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Menonitas no Brasil

Mennoniten in Brasilien

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25/12/2021

 

 

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Editor: Udo Siemens

Nova edição: sábados, às 13 hs

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Kommentar zur ersten Folge:

Mit großen Hoffnungen zogen die preußischen Mennoniten nach Südrussland. Dort würden sie endlich vollkommene Glaubensfreiheit erleben. Mit genug Land. Wer mit zu großer Hoffnung in ein neues Leben einsteigt, wird oft enttäuscht.

Die Gegend war vorher von Nomadenvölker bewohnt gewesen, die von den Russen vertrieben worden waren. Einige Nomaden waren geblieben und freuten sich überhaupt nicht über die Ankunft der Ausländer.

"Kein Baum noch Strauch" fanden sie vor. Wie baut man Häuser und Ställe. Die russische Regierung schickte Baumstämme den Djnepr hinunter, die wurden aber von anderen aufgefangen.

Diesen Pionieren kamen " Thränen der Enttäuschungen und der Sorgen". Man überschüttete die Leiter, Höppner und Bartsch mit Beschuldigungen. Der fleißige Höppner baute sich bald eine Hütte und einige weniger Unternehmungsfähige verdächtigten ihn des Diebstahls.

Nicht nur Katholiken brauchen ein Oberhaupt, das die geistlichen Dinge führen kann. Auch Mennoniten brauchten Älteste, die erst später aus dem weit entfernten Preußen eintrafen, und mit ihrer Autorität die Kolonie in geordnete Bahnen führten. Irgendwie erinnert mich dieses an die Streitereien der Mennoniten bei der Ankunft am Kraul. Auch sie waren ein zusammengewürfeltes Volk aus den unterschiedlichsten Dörfern Russlands, unter schweren wirtschaftlichen Verhältnissen. Auch sie brauchten wie jene in Chortitza eine gewisse Zeit bis sich Leiter herausschälten, die von allen anerkannt wurden und zur Beruhigung der Beziehungen führten.

Manche von uns haben sich schon mal daran gestört, dass wir in Mennoniten- und Brüdergemeinde aufgeteilt sind. Auch jene waren in zwei Lager gespalten: die Friesen (die kleinere, liberalere Gruppe) und die Flammen (aus Nordbelgien, die größere und strengere Gruppe).

"Das Vorrecht einer weitgehenden Selbstverwaltung schuf den russischen Mennoniten von vornherein schwere Aufgaben", denn nun musste einer von ihnen z.B. die polizeiliche Kontrolle über die Kolonie ausüben und solche, die nicht die Regeln einhalten, bestrafen. Die Russen taten es so, dass Schuldige ausgepeitscht wurden. Am Sonntag saßen jetzt in mennonitischen Kirchen der Ausgepeitschte und der Auspeitscher nebeneinander und mussten zusammen das Abendmahl nehmen. Damit sind die russischen Mennoniten bis zuletzt nicht fertig geworden, denn in unserer Vorstellung würde niemals einer von uns Macht ausüben, sei es als Schulze (prefeito) oder als Polizeimann.

 

 

 

 

 

Die Ansiedlung an der Molotschna

 

        Die ersten Dörfer. Das den Mennoniten verliehene Privilegium Pauls I., sowie die Unterordnung ihrer Kolonie unter ein besonderes Fürsorgekomitee verhieß der wirtschaftlichen Entwicklung ihrer Ansiedlungen eine gute Zukunft und weckte bei vielen in Preußen die Auswanderungslust. So kamen um 1803 an 300 Familien, von denen viele bemittelt waren. Auch sie erhielten von der russischen Regierung noch Unterstützung an Geld und Lebensmitteln. Zur Besiedlung wurde ihnen ein neues Gebiet angewiesen, - nämlich im Gouvernement Taurien, am linken Uber der Molotschna, einem kleinen Flüßchen. Das Gebiet lag etwa 100 Meilen nördlich vom Asowschen Meer. Hier wurden im Jahre 1804 längs des genannten Flüßchens 18 Dörfer angelegt, mit dem Dorfe Halbstadt als Hauptort. Das Land ist hier ebene Steppe, baumlos, aber recht fruchtbar. Da die Ansiedler bei ihren Gesinnungsgenossen in Chortitza manchen Wink über die Bearbeitung des Bodens u.s.w. einziehen konnten, so gestalteten sich ihre Verhältnisse von Anfang an recht günstig. Manche von ihnen hatten sogar zierlich gearbeitete Möbel aus der alten Heimat mitgebracht.

 

        Die Ansiedlung an der Molotschna umfaßte ein Areal von 120,000 Desjatinen. Nördlich davon lagen eine Reihe Dörfer deutscher Kolonisten lutherischer Konfession, südlich dagegen fanden sich Nogaier, ein tartarischer Volksstamm, der meistens von Viehzucht lebte, - namentlich nichts anpflanzte. Sie haßten die Mennoniten als Eindringlinge und fügten ihnen durch Räubereien viel Schaden zu, ermordeten sogar einige. Dafür ließ sie die Regierung entwaffnen. Später mußten sie das Land räumen. Auch sonst hatte die neue Ansiedlung mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Das Bauholz mußte man weit vom Dnjepr herholen. Als Brennzeug mußte das Gras und getrockneter Dünger dienen. Lange fehlte es an einem Markt. Man brachte die Produkte zuerst nach Taganrogg, bis 1833 die Hafenstadt Berdjanks angelegt wurde.

 

        Die Anlage der Dörfer vollzog man nach den Gesichtspunkten deutscher Ordnungsliebe und Nettigkeit. Jedes Dorf bestand aus 20 bis 30 Wirtschaften, deren Höfe zu beiden Seiten der Straße lagen. Die Gebäude standen weit genug von der Straße ab und von einander entfernt, um von einem geschmackvollen Obst- und Gemüsegarten umrahmt werden zu können. Längs der Straße liefen Zäune. In der Mitte des Dorfes baute man die Schule. Um das Dorf herum wurden Hecken und Waldungen angelegt. Und in großer Üppigkeit entfaltete sich der Baumwuchs und gab den auf den öden Steppen gleichsam hingezauberten Dörfern einen idyllischen Reiz. Bald rühmten die Reisenden die landwirtschaftliche Schönheit dieser Gegend. In der sogenannten "Alten Kolonie" bei Chortitz sah es romantischer und teilweise wilder aus, weil es hier eine schärfere Abwechslung von Berg und Thal gab und die rauschenden Flüsse bald die Mühlen der Ansiedler trieben. Die Ansiedlung an der Molotschna trug einen stillern Charakter, gewährte mehr das Bild eines ruhigen gemüthlichen, der Welt und ihrem Treiben abgewandten Stilllebens. Sehr anerkennend sprach sich daher der Kaiser Alexander I. über die wirtschaftliche Tüchtigkeit der Mennoniten aus, als er ihnen i. J. 1819 einen Besuch machte.

 

 

Wirtschaftliches Gedeihen der Molotschnakolonie

 

        Neue Dörfer. Die Kunde von der vorteilhaften Entwicklung der Kolonie an der Molotschna bewog in Preußen immer neue Gruppe zur Auswanderung. Obschon es nicht leicht war, loszukommen und auch 10 Prozent vorm Baarvermögen an die Regierungskasse abgeliefert werden mußte, gab es doch lange Auswandererzüge, welchen den wieten Weg nach Süd-Rußland machten. In großen, mit Leinwand bespannten Wagen zog man dahin. Somit kam es rasch zur Anlage von weiteren Dörfern, i.J. 1824 waren es schon 40. Um diese Zeit untersagte jedoch die russische Regierung die Einwanderung in der bisherigen Weise und so kamen von da an nur einzelne Familien. Rasch wurde aber das noch offene Land der Kolonie von der zunehmenden eigenen Bevölkerung besiedelt, so daß um 1860 die Zahl der Dörfer auf ca. 50 stieg, bei einer Seelenzahl von 18.000.

 

        Der landwirtschaftliche Verein, bestehend aus einer Anzahl weitblickender Männer, wurde der ganzen Kolonie zu großem Segen. Die Mennoniten sollten ja Musterwirtschaften anlegen, um damit der einheimischen Bevölkerung ein Vorbild zu geben. Um diesen Punkt zu fördern, ließ sich der Verein mit einer gewissen obrigkeitlichen Autorität ausstatten und traf nun eine Reihe weiser Anordnungen, von welchen manche drückend waren, deren Befolgung aber im ganzen das Gedeihen der Kolonie hob. Unter seiner Leitung wurde die Vieh- und Schafzucht veredelt, Maulbeer- und andere Anpflanzungen gemacht, der Seidenbau eingeführt und Wirtschaftgebäude praktischer eingerichtet. Ebenso erließ er Verordnungen, welche der etwaigen Trägheit der Wirte Schranken zog. Ein liederlicher Bauer z.B. wurde unter Vormundschaft gestellt. Wer seine Zäune nicht in stand hielt, mußte Strafe zahlen. Ärmere Familien wurden gezwungen, ihre Kinder in Dienst treten zu lassen. Die Durchführung dieser Vorschriften nahm sich freilich oft recht "russisch" aus, im ganzen aber erwuchs der Kolonie dadurch Gewinn. Mitglieder dieses Vereins, wie Philipp Wiebe, Peter Schmit und Joh. Cornies, widmeten dem landwirtschaftlichen und intellektuellen Gedeihen unseres Volkes viel Zeit und Kraft, ohne freilich viel Dankbarkeit einzuernten. Erst später hat man ihre Mühe gewürdigt.

