch hiermit bekannt, daß der Rhönbruderhof jetzt aufgelöst ist vom Staat und nicht mehr existieren soll. Er soll von jetzt an Sparhof heißen. Und da Du der Führer des Hofes bist, verlange ich von Dir die Bücher und alle Schlüssel. Und verkündige Euch auch, daß in vierundzwanzig Stunden alle vom Hof fort sein müssen und denselben verlassen.“
Dann ging er mit Hans Meier gleich in die Schreibstube. Die anderen Polizisten umstellten den ganzen Hof und trieben alle Geschwister, jung und alt, in der Essstube zusammen. Dort waren sie von zwei Polizisten bewacht und durften niemand aus- noch eingehen lassen. Die anderen haben in der Zwischenzeit alle Zimmer durchsucht und herausgetragen auf ihre Wagen, was ihnen beliebte. Zuletzt kamen sie auch zu uns auf unser Zimmer, wo wir uns noch befanden. Sie gaben uns den Befehl, uns zu den Brüdern in die Essstube zu machen. Wir gingen hinunter, ganz ruhig und getrost zu den Geschwistern, fanden sie ganz verlegen und verzagt. Da sprachen wir ihnen Mut zu, daß sie doch nicht sollten verzagen.
Dann kamen zwei Beamte zu uns. Einer trug eine Schreibmaschine und der andere ein Pack Papiere. Sie setzten sich hin und riefen dann einen jeden bei seinem Namen auf. Ein jeder musste antworten, was er gefragt wurde. Und zuletzt wurde das ausgefüllte Papier unterzeichnet, welches aber nur eine Verkündigung war wegen der Musterung, welches Papier wir selber, bevor wir es unterschrieben, genau prüften.
In der Zwischenzeit haben wir durch das Fenster gesehen, wie sie alle Zimmer durchsuchten und auf ihren Wagen schleppten, was sie wollten. Und als ich gesehen habe, daß es bald an unserem Zimmer die Reihe sein wird, wollte ich hinaus gehen und auf unser Zimmer gehen. Ich wurde aber aufgehalten und zurückgewiesen in die Essstube. Ich sagte ihnen, daß ich auf mein Zimmer gehen will; wir sind doch Ausländer, und will nicht haben, daß unsere Sachen untersucht und verschleppt werden. Er sagte: „Ich darf niemand hinauslassen, wenn Du hinaus willst, musst Du erst von unserem Obersten Erlaubnis haben und sie mir bringen.“ Ich fragte „Wo ist er?“ „Oben in der Schreibstube“ war die Antwort. Ich ging zurück und wandte mich an den hohen Herrn in dem Schreibbüro, der eben mit Hans Meier beschäftigt war, und verlangte von ihm die Freiheit, auf mein Zimmer hinauf zu gehen, welches er mir auch gewährte.
Dann habe ich den Michael Waldner gerufen und sind miteinander auf unser Zimmer gegangen. Es dauerte aber nicht lange, da waren schon Hausdurchsucher in unserem Zimmer, haben angefangen zu untersuchen. Wir zeigten ihnen an, daß wir Ausländer wären, und noch deutsche Ausländer, und nicht haben wollten, daß unsere Sachen untersucht werden. Sie fragten uns, was wir bei diesen Leuten hier suchen oder wollten, und von wo wir her sind, und was uns zu diesen Leuten treiben tut. Wir sagten ihnen: „Diese Leute sind unsere Glaubensbrüder, denen wir schon viel Hilfe zum Aufbau dieses Bruderhofes von Amerika geschickt haben, und deswegen sind wir auch sehr interessiert, was nun hier geschehen mag und wie es jetzt mit ihnen ablaufen wird.“ Wir merkten es ihnen gleich an, daß wir hier nicht angenehm waren und ihnen im Weg waren. Wir baten sie, uns doch einige Tage hier zu lassen. Sie lehnten es aber ab und sagten, daß sie damit nichts zu tun hätten.
In dieser Zeit hat unsere Gruppe schon alle Papieren unterschrieben gehabt. Es war schon drei Uhr nachmittags als sie damit fertig waren. Dann durften wir alle erst zum Essen gehen. Uns aber wurde das Essen schon vorher gebracht und hatten also schon gegessen. Die Polizisten aber standen draußen vor der Essstube und hatten ihr Gespräch miteinander.