 

        Joh. Cornies war als vieljähriger Vorsitzer des landwirtschaftlichen Vereins ein Mann von hervorragender Bedeutung. Im Jahre 1805 siedelte er, als 16 jähriger Jüngling mit seinen Eltern aus Preußen gekommen, in Orloff an und erlebte so die ärmliche Verhältnisse der ersten Zeit. Bald aber verstand er es, sich nach jeder Seite hin emporzuarbeiten. Er nahm die weiten Ländereien jener Gegen in Pacht und legte eine eigene Schäferei an, aus der eine reizend gelegene Plantage an einem Flüßchen, die Juschanlee, entstand. Hier machte er allerlei Versuche mit der Bodenkultur und Viehzucht, welche der ganzen Kolonie nützten. Von den Kulturaufgaben der Mennoniten in Rußland hatte er eine hohe Idee. So bildete er selbst von den benachbarten Tartaren junge Leute zu Landwirten aus und sandte sie dann zu ihrem Volk zurück. Ebenso wurden auf seinen Rat Judenkolonien angelegt, in deren  Mitte sich tüchtige mennonitische Bauern niederließen, um den Juden als Musterwirte zu dienen. Leider mißglückte der Versuch, da die Juden zu zäh am Schacher gingen. Besonders hohe Verdienste erwarb sich Kornies um die Hebund des Schulwesens. Er selbst hatte sich durch Lesen und Reisen ins Ausland gute Kenntnisse angeeignet und wußte mit den hohen russischen Beamten entsprechend zu verkehren, so daß die Glieder des Fürsorgekomittes gern seinen Rat einholten. Kaiser Alexander I. und Alexander II. als Thronfolger waren seine Gäste. Leider versuchte er die Linien seiner Autorität zu weit zu ziehen und auch in die kirchlichen Verhältnisse leitend einzugreifen. Im ganzen jedoch hat ihm die Kolonie viel zu verdanken. Der gelehrte Reisende v. Harhaufen bemerkte über ihn Cornies hätte das Zeug zum Gouverneur gehabt, aber er will weiter nichts sein als ein mennonitischer Bauer, der sein Taufgelübde, keine Waffen zu tragen, nicht brechen will." Er starb 1848.

 

        Die Verwaltung der Kolonie lag zunächst in den Händen der Mennoniten selbst, stand aber weiter unter dem Fürsorge-Komitee in Odessa, welches direkt mit dem Ministerium in St. Petersburg verkehrte. In diesem Komitee standen Männer, wie der Staatsrat Kontenius und Hahn, den Mennoniten sehr günstig gegenüber. An der Spitze der Kolonie stand ein sogenanntes Gebietsamt, bestehend aus angestellten Schreibern und einem Oberschulzen, der von den Vertretern der einzelnen Dörfer gewählt wurde. An der Spitze der Dörfer standen Schulzen, welche die Dorfsversammlungen zu leiten und auf Ordnung zu sehen hatten. Manche Angelegenheiten hatte jedes Dorf für sich zu ordnen, - so den Hirten, den Lehrer u.s.w. anzustellen, das Ackerland zu verteilen, für Verarmte zu sorgen u.s.w. Daß es bei Verhandlungen über diese Punkte oft zu lebhaften Debatten und auch Reibungen kam, läßt sich leicht denken. Sehr mißlich war es auch hier, daß Mennoniten in ihrer Stellung als Beamte gegen andern Mennoniten obrigkeitlich vorzugehen hatten, Widerspentige mit Gefängnishaft belegen mußten, ja sogar zur Prügelstrafe griffen. Zwischen dem mennonitischen Bekenntnis und den gegebenen Verhältnissen gab es da die peinlichsten Konflikte, welche sich oft gar nicht befriedigend lösen ließen. Besonders übel vermerkten es auch die Prediger und Ältesten, wenn ein Gemeindebruder wegen eines Vergehens auf Betrieb der mennonitischen Vorgesetzten geprügelt wurde. Sie machten letzteren darüber sehr nachdrückliche Vorstellungen. Einer der Ältesten, Namens Wiens, hatte sich darüber vor dem Staatsrat Hahn zu verantworten. Dieser sagte ihm schließlich, daß sogar er als Geistlicher auf seinen Befehl an einen Schuldigen die Stockschläge zu verabfolgen hätte. Sehr energisch aber erklärte Wiens, daß er sich so etwas nicht befehlen ließe. Infolge dieser scharfen Antwort mußte er schleunigst das Land räumen.

 

        Einen Staat im Staate bildeten somit die mennonitischen Kolonien in Südrußland. Sie wurden das Schooßkind und der Stolz der russischen Regierung. Die Selbstverwaltung der Dörfer spornte die wirtschaftliche Energie zur höchsten Leistungsfähigkeit an. Die reinen Straßen der Dörfer, die Sauberkeit in Hof und Garten, die soliden Bauten, die deutsche Akkuratesse im wirtschaftlichen Betrieb erwarben den Mennoniten hohes Lob. Gern machten Beamte hierher Besuche und erklärten, daß die Mennoniten die Frage nach Art und Weise, wie in Südrußland die Landwirtschaft lohnend betrieben werden sollte, glänzend gelöst hätten. Die wirtschaftliche Umsicht der Beamten der Kolonie zeigte sich auch darin, daß man das noch offene Land verpachtete und den Gewinn davon zum allgemeinen Besten verwendete. In jedem Dorfe baute man zudem ein Getreidemagazin, das immer gefüllt war, um in Jahren geringer Ernten aushelfen zu können. Damit war eine Bettelei der Einwohner oder eine Verarmung derselben im normalen Verlauf der Dinge so ziemlich unmöglich gemacht.

  

 

Die Schul- und kirchlichen Verhältnisse

    Sehr bescheidene Anfänge gab es natürlich auf dem Gebiet der Schule in der ersten Zeit. Irgend ein von Preußen her etwas gut geschulter Bauer mußte als Schulmeister dienen und in seiner größten Stube den Kindern etwas Lesen und Schreiben beibringen und als täglichen Schlußgesang des Einmaleins ableiern lassen. Der Stock bildete ein sehr wesentliches Unterrichtsmittel. Nachgerade baute man eigentliche Schulhäuser, aber meistens recht unpraktisch, mit niedrigen, düstern und kahlen Unterrichtsräumen. An passenden Lehrmitteln fehlte es fast gänzlich. Und hier zeigte sich eine der schwächsten Seiten der Selbstverwaltung der Kolonie. Der Bauer hatte größtenteils nur Interesse an seiner Wirtschaft und für gründliche Schulbildung wenig Sinn. Und doch hatte er lange Zeit in dieser Hinsicht die Hauptentscheidung abzugeben. Somit wuchs in den ersten 50 Jahren der Kolonie eine Jugend heran, der es bezüglich einer entsprechenden intellektuellen und religiösen Bildung sehr fehlte. Dieser Generation aber fiel ja mit der Zeit die Verwaltung der bürgerlichen und kirchlichen Verhältnisse in die Hände und da ist es nicht zu verwundern, daß es in den 50. und 60. Jahren auf diesen Gebieten schlimme Erscheinungen gab.

 

Schulfreunde. Es fanden sich bald Männer, welche die Vernachlässigung des Unterrichtswesens als eine große Gefahr für die gesunde Entwicklung ihres Volkes erkannten und einer neuen Zeit auf diesem Gebiet Bahn brachen. Sie sahen ein, daß es zunächst an vorgebildeten Lehrern fehle und so machten sie sich daran, höhere Schule einzurichten, wo neben deutschen Fächern auch die Landessprache getrieben werden sollte. So entstand 1820 die Vereinsschule in Ohrloff, und demselben Zweck diente auch die Privatschule eines reichen Gutsbesitzers, Peter Schmidt, auf Steinbach, welcher in sehr liberaler Weise junge, lernlustige Leute teils auf seiner eigenen, teils auf andern Schulen ausbilden ließ und ihnen oft die betreffenden Kosten erließ, wenn sie sich dem Schulfach widmeten. Er hat sich so in geräuschloser Weise um das Schulwesen der Kolonie große Verdienste erworben.

 

Heese und Franz. Die Lehrer machen die Schule, - das zeigt auch die Berufswirksamkeit der genannten Männer. In Heese gewann die Vereinsschule in Ohrloff einen in Deutschland vorgebildeten tüchtigen Pädagogen. In Rußland eignete er sich auch die russische Sprache an und lehrte sie meisterhaft. Im Jahre 1840 wurde er nach Chortitz berufen, um dort die Gründung einer höhern Schule unter dem Namen "Centralschule" zu leiten und derselben dann vorzustehen. Leider war sein Weg reichlich mit Dornen bestreut. Die mennonitischen Beamten, Oberschulze und Ältester, zeigten sich als kleinliche Leute von beschränktem Horizont, denen oft ihr Ehrgeiz wertvoller war als die Schulsache.

Heese hatte manchen persönlichen Hader durchzuarbeiten, bis das Schulhaus fertig und die Arbeit im Gange war. Trotzdem verlor er nicht den Glauben an die Zukunft unseres Volkes. Sein Einkommen war gering. Nebenbei scheint er sich zu viel mit Vorschlägen über wirtschaftliche Verbesserungen abgegeben zu haben. Das schwächte seinen Einfluß auf seinem eigentlichen Gebiete, da sich ein Landmann in seinem Fach nicht gern von einem Schulmeister unterrichten läßt.

Franz kam 1835 als seminaristisch gebildeter Fachmann nach Rußland und entwickelte in Privat- und Centralschulen eine rege Thätigkeit. Er war Heese's Nachfolger in Chortitz, bis er 1858 tief gekränkt von dort fortging. Er eröffnete nun in der Molotschnakolonie zu Gnadenfeld eine eigene Schule, die bald von sich reden machte. Er gab klaren, faßlichen Unterricht und viele seiner Schüler haben sich als sehr tüchtige Dorfschulmeister bewährt. Leider litt er bei einem starken Selbstgefühl an einem großen Mangel an Selbstbeherrschung und so kam es in seinem Schulzimmer zu schlimmen Szenen. Abgesehen davon hat er aber auf seine Schüler intellektuell und religiös tief eingewirkt, so daß ihm viele für die erhaltenen Anregungen zu einer soliden Charakterbildung dauernde Dankbarkeit bewahrten. Durch die Herausgabe von Rechentafeln und besonders eines guten Choralbuches hat er das Schulwesen der Kolonie wesentlich gefördert. In großer Rüstigkeit feierte er sein 50 jähriges Amtsjubiläum. Wenige Jahre darauf ging er heim.

In eigener Sache

 Die letzte Ausgabe

              

dieses Jahres. Nun gehe ich in Ferien und hoffe, so Gott will, im Februar diese Arbeit wieder aufzunehmen.

    Zum Abschied biete ich einen Rückblick von Themen, besonders dieses Jahres. Das bedeutendste war die Veröffentlichung der Autobiographie von Wilhelm Hübert. Sie kann hier nachgelesen werden. Eine Auswahl von Themen habe ich unten aufgelistet. Ich wünsche allen gesegnete Weihnachten, ein neues Jahr mit dem Herrn und eine erholsame Ferienzeit!

  Euer Udo Siemens

 
 

Familienporträts

Die Ahnen Katharina und David Unruh

Mit den Enkeln Jenny (ganz links), Horst Manfred (Mitte)

und Monica (ganz rechts)

Stehend, von links, Sohn Johann und seine Frau Lili,

Regina(Inge) mit Söhnchen Norbert und Manfred

Die Enkelinnen gehören dem Sohn Johann

und die Jungen dem Sohn Manfred.

Das Foto stammt wahrscheinlich aus dem Jahre 1966.

 

Katharina Klassen Unruh ist am 30. April 1907, in Südrussland, Altkolonie, Steinfeld, geboren, 10 Jahre vor der Sowjetischen Revolution und Machtübernahme in Russland. Als Kind ist sie gebrechlich und kränklich. Wird das Kind überleben? Leblangs hatte sie ein schwaches Herz. Als sie 61 Jahre alt ist, will man ihr, - in den sechziger Jahren, einen Herzschrittmacher (Marcapasso) einbauen, ein ganz neues Verfahren. Sie und ihr Mann schrecken davor zurück: „Das will ich nicht. Diese Ärzte wollen an mir studieren. Dazu bin ich nicht da.           

Dann hat Gott also mein Ende schon vorgesehen.“ Später stirbt sie an Herzversagen.

       David Unruh, geb. am 4.2.1908, verliert neunjährig Vater und Mutter. Könnte das der Grund sein, dass er durchs ganze Leben die Welt durch eine dunkle Brille sah?  Nach dem frühzeitigen Tod der Eltern wird er zu Tante Maria geschickt, 100 km weit ab, damals eine grosse Entfernung. Er bleibt drei Jahre. Dann wird er zu seinem Bruder geholt und bleibt bei ihm neun Jahre. Warum der Umzug? Den Grund dafür hat man vergessen.

      Auf der Reise nach Brasilien steht nun David, 22jährig, als einziger aus seiner Familie auf dem Schiff. Auf dem selben Schiff ist auch Katharina Klassen, 23jährig, begleitet von ihrer Schwester. Wegen Probleme mit der Lunge wird diese von der Blumeninsel zurück nach Deutschland geschickt. Den Verlust ihrer Schwester hat sie aber scheinbar gut überwinden können, denn gerade diese zwei, familienlose, haben auf dem Schiff zueinander gefunden. Am 6.2.32 heiraten sie am Kraul.

     David und Katharina wurden drei Söhne geboren: Johann Unruh, der mit Familie nach Kanada gezogen ist, der zweite starb im Kindesalter und der jüngste, Manfred Unruh, wohnhaft in Curitiba.

    Katharina wurde im Jahre 1948, mit 41 Jahren getauft. Das scheint so der Fall vieler Eingewanderter zu sein, dass sie erst spät zur Bekehrung und Taufe fanden. Steht irgendwo registriert, wie viele Erwachsene bei der Einwanderung schon bekehrt waren? Die Zahl solcher, die der Gemeinde fern standen, scheint hoch zu sein. Warum wohl? Waren die Mennoniten im allgemeinen so gottlos in Russland? Oder war es so, dass Revolution und die Wirren der Verfolgung und Flucht sie vom Glauben abgehalten haben? Müsste sie diese Ereignisse nicht erst recht zum Glauben getrieben haben?

Ich frage ihren Sohn Manfred, warum seine Mutter so spät zum Glauben fand. „Dafür gibt es eine Erklärung. Sie wollte im jugendlichen Alter, es war noch in Russland, in die Gemeinde eintreten. Vor der Taufe hörte man sich ihr Zeugnis an und die Gemeinde meinte, sie sei noch nicht reif genug. Da kamen die Wirren der Auswanderung und die schwierigen Zeiten am Kraul. Das hat sie wohl von diesem Schritt abgehalten.“

     Sie war von Natur her eine sehr vorsichtige Person. Ich nehme an, dass die Abweisung in Russland sie verunsichert hat. Als Gemeindeleiter habe ich immer befürwortet, solche „unreifen“ Teenager und Jugendliche lieber in der Gemeinde aufzunehmen als sie draußen warten zu lassen. Es ist sicherer, sie in der Gemeinde als außerhalb der Gemeinde heranreifen zu lassen.

     David hatte wenig Geduld mit seinen Kindern. Als die Söhne lernen wollten, hatte er wenig Verständnis dafür, wenn immer neue Bücher gekauft werden mussten.

    Er zählte mal auf, wie oft er im Leben umzogen ist: 39 mal. Kann man da auf eine gewisse Unruh-e und Unbeständigkeit schließen?

    Katharina hatte scheinbar eine geheime Verbindung mit Tieren. Als sie mal aus der Stadt mit der Straßenbahn nach Hause kam, sie wohnten noch in der Nähe von der República Argentina, stand ihre einzige Kuh auf den Gleisen. Der Bahnführer hupte, aber die Kuh rührte sich nicht. Sture Kuh! Die Bahn hielt, Katharina stieg aus, und als ob die Kuh auf sie gewartet hatte, folgte sie treu ihrer Herrin nach Hause.

     Die Tiere liebten sie. Als das Ehepaar mal paar Tage auf Reisen ging, war der Sohn beauftragt, den Hund zu füttern. So oft er hinging und neues Futter vor ihn stellte, rührte der nichts an. Warum frisst der Hund nicht? Als die Hausherren zurückkehrten, erfuhr Manfred, dass er ein bisschen Zucker über das Futter hätte streuen müssen. Oder war es doch so, dass der Hund gegen die Abwesenheit seiner Herrin protestierte?

    Ihre Hühner begleiteten sie in den Garten und waren ständig um sie her. Wenn mal eine geschlachtet werden sollte, dann verfolgte der Hund die Henne, legte eine Pfote auf sie, dass sie still hielt und Katharina sie fangen konnte. Dann kam die Tötung der Henne, ach tat ihr das weh! Da erfand sie einen Spruch, um diese schwere Aufgabe zu erfüllen. In einer Hand hielt sie den Kopf der herabhängenden Henne, mit der anderen das scharfe Messer und bei diesem für sie so schrecklichen Akt wiederholte sie den Spruch: „Mose hat geboten, schneiden hin und her!“

     Regina, ihre Schwiegertochter, noch etwas jung bei der Heirat, zog in ihre Nähe. Sie erinnert sich: „Ich wurde von ihr wie eine Tochter aufgenommen. Das Zwiebackbacken habe ich bei ihr zu Ende gelernt.“

     Schon im vorgeschrittenen Alter arbeitete David als Nachtwächter. Über Tag musste er schlafen. Katharina kam dann oft zur Schwiegertochter und verbrachte den Tag bei ihr.

In der Kirche saß sie gern auf der letzten Bank. Das hatte seinen Grund: So hatte sie eine bessere Übersicht. Oft geschah es, dass sich jemand unwohl fühlte, oder ohnmächtig wurde. Da war „Taunte Tin“, so war sie auf Plattdeutsch bekannt, mit einem Glas Wasser und erster Hilfeleistung bereit.

     Sie war ihrem Mann sehr untertänig, resigniert und dankbar, vielleicht zu sehr. Der Sohn Manfred erinnert sich an keine einzige Diskussion zwischen Vater und Mutter. Wenn es mal dazu kam, für sie Schuhe zu kaufen, dann nahm ihr Mann David Maß an einem alten Schuh und ging ins Geschäft und brachte ihr „neue“ Schuhe, irgendwelche. Wenn er für sich Stoff kaufte, um einen Anzug nähen zu lassen, dann bat er um das gleiche Maß des selben Stoffes, damit sie sich ein Kleid nähen könnte. War ihr das egal? Wahrscheinlich. Vielleicht gehörte es zu ihrem Verständnis von Untertänigkeit. Wenn der Mann zum Haarschneider ging, nahm er auch die Frau mit. Der Friseur musste flexibel sein.

     Als sie merkte, dass es zu Ende ging, rief sie ihren Mann ans Sterbebett, streifte ihren Ehering ab und überreichte ihn David mit der Anweisung: „Ich gebe dir den Ring zurück. Du bist noch jung. Bleib nicht allein!“

     Sie starb am 22.08.1968. Sie war leblangs schwach und leidend gewesen. In der letzten Phase ihres Lebens schrieb sie dieses Gedicht in ihr Tagebuch:

Letzter Wunsch

Wenn ich begraben werde –

so lasst das Rühmen sein!

Mit Erde und mit Schweigen

Bedecket meinen Schrein.

Nicht brauch ich Lobgesänge

aus weitem Trauerkreis,

denn vor dem höchsten Richter

gilt keines Menschen Preis!

Wenn ich begraben werde,

so lasst das Trauern sein!

Denkt, dass ein müder Wandrer

nun ging zur Ruhe ein,

der einsam weiterwankte,

bis ihn verließ die Kraft.

O lasst mich ruhig schlafen

nach harter Wanderschaft.

Gute Nacht!  (03.12.1966)

    Als ihr Nachlass aufgearbeitet wurde, fand ihre Schwiegertochter einen Zettel. Sie hatte gerne Gedichte aufgeschrieben und es auch mal gewagt, einige persönliche Worte zu verfassen. Dieser Zettel aber ergriff die Schwiegertochter und auch den Witwer als er den Text las: „Ich bin so einsam.“

    Untertänige Menschen, von anderen immer abhängig, laufen Gefahr zu wenig in ihr eigenes Leben zu investieren, das eigene Leben zu wenig selbst zu gestalten. Sie haben es gelernt, von anderen  Befehle zu bekommen und die Wünsche anderer zu erfüllen. Wenn sie dann mal freie Zeit haben, wissen sie oft nicht, wie diese sinnvoll erfüllt werden könnte.