Da bin ich zu ihnen hinausgegangen und habe mit ihnen angefangen, über diese Begebenheit zu sprechen. Ich sagte ihnen, daß dieses, was wir heute hier erlebt haben, uns ganz unverhofft war, und daß ich von dem Deutschland so was nicht erwartet hätte; ich habe immer gedacht, daß sie ihre Bürger und Bauern besser behandeln würden als wie wir es heute sehen und erfahren mussten. Ich sagte ihnen, daß sie schlimmer wären als die Amerikaner. Dann fragten sie mich gleich: wieso? Ich sagte ihnen: „Wir, als Deutsche, wurden im letzten Weltkrieg aufgefordert, Kriegsdienst gegen Deutschland zu leisten. Wir weigerten uns und lehnten es kurz ab, wie auch eben diese Brüder. Dann verlangten wir von unserer amerikanischen Regierung, weil wir ihnen im Waffendienst nicht konnten gehorsam sein, daß sie uns sollten frei aus ihrem Land ziehen lassen in ein Land, wo wir für Waffendienst nicht aufgerufen werden. Wir verlangten, all unser Hab und Gut zu verkaufen und nichts dahinten zu lassen, welches uns auch nicht von der Regierung abgeschlagen wurde, sondern wir durften frei während des Krieges aus dem Land nach Canada ziehen, und die Regierung schützte uns noch dabei, so daß uns nichts zuhanden gestoßen war.“ Ich fragte sie: „Warum könnt ihr nicht also mit dieser Gemeinde handeln?“ Dann sagten sie zu mir: „Warum könnt Ihr nicht wie die andern Leute Euren Gehorsam gegen die Regierung beweisen und folgen?“ Ich sagte ihnen deutlich, daß wir die Regierung hochachten, aber was von ihr gegen unser Gewissen von uns verlangt wird, können wir ihr keinen Gehorsam leisten. Dann fragte er mich: „Inwiefern?“ Ich sagte ihm, daß das Wort Gottes sagt: ich soll meinen Nächsten lieben und nicht töten, und deswegen konnten wir der Regierung nicht folgen und gehorsam sein. Dann hat ein anderer gesprochen und gesagt: „Freund, hast Du nicht gelesen, daß unser Heiland gesagt hat: Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert; und hat auch noch Befehl gegeben seinen Jüngern, Schwerter zu kaufen.
Warum glaubst Du dieser Schriftstelle nicht?“ Ich sagte ihm meine Erkenntnis über diese Schriftstelle. Da sagte er, es wäre falsch, wie ich es erkläre. Dann sagte er weiter: „Wenn die ganze Welt voll Engel wäre, wie Ihr seid, dann brauchte kein Krieg zu sein, aber das wisst ihr, daß die Menschen nicht alle so sind. Und auch wir wollen keinen Krieg,“ behaupteten sie. „Wir wollen uns nur stark machen, weil ein jeder den Starken fürchtet. Sind wir aber schwach, so macht sich jeder über uns her. Wenn wir aber stark sind, dann fürchten sie uns, und deswegen rüsten wir uns zum Krieg ein, und nicht, daß wir kriegen wollen.“
Den anderen wurde es zu lang mit dem dem Essen der Bruderschaft und fragten, ob sie einen ganzen Ochsen drin auffressen tun, daß es so lange dauert. Nach dem Essen forderten sie die ganze Gemeinde in den Hof vor der Tür. Michael Waldner und ich wurden auch aufgefordert, als ob sie einem Befehl uns zu verlesen hätten. Ich sah aber bald, daß sie nur photographieren wollten und ging aus der Reihe und sagte zu Michael Waldner: „Komm ins Haus“, Und zu ihnen sagte ich: „Wir haben das nicht nötig.“ Darauf verlas er ihnen erst den Befehl und sagte, da der Bruderhof jetzt aufgelöst sei, und daß kein Bruderhof mehr in Deutschland existiere. Keiner soll sich von ihnen unterstehen, irgend etwas, was zu der Wirtschaft gehört oder das Eigentum der Gemeinde und nicht eigentümliche Sachen als Hausgerätschaften mit sich zu nehmen, daß es nur viel Untersuchen geben wird, wenn einer sich soll unterstehen, etwas vom Hausgerät mitzunehmen.