     Als Katharina, seine Frau, gestorben war, hackte David all die Blumen im Garten aus, da sollten keine Blumen mehr blühen. Für ihn war das Leben vorbei. Zum Essen ging er dreimal am Tag rüber zur Schwiegertochter.

     Nachdem David ein Jahr verwitwet war, kam er eines Tages seinen Sohn und die Schwiegertochter fragen, ob sie damit einverstanden wären, wenn er noch mal heiraten würde. Wie kam er zu seiner zweiten Gattin? Jeden Tag ging er bis Familie Ens, um Milch zu holen. Agathe wohnte da und sorgte für ihre Mutter. Da kam ihm der Gedanke, diese Frau zu heiraten. Agathe war 47 Jahre alt.

     Sie lehnte es ab, weil sie die Mutter versorgen wollte. Er wandte ein: „Ich kann dir dabei helfen.“ Da nahm sie es an und brachte die sehr pflegebedürftige Mutter mit. Das war dann keine leichte Aufgabe. Auch nicht für ihn.

     An einem der ersten Sonntage, als er zur Kirche gehen wollte, meinte er zu seiner kürzlich angeheirateten Frau: „Meine Schuhe sind nicht geputzt!“ Sie, kurz und trocken: „Hast du sie dir nicht geputzt?“ Von da an wusste er Bescheid, dass das seine Aufgabe war. Wer zum zweiten Mal heiratet, muss oft umlernen. Wenn er mal einen Nagel in ein Brett bringen wollte, hatte die erste Frau immer den Nagel gehalten. Es war genug, wenn er die Last des Hammers trug. Jetzt musste er es lernen, Nagel und Hammer alleine zu meistern.

    Eines Tages planten sie, er und Agathe, den alten Backofen abzureissen. Er begab sich zur Arbeit und wartete und wartete, aber die Frau kam nicht. Nach einer Weile ging er rein und fragte: „Wollten wir heute nicht den Backofen abreissen?“ Darauf Agathe erstaunt, aber schlagfertig: „Machen wir es dann lieber so, du machst hier die Küchenarbeit und ich gehe den Ofen abreissen?!“ Pause: „Kannst du es nicht selber machen?“

    Irgendwann stellte er seinem Sohn seufzend fest: „Ich muss mich umstellen.“ Er hat sich umgestellt. Sie haben sich gut verstanden. Diese zweite Ehe dauerte 23 Jahre. 
 

Aus dem Tagebuch von David Unruh

​    Mein Vater Johann Unruh wurde am 30. April 1866 geboren. Das sind jetzt hundert Jahre. 1908 zogen meine Eltern aus dem Dorf Gnadenfeld, Molotschna, nach Sibirien.

    Unser Vater, Johann Unruh, ist zu wiederholten Malen Dorfvorsteher gewesen; war auch Gehilfe des Oberschulzen. In Zeitabständen musste er die Jünglinge zur Kreisstadt Barnaul begleiten, wo er sich bezüglich der Privilegien für sie verwendete.

   Vater wurde auch zum Predigtdienst gewählt, nahm aber die Kandidatur nicht an.

   Alles musste im Stall seinen bestimmten Platz haben. Auf der neuen Siedlung wurden Dorfsbrunnen gegraben. Sie waren tief, bis zu 40m und darüber. Dorthin mussten wir die Pferde zur Tränke führen. Vater befahl uns, auf den Hinweg im Gehschritt und auf dem Rückweg im Trippelgang zu reiten. Peter war sonst der Gehorsamste von uns Brüdern. Einmal aber gelüstete es ihm, einem Pferde, das einen besonderen zierlichen Gang hatte, freien Lauf zu lassen. Es wurde Vater unterbracht, dass Peter Galopp geritten wäre. Zur Strafe dafür, musste Peter das Pferd drei Wochen zu Fuss hin und zurück führen. Widerspruch war nicht erlaubt.

   Eine andere Begebenheit. Vater und Bruder Heinrich gruben drinnen Keller. Wir vier jüngeren Brüder mussten im Garten Unkraut jäten. Nun ging es unter uns ziemlich laut her. Das hörte Vater. Er konnte laut pfeifen. Das kannten wir gut und wussten seine Bedeutung. Der Vater rief uns und nötigte uns, in den Keller zu steigen, was wir auch schweren Herzens taten. Hier zahlte er uns nach Verdienst aus und schickte uns wieder auf Arbeit mit der Bemerkung, Ordnung zu halten, damit sich die Prozedur nicht zu wiederholen brauchte.

    Im September 1917 gedachten meine Eltern die Silberhochzeit zu feiern. Da durchkreuzte der unerbittliche Tod diesen Plan. Im Mai desselben Jahren starb die Mutter an Schlag und im September der Vater am selben Leiden (51 J.).

    In diesem Jahr hatten wir eine ganz reiche Ernte. Alles wurde verkauft und brachte ein ganz schönes Geld ein. Durch den Umsturz und die Revolution wurde unser ganzes Erbgut auf der Bank wertlos und ging verloren. Mein Bruder Heinrich war im Kriegsdienst. Vier Brüder und zwei Schwestern gingen zu fremden Leuten. Ich kam zu Tante Marie, Vaters Schwester, 100 km vom Heimatdorf entfernt. Dort blieb ich drei Jahre, dann neun Jahre bei meinem Bruder Heinrich.

    Im Jahre 1929 begab ich mich als junger Kavalier nach Moskau, wo sich 17 tausend Menschen um Ausreiseerlaubnis bemühten. Um ein Haar wäre alles schief gegangen. Ich wurde gefangen genommen und blieb 54 Stunden im Gefängnis Buterka. Hier versprach ich schriftlich, freiwillig in die Heimat zurückzufahren. Daraufhin kam ich frei, konnte aber drei Wochen später mit fünf tausend anderen das Rote Tor passieren und in die ersehnte Freiheit gelangen. Wir kamen nach Brasilien, andere nach Paraguay und Kanada.

    Meine ganze Reise dauerte 12 Wochen, drei Wochen in Moskau, drei in Hammerstein und drei in Moelln, in Deutschland, drei Wochen auf dem Atlantischen Ozean. Die Reise nach Deutschland machten wir mit dem Zug. Das Schiff, das uns nach Brasilien brachte, war der Dampfer Monte Olivia.

    Während der Seefahrt wurde ich am 4. Februar 1930 22 Jahre alt. Am nächsten Tage betraten wir brasilianischen Boden. Ein kleiner Dampfer, der schon 36 Jahre gelaufen hatte, nahm uns auf. Der Kapitän, nachher bekannte er es, war noch nie in einer solchen Sturmesnot gewesen, wir wir sie in der nächsten Nacht erlebten. Am 18. Februar kamen wir auf unser Land.

    Auf der Reise hatte der gute Herr mir eine treue Ehegattin geschenkt. Am 6. Februar 1932 durfte ich mit Katharina Klassen die grüne Hochzeit feiern. Am Hochzeitstage hatten wir viel Regen.

    Arm und schwer war der Anfang. 1939 zogen wir von Santa Catarina nach Curitiba. Der Herr schenkte uns zwei Kinder, Hans (29.01.33) und Manfred (30.05.38). Im Jahre 1957 feierten wir an einem schönen Tage unsere Silberhochzeit. Dem lieben Gott die Ehre

  

   Am 24.12.63, Heiligen Abend, steigt David in den Kombi seines Arbeitsgebers Abram G. Ens ein, er ist schon in der Nähe seiner Arbeit, wo er als Nachtwächter dient. Auf dieser kurzen Strecke haben sie einen schweren Unfall, in dem David Unruh und Wolly (Waldemar Ens), der Sohn von Abram schwer verletzt und bewusstlos werden.

    Das Ereignis ergreift Herrn Ens so sehr, dass er am Tag darauf, Weihnachten 1963, folgendes Gedicht verfasst:

Heiliger Abend

Wer führte mich zum Heiligen Abend,

Mit Mutti, Wolli, froh erhabend

Im Kombi zu dem grossen Saal,

Dem Herrn zu Lob im Christbaumstrahl?

          So wie’s der Vater immer kann,

         So hat er es auch jetzt getan;

        Am Heiligen Abend uns erfreut

        Und unseren Glauben frisch erneut.

Als wir dann auf dem Rückweg fuhren

Und kamen auf des Unruh’s Spuren,

Da luden wir ihn freundlich ein,

Er trat nun in den Kombi ein.

       Indem wir von dem Abend sprachen,

       Von Freude und der Kinder Lachen,

      Da blitzte plötzlich uns ein Licht,

      Und weiter – weiter weiss ich nicht ...

O Gott, wo bist Du, wo bin ich?

Es ist ja hier so fürchterlich,

Ein Durcheinander Stoss um Stoss,

Wo ist denn meine Frau nur bloss?

      So schrie ich, schaute vorne hin;

      Da kam mir Wolli in den Sinn.

      Wo bist Du, Wolli? Unruh, du?

      Wo seid ihr in einem Nu?

O Gott, so schrie ich, Mutti, sieh‘!

Die Männer liegen dort allhie!

Tot sind sie nun die beiden still,

Ist das nun, was der Vater will?

      Die Polizei, der Wagen kam

     Und fuhr nun an die beiden ran;

     Sie schleppten sie und zogen rasch

     Und fuhren schnell jetzt gleich darnach.

O Gott, Du Vater Jesus Christ,

Ist das die Liebe, die Du bist?

So rief ich einsam in dem Wagen

An Wolli’s Seite mit den Plagen.

     O Gott, so schrie ich zeige mir,

     Ist Wolli jetzt schon dort bei Dir?

     Wenn nicht, so will ich es gleich wissen!

    Sonst geht mein Glaube schon in Rissen.

Da rührte kräftig Wolli’s Finger

In meiner Hand – ach, ich Geringer,

schrie ich zu Gott, bin ich es wert?

Dass mein Gebet ist gleich erhört?

     Ich konnte Loben, fast mit Singen,

     In diesem Wagen, trotz dem Ringen,

    Denn schwer war Wolli’s Kopf in Händen.

    Wann wird die Reise nur beenden?

Der Herr half sichtbar nun fortan.

Am Tisch, zum Arzte ging es ran;

Den Kopf genäht, das Blut erfrischt,

‚ne kleine Sache ist es nicht.

    Nur danken, jauchzen konnten wir,

    Denn nun war auch die Frau bei mir;

    Und Wolli lebt, und Unruh rührt,

    Dass es mir fast die Luft abschnürt.

Nun konnten wir darüber sprechen.

Nichts Böses gab‘s bei uns zu rächen.

In Loben, Ehren und in Preisen

Das waren Worte von den Reisen.

     Als nun im Bett die beiden lagen,

    Befreit von Reisen, diesen Plagen,

    Da rührten sich auch mehr die Glieder

    Bei Unruh und bei Wolli wieder.

Die ganze Nacht im Krankenhause

War ich ganz ohne Pause,

Hielt Wolli’s Arm bald fest, bald lose,

Und Unruh machte viel Getose.

     Der arme Mann lag tief in Schmerzen;

    Das ging die Schwestern sehr zu Herzen.

    Viel Blut, viel Soro und viel Luft,

    Das riss ihn aus des Todes Kluft,

Halb fünf Uhr morgens in der Still,

Da war es nun des Vaters Will,

Dass Wolli sagte nun zu mir:

Ich bin dein Kind; wo bin ich hier?

    Die Worte waren mehr als Gold,

    So lieblich weich und auch so hold;

    Gott war mit Hilfe sichtbar nah,

    Als dieses in der Nacht geschah.

     Geschrieben am 25.12.63                                                                 

     Curitiba, - Abram G. Ens

 

 

Familie Johann und Aganetha Klassen

Foto wohl aus dem Jahr 1960

(Die Zahlen vor den Namen deuten auf die Reihenfolge der Geburt)

Erste Reihe: von links nach rechts 1. Reihe: (1S)Francisco Wiens, (4S)Alfredo Koop, (1S)Pedro Wiens, (3T)Huldi Klassen, (3T)Elfriede Klassen, (4T)Ruth u. (4T)Irmgard Koop; 

2. Reihe von links: Oma Wiens, die Mutter von João Wiens,

Die Ahnen Aganetha und Johann Klassen

Heinrich und Susana Kasper, gute Freunde

3.Reihe: (1M)João Wiens, (3T)Anelise Klassen, (4T)Elizabeth u. (4T)Marlene Koop, (1)Liese Wiens, (3F)Anna Klassen, (4)Margarida Koop;    

4.Reihe: (3)João Klassen, (1S)Ernesto, (1S)Henrique u. (1S)João Wiens (Buba)

Letzte Reihe: (4M)João Koop (4T)Úrsula, (1S)Paulo Wiens, (2S)Hans Heini Berg, Sohn der verstorbenen Tochter (2)Neta

Johann und Aganetha (Krahn) Klassen

      Sie feierten ihre Goldene Hochzeit am 16.09.1961, Xaxim, Curitiba. Diesbezüglich erschien ein Text über sie in einer nordamerikanischen Zeitung der Mennoniten. Daraus entnehme ich einige Informationen:

    „Der Herr ist immer treu gewesen und hat stets geholfen!“

     Beide sind in Steinfeld, Ukraine geboren. 1910 wurden sie auf das Bekenntnis ihres Glaubens getauft. Sie heirateten am 13.09.1911. Johann Klassen hat im 1. Weltkrieg als Sanitäter gedient. Sie wanderten 1929 nach Brasilien aus, wo sie 1936 am Krauel ihre Silberhochzeit feierten. Dort wurde er zum Diakon gewählt und 1947 in Boqueirão ordiniert. Am Krauel starben ihnen zwei erwachsene Kinder.

    Die Enkelin Huldi Klassen ergänzte weitere Informationen:

    „Opa diente als Diakon, ich erinnere mich aber nicht daran, ihn mal öffentlich sprechen gehört zu haben. Wahrscheinlich auch weil wir verschiedenen Gemeinden angehörten. Ich weiß aber, dass er viel Gutes tat. Viele suchten seine Hilfe und seinen Rat, weil er sich als Laientierarzt betätigte. Er liebte Pferde. Meiner Erinnerung nach war Oma eine energische Frau, Opa dagegen sehr freundlich und entgegenkommend.

     Wenn ich aus der Schule kam - sie wohnten ganz in der Nähe der Schule -, dann hatte Oma immer ein Stückchen Schokolade bereit. Wenn ich mal zum Nachmittagskaffee da war, streichte Oma mir ein Butterbrot und der Opa sagte dann: „Tu noch ein bisschen mehr Butter drauf!“

    Opa war ein weiser und gelehrter Mann, alles selbst gelesen und gelernt. Als Veterinär wurde er weit und breit geachtet. Er strahlte viel Gütigkeit aus. Er hatte viel Geduld und unterhielt sich gern mit uns Enkelkindern. Er erzählte gern über den Krieg und über Russland.“

     Mein Schwager Manfred Unruh machte mich darauf aufmerksam, dass es im Buch "Pioniere" von Peter Pauls einen Bericht von Grete Klassen Koop gibt, wo sie folgendes über ihren Vater erzählt: "In Russland hatte Vater 36 Pferde, Pferde für Kutsche und Wagen, für Pflug und Dreschmaschine. Vaters Bruder erntete viele Trauben und machte Wein. Er ließ sich jedes Jahr an die tausend Weinstecklinge aus Frankreich kommen."

     Das heißt, die Klassens gehörten zu den wohlhabenden Mennoniten in Russland. Sie hatten z.B. Pferde, die ausschließlich für die Fahrt zur Kirche und Spazierfahrten dienten, andere um die Dreschmaschine zu ziehen usw. Und "Stecklinge aus Frankreich": ein höchst kostspieliger Aufwand, um immer besseren Wein herstellen zu können.  

    Das gibt einen guten Einblick darüber, was für riesengroße Umstellung es bedeutet haben muss, sich auf das bitterarme Leben am Kraul umzustellen.

    Der Enkelsohn, Hans Heini Baerg, heute in Kanada, wuchs nach dem Tod seiner Mutter bei ihnen auf. Er schreibt:

     "Opa war ein fleißiger Schüler der Bibel, er liebte die Geschichten des Alten Testaments und der Psalmen. Sein Ruf zum Dienst war eindeutig die Diakonenarbeit. Mit seiner Frau hat er viele Kranken besucht. Die Vorbereitung des Abendmahltisches am 1.Sonntag des Monats war oft seine Aufgabe.

    Wenn Opa mittwochs das Gebet in der Kirche leitete, war es sehr bedeutungsvoll für mich, weil er nicht predigte, er las eine Bibelgeschichte, gab eine Erklärung so wie eine kurze persönliche Erfahrung und rief die Gemeinde zum Gebet auf, darauf folgten viele Gebete der Anwesenden.

    Ich, Hans Heini, bin bei Opa und Oma aufgewachsen, sie waren mir Eltern und die besten Großeltern, die man sich wünschen kann.

    Es gab tatsächlich einen Bonus für das Zusammenleben mit ihnen, denn wenn ein Enkelkind zu Besuch kam, wurde ich auch verwöhnt. Es gab immer entweder ein Schokoladenbrot oder Erdbeeren aus ihrem Garten oder frischen Zwieback.

    Opa und Oma waren nicht darauf aus, Reichtümer anzusammeln. Ihr Wunsch war es, einen Segen in der Gemeinde zu sein und Gott zu dienen.

    Als Lar Betesda gebaut wurde, machte Opa seinen täglichen Spaziergang zur Baustelle, ermutigte die Arbeiter und erzählte ihnen, was für ein wichtiges Projekt dies war. Aber als das Haus fertig war, kam jemand auf ihn zu, um seinen Namen auf die Liste der zukünftigen Einwohner zu setzen. Da blieb er vom Heim für eine Weile weg.

    Am Ende, nachdem Oma gestorben war, wurde Lar Betesda zu seinem zweiten Zuhause. Es gefiel ihm, wie er dort gepflegt wurde. Dort lernte er Frau Goossen kennen und sein Enkel Francisco Wiens segnete das Paar. Diese Vereinigung dauerte nicht lange, denn Frau Goossen starb bald.

    Opa wurde 99 Jahre alt und freute sich auf den Tag, an dem Jesus ihn nach Hause rief (15.11.1982).

    Ich werde für immer dankbar sein für das Heim, das Gott mir nach dem Tod meiner Mutter gegeben hat."                             Hans Heini Baerg

Familie Jakob Töws

Jakob und Lena Töws hatten 8 Kinder. Die Zahlen vor dem Namen deuten auf die Reihenfolge der Geburt, also von (1)Johann, der älteste bis (8) Rudy, der achte und letzte. Vor den Kindernamen steht ebenfalls eine Nummer, z.B. „(1T)Lili Marlene“, das heisst, sie ist T = die Tochter von (1) Johann. (2M)Arthur Krüger bedeutet Arthur ist der Mann von Susana, die zweitgeborene in der Familie Töws

Hinterste Reihe:

(4)Peter, (1)Johann, (8)Rudy, (1S)João Guilherme, (6)Olga Tows Wallmann, (6M) Germano Wallmann mit Sohn, (3)Lena Tows Unruh, (5)Werner

Mittlere Reihe:

(4e) Elisabeth Peters Tows mit Baby Marlyn, (1e)Elisabet Pankratz Tows, (1S)Dietmar,

Die Ahnen Jakob Töws mit Frau Lena

(7)David, (5F)Erika Sohn Tows mit Mario, (2)Susana Tows Krüger mit Sohn Albert Krüger, (2M)Arthur Krüger mit Sohn Arnold Krüger.