Mit diesem Befehl verließen sie alle den Hof. Wir aber, die ganze Gemeinde, versammelten uns zum Gebet mit sehr betrübtem und traurigem Herzen. Wir klagten unserem Gott unsere Not und Kummer und flehten ernstlich, uns doch in dieser schweren Zeit und Lage nicht zu verlassen, sondern uns den rechten Verstand und Weisheit wolle verleihen nach seinem Willen und Rat uns als seine Kindlein zu behalten. Ja, er wolle selber unser Berater sein und unser Führer bleiben und uns nicht verlassen. Nach dem Gebet wurde beraten, wie alles anzustellen sei und wie wir es doch konnten ausführen, daß die Gemeinde beieinander bleiben möchte. Denn der gottlose Haufen wollte alle Glaubensgeschwister in Deutschland zu ihren Verwandten zerstreuen. Auch wollten wir so gern der Gemeinde in England und Lichtenstein zu wissen tun, was geschehen war hier auf dem Rhönbruderhof.
Mennonitische Rundschau von 1941-11-19
Wurde also am ersten erkannt, den Arno Martin, Haushalter von Liechtenstein, der gerade zugegen war, dem Hans Zump zu berichten und abzufertigen nach Liechtenstein und auch der Gemeinde in England, sobald er über die Grenze aus Deutschland wär, diese Botschaft zu schicken. Aber wie jemand zu schicken, da die Polizei alles Geld hingeraubt und genommen hat, was über vierhundert Mark gewesen ist. Es war also kein Cent in die Hand der Gemeinde, weil alles geraubt war, samt Schlüsseln und Bücher, alle Gemeindestuben versperrt und zugeschlossen. So wurde es notwendig, dem Bruder und Geschwistern von unserer Reise Geld mitzuteilen. Und sind, wie es erkannt war, mit Arno nach Schlüchtern gefahren; dort um 12 Uhr in der Nacht angekommen, Hans Meier, Arno Martin und ich. Und ihn dort mit der traurigen Botschaft abgefertigt, daß er es der Gemeinde in Cotswold und Liechtenstein soll berichten. Meier und ich kehrten mit schwerem Herzen zurück zur Gemeinde und fanden sie noch alle auf. Singen dann auch zur Ruhe, aber von schlafen war wenig.
Am 15. April sind wir wieder gesund aufgestanden, Gott sei Dank dafür. Haben auch etwas gefrühstückt. Eine halbe Stunde nach dem Essen waren wir noch auf unserem Zimmer. Da kam Hans Meier in höchster Eile und berichtete uns, daß ein Herr von Fulda mit seinem Auto auf dem Hof wäre und verlangt den Vorstand, mit ihm nach Fulda zu kommen, um einige Kleinigkeiten zu erledigen, damit sie nach diesem abreisen können; wozu sie sich schon ganz bereit hatten, mit dem Herrn mitzufahren. Ich staunte sehr über diese Nachricht, glaubte den Worten des Herrn von Fulda gar nicht, sagte auch zu Michael Waldner: „Glaubst du, daß diese Brüder bis Mittag zurück werden sein, wie sie versprechen?“ Michael Waldner sagte: „Ich weiß es nicht, sie versprechen es doch.“ Ich sagte: „Wir werden es abwarten.“ Hans Meier machte sich in höchster Eile reisefertig mit Hans Poller und Karl Kleiderling; und sie fuhren ab.
Die ganze Gemeinde wartete mit Verlangen als es zwölf Uhr wurde; aber die Brüder kamen nicht. Es wurde zwei Uhr und auch vier, die Brüder kamen nicht. Dann gingen Michael Waldner und ich zu dem Wald auf dem Berg, von wo sie kommen sollten. Dann sahen wir ein Auto kommen, erkannten aber gleich, daß es das Auto war, mit dem die Brüder sind abgefahren.
Da gingen wir auf dasselbe zu, einer stieg aus und schritt uns entgegen. Dann fragte ich: „Wo sind die Brüder?“ „Sie sind nicht mitgekommen“, war die Antwort. Befahl mir aber gleich und sagte: „Ruf die ganze Gemeinde zusammen, wir haben Euch einen Brief vorzulesen von den Brüdern.“ Dann hat er uns den Befehl verlesen, daß wir in vierundzwanzig Stunden abreisen müssen und daß sie uns die fünf Brüder auch willigen, mitziehen zu lassen, wenn wir einwilligen, in vierundzwanzig Stunden alle den Hof zu verlassen.
Das Geschwistern war froh, weil sie von ihrem vorigen Verlangen abstanden waren, sie in Deutschland unter ihren angehörigen Verwandten zu zerstreuen, wollten sich lieber so in Freude schicken. Deswegen unterzeichneten sie alle einen Brief, daß sie den Hof werden verlassen und davon abziehen, und zu den anderen Gemeinden zu ziehen. Da aber etliche Brüder und Schwestern keinen Paß hatten, und wir die Brüder im Gefängnis noch sehen wollten vor dem Abziehen, wegen ihrer Familienangelegenheiten, so verlangte ich von dem Obersten einen Erlaubniszettel, die Brüder in Fulda zu sehen, welchen er mir auch gleich aushändigte. Als alles erledigt, fuhren sie ab.
Wir aber versammelten uns gleich zum Gebet, trösteten uns aus dem Wort Gottes. Ich hielt den dritten Psalm zur Ermahnung. Dankten Gott von Herzen, daß er es gewendet hat und also gelenkt, daß die Gemeinde konnte zu den anderen Gemeinden reisen und ziehen. Baten auch zu Gott inbrünstig, uns doch ferner nicht zu verlassen in diesem großen Kummer und Herzleid, uns doch seinen schützenden Engel zu senden, uns zu bewahren und beschützen. Nach dem Gebet wurden Zubereitungen vorgenommen für die Abreise auf den nächsten Abend.
Wir gaben ihnen auch den Rat, sich aus dem Keller heute so viel Speise als Brot, Wurst und Fleisch zu nehmen wie möglich zum Essen auf der Reise; denn es ist ihr Speisevorrat, deswegen sie nur getrost für ihre Notdurft sollen mitnehmen. Am nächsten Morgen um fünf Uhr sind wir unser sechs Geschwister nach Eichenried gefahren, nach Neuhof, um in Fulda zum Gerichtsamt zu kommen, wegen den Pässen. Auch bin ich gleich zu den Brüdern ins Gefängnis gegangen und brachte ihnen die Nachricht, daß heute um sechs Uhr nachmittags die ganze Gemeinde Deutschland wird verlassen, samt ihren Eheteilen samt Familie. Worüber sich die Brüder herzlich freuten, daß sich die Gemeinde um ihrer Familie so treulich angenommen hat.
Ich tröstete die gefangenen Brüder so gut ich nur konnte, geduldig zu sein; der liebe, gnädige Gott wird sie nicht verlassen. Es kam den ganzen Glaubensgeschwistern insgemein sehr schwer an, ihren bittern Schweiß zu verlassen und mit leerer Hand davon zu ziehen. Ich verabschiedete mich von ihnen mit schwerem Herzen von den Brüdern und ging wieder ins Gerichtsamt zu dem anderen Geschwister, um so schnell wie möglich die Pässe zu bekommen und auch die Fahrkarten alle einzureichen, welches viel Arbeit für die Beamten war. Als alles erledigt war, ging es wieder nach Haus.
Um vier Uhr nachmittags kamen wir glücklich auf dem Hof an, fanden den Michael Waldner und alles Geschwistriget beschäftigt mit Zusammenpacken und bereiteten sich für die Abreise. Um fünf Uhr wurde noch ein wenig gegessen. Nach dem Essen gingen wir noch einmal zum Gebet, für das letzte Mal auf dem Rhönbruderhof, baten Gott inbrünstig, daß er doch seine Gemeinde bewahren, beschützen und behüten wolle auf dieser Fahrt und Reise, die wir gesonnen sind, anzutreten im Vertrauen auf seine treue Verheißung, daß er uns nicht wird verlassen, sondern durch seinen Schutz und Gnade in Frieden zu seinen Kindern und Gemeinden begleiten wolle, welches unser lieber Gott auch treulich tat: hat uns alle miteinander treulich geholfen, daß wir alle schön gesund sind wieder zur Gemeinde kommen.