Vordere Reihe:

(3S)Henrique Unruh, (3f)Walter Unruh, (2T)Karin Krüger, (2T)Elisabeth Krüger, (1T)Lili Marlene, (4T)Vivian, (3f)Huldi Unruh. Vorne sitzend (3S)Hardy Unruh

    Jakob Töws (MBG-Boq), ein schlichter und leiser Mann, trotz großer Fähigkeiten und Verdiensten in der mennonitischen Gemeinschaft in Boqueirão, Ctba. Er baute Häuser aus Holz und Stein, er ist der Baumeister des früheren Gemeinschaftssaales (1955), der auf dem Hof der Erasto Gaertner Schule stand, ein schwieriges Unterfangen, denn der immense Bau wurde nur von den Seitenpfeilern gestützt. Er war ebenso am Bau der ersten Kirche (1946-48) beteiligt, die noch heute zu sehen ist.

    Er ist 1908 in Russland geboren. Er kam mit Frau Lena nach Brasilien, mit dem ersten Sohn schwanger, zuerst zum Krauel, später dann nach Curitiba.

   Er, der leblangs das Kranksein nicht kennengelernt hat, starb 71jährig an den Folgen der Entzündung eines verrosteten Stacheldrahtzaunes.

   Geschichte beginnt erst da, wo sie aufgezeichnet wird, wenn jemand sie aufschreibt und versucht sie zu deuten. Was geschehen ist, egal wie bedeutsam es gewesen sein mag, fällt ins Meer der Vergessenheit, verrinnt wie der Sand am Meer, außer jemand zeichnet es auf, pickt besondere Merkmale heraus, macht Vergangenes sichtbar und hält diese Einsichten schriftlich fest.

 

Familie Peter Wieler

Hintere Reihe:

(3)Peter Wieler; (6)Franz Peter  Wieler; (2) Maria (Marle); (4F) Elizabeth Spenst, (4) Jacob; (5)Katarina (Kähti); (7) João Geraldo, (1M)Johann Dück

Zwischen der letzten und ersten Reihe die Jungen, von links nach rechts (4S) Bruno; (1S)João Dück Filho (Hardi); (1S) Pedro Érico Dück

Vordere Reihe:

(3T) Ruth, (3F) Hildegard Badensia Pankratz mit (3S)Werner 

Die Ahnen Anna Siemens Wieler und Peter Wieler

  (1)Anna Wieler Dück mit (1S)Heinz Duck, (1T)Ellen Anemarie 

     Das Bild stammt aus dem Jahr 1957. Sechs Personen aus dem Bild sind noch unter uns.

     Nur der Mensch ist dazu fähig, einen Blick in die Vergangenheit zu werfen und dann feststellen, was aus ihr geworden ist. Tiere leben immer im Jetzt, wir aber können uns als Glied einer Kette erkennen. Das macht uns demütig, aber es ermöglicht uns auch Einsichten, die uns erlauben unser Hier und Heute um so bewusster nachzugehen. 

      Herr Peter Wieler hatte keine Milchwirtschaft. Ich erinnere mich daran, wie ich auf seinen Hof kam, ungefähr neunjährig, und es gab dort keine Kühe. Was macht dieser Mann? Wovon lebt seine Familie? Da zeigte man mir lange niedrige Scheunen, ohne Seitenwände. Was macht er da? Er stellt Ziegeln und Dachsteinen her.

     Diese Kunst hatte er schon in Russland ausgeübt. Hatte er sie eventuell von seinem Vater gelernt? Ich bekam keine Antwort darauf. Am Kraul öffnete er eine Ziegelei und dann in Curitiba. Ein mühseliges Unterfangen, denn um den geeigneten Ton zu finden, mussten seine Söhne oft sehr weit fahren.

     1947 sollte eine neue Kaserne gebaut werden, die in Boqueirão an der Marechal Floriano? - das wurde nicht aufgeschrieben. Auf jeden Fall wandten sich die Baumeister an Herrn Wieler mit einer außergewöhnlichen Bestellung, sie bestellten 100 tausend Ziegeln. Herr Wieler, ein sehr leiser Mann, vorsichtig und nachdenklich, konnte sich nicht so recht darüber erfreuen. Wie sollte er den ganzen Ton herbeischaffen und danach die fertigen Ziegeln zur Baustelle bringen?  Das sei kein Problem, meinte man. Man besorgte ihm einen besonderen Kredit für den Kauf eines Lastwagens, der sich ja durch die Riesenbestellung tilgen lassen könnte.

Hintere Reihevon links nach rechts (3) Lydia (verheiratet mit Peter Ens); (4) Johann (mit Maria Isaak); (6) Victor (mit Gisela Epp), (5) Anna (mit Peter Pauls) 

Vordere Reihe:

Die Ahnen Agnes und Wilhelm Janzen

  zwischen ihnen (7) Ernesto

       

Familie Wilhelm Janzen 

    

     Diese Familie hat die Anfänge der Mennoniten in Brasilien mitgemacht und mitgestaltet. Bei dieser Veröffentlichung durfte ich glücklicherweise mit der Hilfe einer Enkelin, Ingried Janzen Huebert, Aceguá, rechnen. Sie erzählt:

   "Mein Großvater Wilhelm Janzen wurde 1898 in Rosengart, Südrussland geboren. Dort besuchte er die Dorfschule. 1913 siedelten seine Eltern nach Sibirien um. Sie kauften im Omskerkreis eine Wirtschaft. Er begann noch mal die Schule, aber wegen der Wirtschaftskrise gab er es auf und half zu Hause mit.

    Er hat ein Jahr in der Kaiserzeit Forstarbeit geleistet. Als der Bürgerkrieg kam, wurde er auf ein Jahr und drei Monate in die Weiße Armee eingezogen. In einem von ihm hinterlassenen Text erzählt er, dass von 5 einberufenen Jünglingen, zwei nicht zurückgekehrt sind. Er berichtet: "Ich hatte das Vorrecht als 12jähriger Knabe im Elternhause den Heiland als meinen Erlöser anzunehmen. In der Dienstzeit fing der Herr ein Neues mit mir an und ich durfte bald darauf, als das erste Tauffest stattfand, mit vielen Dienstkameraden, im Ganzen 28 an der Zahl, dem Herrn Jesus in der Taufe folgen. Damit wurde ich in der M.B.Gemeinde aufgenommen. Im Jahre 1921 feierten wir, ich mit Marichen Epp, unsere grüne Hochzeit. Unser Eheleben war von kurzer Dauer. Schon im Jahre 1927 nahm der Herr meine Frau nach längerem Leiden von meiner Seite. Nach einer schweren und einsamen Zeit, schenkte der Herr mir dann die zweite Frau, Agnes Regier (1928)."

   Schon in Russland war er auf geistlicher Ebene tätig als Sonntagsschullehrer, Jugendleitergehilfe und dann auch als Prediger.

   Darüber schreibt er: "Ältester J. Huebert als Nachbar besuchte mich oft und gab mir Unterweisungen und Ratschläge für die Vorbereitung zu einer Predigt mit der Bemerkung, den Geiste Gottes walten zu lassen. Predigerkurse konnten zu der Zeit schon nicht mehr durchgeführt werden." 

   Sie verbrachten die ersten Jahren in Brasilien am Krauel. 1939 zogen sie nach Curitiba, wo sie eine Milchwirtschaft gründeten. Er wurde in der Gemeinde in Boqueirão als Prediger eingesegnet. Ist dieser Akt als eine Bestätigung seines Predigtdienstes zu verstehen? Das lässt sich heute nicht mehr klären.

    1952 zogen sie nach Colônia Nova, wo zur Milchwirtschaft die Landwirtschaft hinzukam.

   Leider sind meine Erinnerungen über ihn verblast. Ich weiß aber, dass ich gern in das Haus meiner Großeltern ging. Sie waren zu uns Enkeln sehr liebevoll. Großvater war sehr ruhig, Großmutter 

war etwas hektischer, es ging ihr nie schnell genug. Eine Tante erinnert sich eines typischen Wortes bei ihnen zu Hause: „Schnell beten, essen“, um gleich wieder an die Arbeit zu kommen.

   Großvater war hier in Colônia Nova immer mit Gemeindefragen und –arbeit beschäftigt, wo er als Prediger und Gemeindeleiter (1958-1960) diente. Großmutter und Kinder mussten Haus, Hof und Milchwirtschaft bestellen.

    1960 zogen sie nach Curitiba, Vila Guaíra, wo er wieder als Prediger tätig war. Von dieser Zeit gibt es das Zeugnis einer Enkelin, Bruna Janzen, die in ihrer Nähe wohnte. Sie berichtet: "Oma ging es gesundheitlich nicht gut. Opa kochte, putzte, machte die Einkäufe. Sie hatten auch viele Blumen und Pflanzen, alles sehr sauber und ordentlich. Hinter dem Haus hatte Opa einen Gemüsegarten. Da gab es Süßkartoffeln, Brombeeren - ach wie schmeckten die gut! - und wenn die Ernte gut war, kochten sie Mus."

     Das ging solange, "bis die Tage herankamen, von denen man sagen kann, sie gefallen mir nicht" (seine Worte).

    Die letzten Jahre ihres Lebens verbrachten sie in Lar Betesda, Curitiba. Oma war oft krank und wurde liebevoll von ihrem Mann gepflegt. Er starb dort im Alter von 90 Jahren starb.

    Großmutter zog dann zu ihrer Tochter Lydia, in Cuiabá, MT, wo sie im Alter von 97 Jahren heimging.