Und da es fast den ganzen Tag geregnet hatte, besonders nach Mittag, lag es uns schwer auf dem Herzen, wegen der kranken Kinder und auch einer kranken Schwester, weil wir über eine Meile auf den hohen Berg zu den Lastwagen gehen mussten und dabei sich sehr erkälten und erkranken mögen. Als aber die Stunde herzu kam, und ein jeder fertig stand abzureisen, wurde es auf einmal schon heller Sonnenschein. Der Regen hatte aufgehört, und die Sonne schien so klar auf uns hernieder. Das war uns ein Wunder und Gnade von Gott, und wir dankten ihm in unseren Herzen für diese liebe Wohltat.
Nun fing das Geschwistriget mit ihren kranken Kindern und mit der kranken Schwester samt ihren Bündlein, das ein jeder auf seinem Rücken tragen musste, mit Sack und Pack an, den Berg hinauf zu klettern. Michael Waldner trug ein kleines Kind auf dem Rücken. Ich trug einen großen Laden für Hans Meiers Frau, die erst vor sieben Tagen im Kindbett gewesen. Wir waren alle beladen; ein jeder hatte Hände und Rücken voll zu tragen. So ging es den Berg hinauf mit sehr schweren Herzen und betrübten Gemütern. Wir blieben etliche Male stehen und betrachteten den schönen ausgebauten Hof, die liebe Heimat, die wir so schnell und ganz unverhofft verlassen mussten. Manche gingen noch in den Totengarten zum Grab des geliebten Eberhard Arnold und beschauten es zum letzten Mal.
1941-12-10
In diesem Abschnitt werden die Aufgaben der Glieder, besonders aber des Leiters dargelegt:
Gliederung der Mitarbeiterkreise und der hauptverantwortlich Beauftragten.
Diese Gliederung der verantwortlich Beauftragten entspricht der Einheit und Freiheit des Leibes Christi, weil es nur möglich ist, daß ein einheitlicher, von einem Geist beseelter Leib durch den gegenseitigen Dienst aller seiner Glieder lebendig und wirksam bleibt. Jedes Glied hat einen einzigartigen Auftrag und eine besondere Aufgabe; die andern Glieder einer anderen ebenso einzigartigen und verantwortlichen Beauftragung und Aufgabe können und sollen nicht dasselbe tun wie jene. Der Apostel spricht deshalb von den verschiedenen Gaben desselben Geistes. Das Haupt des Leibes bleibt allein Christus. Die einstimmige Führung hat allein Sein Heiliger Geist. Aber er braucht und benutzt dazu die verschiedenen Gaben und Dienste, so auch die des Regierens und Steuerns der Gemeinde. Deshalb erkämpfen wir es schon 1922, da das Schiff des gemeinsamen Lebens der Steuerung durch einen Steuermann und seinen Gehilfen bedarf.
Das neue Testament und das Huttertum zeigt es uns klar, daß ein Hauptverantwortlicher Diener am Wort mit dieser Regierung und Steuerung beauftragt ist. Bei uns ist dieser im Namen der einstimmigen Gemeinde das volle Vertrauen genießende Dienst des alles steuernden und verantwortlichen Wortführers stets in voller Geltung gestanden. Wir haben es alle diese Jahre erlebt, daß dem Wortführer die Gabe verliehen wird, den Sinn des Willen Gottes, die Gegenwart des lebendigen Christus und die Leitung des heiligen Geistes so zu vertreten, daß er es im rechten Augenblick spürt und zur Geltung bringt, was noch unausgesprochen, in allen Gliedern der Gemeinde einstimmig, einhellig und einmütig als das Rechte und gerade jetzt notwendig empfunden wird. Besonders gilt das von solchen Unser Bote Augenblicken, in denen noch nicht ganz bewusst gewordene Gefahren und Abirrungen das Gemeinschaftsleben bedrohen. Der Wortführer. Die Aufgabe der Bruderschaft, in den Arbeitskreisen, die aus Bruderschaft, Noviziat, Helferkreis und Gästekreis aufgebaut sind, die rechte Ordnung zu halten, wird durch die hauptverantwortlichen Beauftragten der Gemeinde ins Werk gesetzt und durchgeführt. Von den vorangestellten Führergestalten der einzelnen Arbeitsabteilungen ist in dem vierten Abschnitt: Ordnung der einzelnen Arbeitsabteilungen, die Rede.
So stellen wir denn hier aus dem Auszug etliche der Gemeindeordnungen, die Andreas Ehrenpreis so im Februar 1640 und weiterhin zusammengestellt hat und aus dem Büchlein der Ordnungen unserer Vorväter in Punkten verfasst, von 1651 bis 1662 verlesen hat.
Dieser hauptverantwortliche Diener am Wort, handelt in allem im Auftrag der Gemeinde und führt für den einstimmigen Willen der Gemeinde nach innen und außen das Wort. Ihm ist es aufgetragen, das was der Gemeinde in Grundlage, Aufbau und Ordnung des gemeinsamen Lebens anvertraut ist, jederzeit und gegen jedermann zur Geltung zu bringen. Bei ihm ist also noch mehr als bei jedem anderen Glied der Bruderschaft, jedes eigenwillige Verfahren, das selbstsüchtige Hervorkommen persönlicher Macht in besonderer Weise ausgeschlossen. Umso bedeutungsvoller ist es, daß seinem Dienst, den er im Geist und Willen des Gemeindeauftrages zu vertreten hat, die größte Ehrfurcht und der treueste Gehorsam von allen Gliedern der Bruderschaft, des Noviziats, des Helferkreises und der Gäste entgegengebracht wird. Denn nicht um ihn handelt es sich, sondern um den Gott seines Volkes, um den Christen seiner Gemeinde, um den Heiligen Geist der Wahrheit und der Liebe bei allen, was er zu tun und zu sagen hat.
So hat der Wortführer dafür zu sorgen, daß kein Tag vorüber geht, ohne daß bei den gemeinsamen Mahlzeiten, in den Abendversammlungen oder in den Morgenstunden, besonders aber öfter am Sonntag, das Wort Gottes auf Grund der Heiligen Schrift und der hutterischen Bücher verkündigt wird, daß in zahlreichen Arbeitsbesprechungen und Beratungen, vor allem aber in geweihten und tiefgehenden Gemeindestunden und Bruderschaftszusammenkünften der Geist der Sache herrschend bleibt und im praktischen Leben durchgeführt wird, und daß er im täglichen Leben den Überblick über den inneren Stand und über die äußere Wohlfahrt des Bruderhofes behält und auf allen Gebieten für die beste Durchführung und Entwicklung des gemeinsamen Lebens sorgt.
So soll der Wortführer alle Arbeitsabteilungen und Gebäude des Bruderhofes fleißig besuchen; er soll in treuer Anrede, im Vermahnen und Lehren treulich anhalten, damit alle in allen Dingen besser und tüchtiger werden, denn der Wortführer ist die Gemeinde und der Dienst der Wahrheit als Lehramt und als die rechte Erziehung und Zucht aller Bruderhöfe befohlen.
Es wird von dem Wortführer erwartet und gefordert, daß er sich hüte, niemanden besonders zu bevorzugen, alles in rechter Gottesfurcht und mit allseitiger Aufmerksamkeit zu tun, wie es sich bei einem, mit dem Wort der Wahrheit, mit der Wortführung der einstimmigen Gemeinde beauftragten von Gott aus gebührt, nicht nach persönlicher Wertschätzung anzusehen oder zu handhaben, denn der wahre Glauben in Christus kann und will das nicht dulden.