Familie Peter Hamm

Erste Reihevon links nach rechts 1. Reihe: (3S)Geraldo, (4S)Harri Klassen, (3S)Rodolfo, (3S)Pedro, (1T)Alice Friesen, (1S)Helmut Friesen, (4S)Harri, (1T)Ingrid Klassen, (3T)Hildi, (5T)Elfriede; 

2. Reihe von links: (6F)Frida Hamm mit (6S)João Herbert, (4)Aganeta mit (4T)Katarina;

Die Ahnen Susana Hamm mit Enkelin (4T)Suzana Klassen

und Peter Hamm mit Enkel (4S)Roberto

Missionarin Ana aus Paraguay, (3F)Elza mit (3T)Maria, (5)Anna H. Klassen mit (5S)Voldemar Klassen (Pelé), (5T)Huldi Klassen, stehend (2)Käthi Hamm;

3.Reihe: (6)João mit Pedro Fritbert, (4M)Hans Klassen, (1)Suzana H. Friesen, (1M)Bernardo Friesen mit (1S)Victor, (7)Martha Hamm, (3)Pedro Hamm Filho, (5M)João Klassen, (1T)Elvira Friesen,   

Letzte Reihe: (1T)Maria Friesen, (4T)Waldtraud Klassen, (4S)João Eurico Klassen, (3T)Helena, (5T)Anelise Klassen, (4T)Dorotéia Klassen, (4T)Edite Klassen, (1S)Pedro Friesen 

Es fehlt der jüngste Sohn (8)Henrique (Ney)

Prediger Peter Hamm

Auszüge aus dem Nachruf in Bibel und Pflug (20.12.78):

      Peter Hamm wurde in der Memriker Ansiedlung, Dorf Nordheim, Ukraine, am 26. November 1895 als zwölftes Kind geboren. Als noch Jüngling fuhr er mit seiner Schwester, die leidend war, zum Kurort im Kaukasus, wo sie freudig, dem Herrn ergeben, starb. Er war alleine da, um sie zu beerdigen. Ihr freudiges, friedevolles Abscheiden führte ihn zum lebendigen Glauben an seinen Heiland, und er wurde im Juni 1912 getauft und in der MB-Gemeinde aufgenommen.

      Früh verlor er seine Eltern, kurz nacheinander. In unserer Mutter Susanna fand er seine Lebensgefährtin, mit der er 1918 in den Ehestand trat. Es wurden ihnen 9 Kinder geboren, von denen eine Tochter im Kindesalter starb. Mit seinen Eltern verließ er 1929 Russland.

     Sie kamen am 23. Juli 1931 auf Stolz Plateau an. Es war sehr schwer, der Anfang im Urwald. Vaters Gesundheit und Kräfte waren nicht gut, so entschlossen sie sich, nach Curitiba zu ziehen. Die Reise mit dem Pferdewagen dauerte zehn Tage. Zuerst in Pilarzinho, dann 1936 in Boqueirão, wo sie eine Milchwirtschaft führten.

       Seine erste Predigt hielt er noch in Russland, im Jahre 1927. Er war ein Liebhaber der Musik und des Gesanges und leitete viele Jahre den Chor in Russland, in den Flüchtlingslagern und später in Brasilien. Von Prediger Gerhard Rosenfeld wurde er auf Stolz Plateau ordiniert.

      Mit Ältesten Jacob Hübert und Ältesten David Koop zusammen haben sie dann in den Anfangsjahren auch hier in Curitiba die Gemeinden gegründet und gebaut, wodurch sie sich eng verbunden fühlten. Er hat 45 Jahre als Prediger gedient, und als Ältester Jacob Hübert 1947 in den Ruhestand trat, hat er 10 Jahre die MBG geleitet. Er hatte keine theologische Ausbildung, aber der Herr hat ihm viel Gnade geschenkt und somit ist er vielen zum Segen geworden.

     Er hat auch viel zum Bau der Schulen und Kirchen beigetragen, auch bei der Gründung des Friedhofes und der ersten portugiesischen Missionskirche der MBG in Curitiba. Kein Bettler ging an seiner Tür vorbei, dem er nicht etwas gab. Er war beliebt bei jung und alt und auch bei den Brasilianern. Sie hätten noch ihre Diamantene Hochzeit feiern können, hätte der Herr nicht unsere liebe Mutter im Alter von 84 abgerufen.

     Kampf und Leid sind ihm nicht erspart geblieben. Am 29. August (78) wurden die Schmerzen groß. Er betete mit einigen Kindern; dankte Gott, dass er ihm immer geholfen hatte und bat ihn auch, ihm jetzt nahe zu sein. Gegen Morgen, den 30. August, nach einem kurzen Todeskampf, durfte er heimgehen. Seine letzten Worte waren: „Der Heiland kommt“.

      Er hinterließ 8 Kinder, 47 Enkeln und 10 Urenkel.

Gezeichnet von Susanna Hamm Friesen

Wie ich ihn sehe

    Ich kann mich noch an ihn erinnern, als er schon ein sehr alter und gebrechlicher Mann war. Ich sehe es noch, wie Pr. Jacob Dück ihn kurz vor dem Gottesdienst am Eingang der neuen Kirche fragte, ob er ein Einleitungsgebet sprechen könnte. Ich stand nebenbei und sah, wie er es ablehnte. Da erklärte mir Bruder Dück, dass er ihn damit nicht schon am Tag vorher beauftragen konnte, denn das würde ihn zu sehr aufregen und den Schlaf der Nacht rauben.

       Ich fragte seinen Enkel, João Herbert Hamm, ob er sich noch an den Opa erinnere. „Und ob“, meinte er. „Die ganze Familie hegt eine sehr liebevolle Erinnerung an ihn. Ich weiß noch, wie ich auf den ersten Bänken saß und den Predigten meines Großvaters zuhörte. Zu Weihnachten versammelte sich die ganze Familie bei ihm zu Hause. Jeder bekam ein Geschenk. Wir sangen alle und beteten zusammen.“

     Mein Vater und meine Mutter sprachen mit großem Respekt von ihm. Er leitete die Gemeinde in den Perioden von 1936-37; 1947-57; 1959-61. Der von der Familie verfasste Nachruf unterließ verständlicherweise die polemischen Aspekte seiner Biographie, besonders die Tatsache, dass nach seiner Wahl als Gemeindeleiter im Jahre 1959 eine Gruppe von 47 Personen, darunter viele Vorstandsmitglieder, die Gemeinde verließ und eine neue Gemeinde in Xaxim gründete.

      Warum geschah das? Wenn man in „Die russlanddeutschen Mennoniten in Brasilien“ von Peter P. Klassen nachliest (Band 2, St.154-160), dann erfährt man, dass eine Gruppe jüngerer eifriger Geschwister ein Bibelstudium bei Lehrer Hans Legiehn abgeschlossen hatte und nun eine strengere Gemeindezucht forderte, sei es wegen der Beigabe von Wasser bei der in der Stadt abgelieferten Milch oder die Verhaltensweisen von Jugendlichen, z.B. das Flirten.

      Eine Frau, die in jenen Jahren der Krise geheiratet hat, berichtet folgende Episode, die einen guten Einblick gibt: „Nach meiner Hochzeit mit einem Ungläubigen – mein Mann war damals noch nicht bekehrt – wurde ich deswegen von der Gemeinde ausgeschlossen. Neun Monate später kamen zwei Prediger zu Besuch und baten, dass ich doch zur Gemeinde zurückkehren sollte. Sie machten mir einen Vorschlag: „Komm vor die Versammlung und sag, dass es dir leid tut, einen ungläubigen Mann geheiratet zu haben.“ Darauf erwiderte ich: „Das stimmt aber nicht. Das kann ich nicht sagen.“ Ich sollte dann eben ohne diese Erklärung vor die Gemeinde kommen. Das tat ich, wurde aufgenommen und wenige Monate später bekehrte sich mein Mann und ließ sich taufen.“

       Diese Absolventen des Bibelstudiums forderten eben eine strengere Haltung als die, die von Peter Hamm durchgeführt wurde. Auf einer Gemeindestunde erklärte Peter Hamm seine Haltung: „Ich möchte nicht weniger Brüder und Schwestern haben als unser Erlöser“ (St. 159). Diese mildere Haltung seinerseits wurde von dieser Gruppe übel genommen und es kam zur Gemeindespaltung.

Familie Franz Kroeker

Erste Reihe, liegend: von links nach rechts (9)Hugo, (10)Henrique; 

2. Reihe von links, Kinder: (2T)Maria Luisa Gortz (Loewen), (3S)Francisco Gortz Neto, (4T)Judite Kröker (Pauls), (3T)Monica Gortz (Boschmann), (2T)Helga Gortz (Winter), (2T)Hannelore Gortz (Warkentin), (1T)Marlene Kröker (Winter)

3.Reihe, Erwachsene, sitzend: (5F)Erna Dück Kroeker, (4F)Selma Enns Kroeker mit (4T)Karin Kröker (Jahn), (1F)Lena Warkentin Kröker mit Friedbert Kröker,

Die Ahnen Susanna mit (6T)Rosemary Friesen 

und Prediger Franz Kroeker mit (2S)Heinz Bernhard Gortz,

(2)Maria Kroeker Gortz, (3)Elizabeth Kroeker Gortz mit (3T)Susy Gortz (Janzen), (6)Charlotte Kroeker Friesen

Letzte Reihe, stehend: (5)David mit (5S)Valdemar, (4)Franz Kröker Filho, (1)Hans, (7)Anni Kroeker Neufeldt, (8)Alfredo, (2M)Jacob Gortz, (3M)Francisco Gortz Filho, (6M)Helmuth Friesen, (2T)Gertrud Gortz (Hamm)

 

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  Franz und Susanna Kroeker

     

    Franz Kroeker ist 1892 in Russland, in der Krim, geboren, Susanna kam 1902 auf die Welt. Als sie 1922 geheiratet haben, war sie erst 19 Jahre alt, er schon 30 und ordinierter Prediger der Mennonitengemeinde. Sie zogen auf zwei Jahre nach Sibirien, um als Prediger zu dienen. Selbstverständlich musste er nebenbei auch für ihren Unterhalt aufkommen. Als sich die Lage in Russland verschlechterte, beschlossen auch sie ins Ausland zu gehen. Prediger wurden damals besonders verfolgt.