Die Gemeinde soll wissen, daß es nach den Worten des neuen Testaments und nach dem Brief Peter Ridemanns der Gebühr halber eine Ordnung und ein Befehl Gottes und des Herrn Christi und auch der Apostel ist, daß der Wortführer für seinen Dienst, zumal er bei den gemeinsamen Mahlzeiten wegen seiner Aufgaben nur wenig essen kann, und zumal er mit Aufgaben und Anstrengung überlastet ist, für sein Essen eine besondere Vergünstigung durch den freien Willen der Gemeinde genießt. So hat Christus seinen Aposteln gesagt: Esset und trinket, was euch vorgetragen wird; und; Wie oft habe ich euch gesendet ohne Geld, ohne Sack und ohne Tasche, habt ihr jemals Mangel gehabt? So beweist auch der Apostel den Korinthern und hält es ihnen beständig vor. Wir können nichts dagegen tun, daß es so von Gott dem Herrn, von Christus dem Herrn, von den Aposteln, sondern Paulus, verordnet ist, und daß auch die Gemeinde des Herrn in Mähren also verordnet hat. Nur darf dies nicht so üppig und kostbar sein, wie es sich manche vorstellen. Es gibt viele, die kaum damit vorlieb nehmen würden. Der Wortführer wird diese Macht nicht zu viel gebrauchen und sich darin keiner zu großen Freiheit unterstehen. Er wird und soll wünschen, diese Vergünstigung sparsam und gebührlich zu halten.
Was das Einladen oder Vorsetzen von Essen oder Trinken durch den Wortführer betrifft, so darf der Wortführer solches Essen und Trinken maßvoll und selten bereithalten, und zwar nur bei den anstrengendsten Besprechungen und geistigen Arbeiten mit anderen Hauptverantwortlichen, so mit seinen Mitarbeitern, Haushalter, Hausmutter, Arbeitszuteiler oder Schullehrerin. Es darf dies nur bei dringendster Gelegenheit geschehen, wenn es die gemeinsame Anstrengung unbedingt erfordert. Es darf niemals unnötig geduldet oder gar übertrieben werden.
Der Wortführer ist nicht dazu verordnet, seinen Einfluß oder seine Macht dafür zu gebrauchen, irgendjemanden besonders Essen oder Trinken zu schaffen. Er soll sich nicht unterstehen, gute Sachen in die Küche zu schaffen, daß man dieses oder jenes kochen soll. Mit Semmeln und Weizenbrot soll mit besonderer Sparsamkeit und nur nach den Gesichtspunkten der Gesundheit verfahren werden.
Der Wortführer ist ohne Begünstigung Einzelner die hauptverantwortliche Fürsorge für den rechten inneren Stand und für das äußere Wohlergehen der Bruderhöfer befohlen. Der Auftrag dieses Dienstes am Wort für das innere und äußere Wohlergehen des Bruderhofes und für die Sendung der Wahrheit nach innen und außen für die Gemeinde das Wort zu führen, bedarf der stärksten Mithilfe solcher, die ihm dazu an die Seite gestellt sind, und auf ihren Einzelgebieten ihren besonderen Verantwortung unter seiner Führung arbeiten.
So stellt ihm die Gemeinde eine vertraute Arbeitskraft zur Verfügung, die hierfür das besondere Vertrauen des Bruderhofes genießt. Sie steht dem Wortführer besonders für seine schriftlichen Arbeiten zur Verfügung, für den schriftlichen Innendienst, für die Arbeit an Büchern und Schriften, für den gesamten Briefwechsel, für die Bücherverwaltung und für die Verlagsgeschäftsführung, auch für das Schreiben wertvoller Niederschriften.
Bei der Brüderverwaltung soll ihr der Arbeitsverteiler, der zugleich Gästewart ist, als Hilfskraft zur Seite stehen, auch in der Anfertigung der Bücherverzeichnisse und in der Ausgabe und Hütung der ausgegebenen Bücher. Dieser Arbeitsteiler soll dem Wortführer täglich am Morgen den Zettel über die ausgegebenen Bücher und einen anderen Zettel über die Arbeitsteilung des begonnenen Tages in sein Arbeitszimmer bringen, damit der Wortführer aufs Genaueste übersehen kann, wie an diesem Tage jedes Glied des Bruderhofes beschäftigt ist. Ferner hat der Arbeitsteiler dem Wortführer so oft als es seine Zeit erlaubt, Bericht zu erstatten, wie es um seine Verständigung mit denen steht, die den einzelnen Arbeitsgebieten vorangestellt sind, und wie es um den äußeren und den inneren Stand der Mitarbeiter, besonders von Neuangekommenen, der Unerfahrenen, der Jüngsten und der Gäste steht.
1941-11-12
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