    In Moskau lebten bis fünf Mennoniten-familien in einem Haus. Eines Tages hatte er eine Eingebung und teilte sie den anderen Hausgenossen mit: „In 21 Tagen werden wir ausreisen.“ Einer fragte: „Woher hast du das?“ Darauf antwortete Franz (nach Jes.55.12.) „Ihr werdet in Frieden ausziehen.“ „Das glaube ich nicht“, reagierte jener. Darauf Kroeker: „Ich habe es von oben.“ Dieser Hausgenosse verkündete: „Ich halte es hier nicht mehr aus. Verkauf mir dein Haus und Vieh! Wir gehen zurück.“ Das Geschäft fiel Franz nicht schwer. So bekam er zusätzliches Geld für die lange Zeit der Ungewissheit, die ihnen bevorstand.

    Als sie Russland verließen, hatten sie vier Kinder, das jüngste, der 10 Monate alte Franz, starb bald danach. In dem langen Aufenthalt in Deutschland wurde ihnen ein Junge geboren. Der erhielt wieder den Namen Franz.

    Erst 1931 kamen sie zum Krauel. Der Sohn Alfredo hat seinen Vater als ein sehr mutiger und entschiedener Mann in Erinnerung. Als die Naziwelle die Mennoniten am Krauel erfasste, stand eines Tages einer dieser Anhänger Hitlers auf und schlug vor, zu Beginn des Gottesdienstes nicht mehr ein Gebet zu sprechen, sondern es durch ein „Heil, Hitler!“ zu ersetzen. Das erboste den Prediger Franz, dass er sich auf Lautem dagegen empörte. Er war ein unerschrockener Streiter für die Wahrheit. Seitdem waren manche Mennoniten, besonders in führenden Kreisen, ihm nicht mehr gut gesonnen. Es kam soweit, dass er in der lokalen Kooperative weder kaufen noch verkaufen durfte.

    1939 zog die Familie Kroeker nach Curitiba. Er liebte die Wahrheit und war immer bereit, dafür den Preis zu zahlen. Alfredo erinnert sich daran, dass er in der Schule von einem Lehrer besonders hart bestraft wurde, gerade weil dieser Wut auf seinen Vater hatte. Prediger Franz Kroeker hatte diesen Lehrer in einem sündigen Verhalten entlarvt.

    Sie gehörten jetzt der Brüdergemeinde an. Als Spannungen entstanden, besonders mit anderen Predigern, beschloß er, als Reaktion auf eine freundliche Annäherung von Ältesten David Koop, zur Mennonitengemeinde überzugehen. Bald durfte er dort aber auch nicht mehr seinem größten Verlangen nachgehen, nämlich dem Dienst auf der Kanzel.

    Nach seinem Tod 1959 wechselte seine Frau Susanna in die MBG-Xaxim. Sie erklärte, dass sie damit dem Wunsch ihres verstorbenen Mannes folgte.

    Die Enkelin Helga Winter erinnert sich daran, dass die Großeltern die verheirateten Kinder regelmäßig besuchten, „ich glaube, einmal pro Woche. Sie kamen mit dem Pferdewagen. Ich erinnere mich, dass ich dann immer mitfahren wollte. Wenn meine Eltern es erlaubten, dann nahm mich Opa auf den Schoß und erzählte mir Geschichten aus der Bibel. Einen Satz, den ich von ihm behalten habe: ‚Mein Haus ist nicht mein Gott‘. Ich war noch Kind, aber der Satz blieb mir sitzen.

    An Oma kann ich mich besser erinnern, denn sie blieb länger unter uns. Sie strickte und häckelte gern. Die Puppen unserer Tochter bekamen neue Kleider immer wenn Oma merkte, dass dieses notwendig war. Sie wurde in der Familie auch dafür berühmt, dass sie uns warme Schuhe strickte. Alle bekamen zum Geburtstag diese Schuhe – und die Familie war groß, denn es gab viele Enkel und Urenkel.

    Es geschah auch ein sehr trauriges Ereignis in der Familie, als zwei ihrer Söhne und zwei Schwiegertöchter bei einem Autounfall im Süden Brasiliens ums Leben kamen. Das traf sie sehr, aber sie tröstete sich damit, das Gott keine Fehler macht.“

    Die Enkeltochter Marlene Winter erinnert sich daran, dass „Oma sehr gut kochte und wunderbar backen konnte. Oma und Opa bekamen immer viel Besuch und machten auch viele Besuche. Sie sangen gerne zusammen. Opa schrieb auch Gedichte.“

    Ich fragte seinen Sohn Alfredo, warum es so lange gedauert hat, bis er und eine Reihe seiner Geschwister zum Glauben fanden. „Weißt du, Udo, es kam mal ein Missionar aus dem Norden zur Brüdergemeinde in Curitiba. Er hieß Seibel. Der kam ins Haus und wollte ohne Taktgefühl uns zur Bekehrung zwingen. Dagegen haben wir uns aufgelehnt.“ Ich erwiderte Alfredo, dass mir diese Erklärung ungenügend vorkam. Da fiel ihm folgendes ein:„Ich erinnere mich“, erzählte er weiter, „dass auch meine Mutter diese Frage dem Vater mal vorlegte: ‚Warum dauert es so lange, bis unsere Kinder zum Glauben kommen?‘ Der Vater antwortete kurz: ‚Alles hat seine Zeit!‘“

   Tochter Charlotte Friesen, Kanada, schickte folgenden Beitrag:  „Unser Vater hat es immer sehr gut gemeint, aber er war sehr streng mit uns, denn wir waren doch Predigerskinder.

   Einmal pro Monat fuhr er zum Stadtteil Portão um einzukaufen. Was er alles kaufte, habe ich schon vergessen, aber an die große Öldose und den Sack Mehl kann ich mich noch erinnern. Nur eines der Kinder durfte mitfahren, er brauchte viel Platz auf dem Pferdewagen für die Einkäufe. Wer mitfuhr, bekam dann im Geschäft einen bis heute unvergesslichen Genuss, ein Glas Capilé, künstlich gesüßter Sirup.

   Nachdem das Heu gemäht war, diente das Feld als Fussballplatz. Ich liebte es, mit meinen Brüdern Fussball zu spielen.

   Meine Schwester Anni und ich mussten abwechselnd unseren schon verheirateten Schwestern beim Kinderhüten helfen.

   Vater brachte oft Besuch mit nach Hause. Anni und ich mussten dann beim Bedienen helfen. Bei einer Gelegenheit bat der Vater, dass ich dem Besuch die Hand reichen sollte. Ungeschickterweise reichte ich ihm die linke Hand. Er ignorierte mich. Schnell kam der Vater herbei und bat mich, ihm die rechte Hand zu reichen. Ich war wohl ungefähr 12 Jahre alt.

   Wenn Vater jemanden besuchte, wollte er immer eine Kleinigkeit, vielleicht ein Paar Kekse mitnehmen.  Unsere Familie war groß und die Mittel waren knapp, aber Mutter fand immer etwas, das Vater einem Kranken bringen konnte. Wenn der Besuch einer Witwe oder allein stehenden Frau galt, dann musste Mutter ihn begleiten.

   Unsere Mutter war eine sehr tapfere Frau. Oft musste sie neben der Mittagessen für die Familie noch eine besondere Speise für Vater vorbereiten, da er Probleme mit seinem Verdauungssystem hatte. Er vertrug zum Beispiel kein frisches Brot, auch nichts Gebratenes.

   Noch etwas Lustiges zum Abschluss: Die Enkelinnen Trudi (Gertrudes Hamm) und Luxa (Maria Luiza Loewen) besuchten eines Tages die Großeltern. Sie waren noch Kinder. Als Mutter bei einer Gelegenheit auf eine Leiter steigen wollte und dabei schien Angst zu haben von der Leiter zu fallen, breitete die kleine Luxa ihr Kleidchen aus und ermutigte die Großmutter: 'Kannst ruhig aufsteigen, Oma. Wenn du fällst, dann werde ich dich hier auffangen!'“

    Der Sohn Hugo hat folgende Erinnerungen mitgeteilt: "Unsere Eltern sind uns Kindern und Enkeln in liebevoller Erinnerung geblieben. Vater war Prediger und widmete sich der Familie und der Herde. Sonntags, wenn er im Gottesdienst predigte, saßen wir drei Jüngsten auf der Bank neben der Kanzel, während er predigte.

   Als Familie halfen wir in der Milchwirtschaft mit beim Melken, die Kühe füttern und hüten. Im Zimmer der Eltern gab es einen Kamin. In Winterabenden versammelten wir uns dort. Mutter saß neben dem Kamin, legte Holz nach, stopfte Strümpfe und ordnete unsere Kleider. Vater lag schon im Bett, wir drei Buben neben ihm, da erzählte er uns Geschichten aus der Bibel mit solcher Begeisterung, dass ich es nie vergessen habe. Neben der Bibel erinnere mich auch an die Mennonitische Rundschau, der Bote und Das Beste.

   In den letzten Jahren schrieb er seine Lebensgeschichte in Reimform, wo er Episoden seiner Jugendzeit bis seine letzten Jahre darstellte. Das wurde ein wahres Kunstwerk. Er war darin wirklich von Gott begnadet. Sein Lieblingslied, das er oft mit Mutter sang, war: 'Die Zeit ist kurz, oh Mensch sei weise!'“

Nachbemerkungen:

  1. Am Krauel war Prediger Franz Kroeker Sekretär des KfK, das Komitee, das für gemeindliche Fragen verantwortlich war. In der Ausführung dieser Aufgabe geriet er in Konflikt mit der Siedlungsleitung. Der Konflikt wird in P.P.Klassen, Band I, St.222-225 ausführlich geschildert.

  2. Ich stieß auf einen 60seitigen Lebensbericht von Herrn Kroeker, den ich für diese Ausgabe nicht mehr einbeziehen konnte. Er nimmt darin bezug auf manche historischen Begebenheiten der Mennoniten in Brasilien. Vielleicht macht es sich möglich, später Auszüge daraus zu veröffentlichen.

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