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Das tragische Ende

der Danzig- Westpreußischen Mennoniten Gemeinden

am Ende des 2. Weltkrieges

 

     Ein lieber Leser dieser Internetseite, Hans Ulrich Kliewer, Witmarsum, Pr., hat mir einen sehr interessanten Text zugeschickt, denn ich gerne, etwas gekürzt, veröffentliche.

    Er ist mit einer Mennonitin aus Uruguay verheiratet und dadurch bekam er zufälligen Zugang zu dem Text, den ich nun in zwei Ausgaben wiedergebe.

Er handelt über die Mennoniten, die NICHT nach Russland gezogen waren, sondern in Westpreussen blieben.

    Wie verlief deren Geschichte? Die Geschichte unserer Vorfahren, die 1789 und in den darauffolgenden Jahren nach Neurussland (Ukraine) zogen, ist uns geläufiger. Aber wie verlief die Geschichte jener, die zurückblieben, die nun allmählich in Deutschland hineingezwungen wurden? Die nun immer stärkerem Druck ausgesetzt waren, "echte" Deutsche zu werden, z.B. auch dadurch dass ihre Söhne in den Militärdienst gingen? Und als dann Deutschland nach dem 1. Weltkrieg am Boden lag, sich vor der ganzen Welt gedemütigt fühlte, dann aber Hitler auftrat und Deutschland wieder gross machte, wie reagierten sie auf Hitler? Und als dann das Kriegsende kam und die russischen Truppen einmarschierten, was wurde aus ihren Dörfern und Heimen, in denen sie nun Jahrhunderte gelebt hatten?

    Bruno Ewert war der Älteste einer jener betroffenen Gemeinden, denen es gelang sich nach Dänemark zu retten und dann mit einer Gruppe nach Uruguay zog.

    Er erzählt uns diese Geschichte, die Hans Ulrich bei einem Besuch bei seinen Schwiegereltern in Uruguay kopierte, dessen Original aber danach verloren ging, nun aber als Kopie bei ihm gesichert ist, daraus ich Ausschnitte wiedergebe.

    Der folgende Text wurde vom Ältesten Bruno Ewert in Oksböl, Dänemark geschrieben, wohin eine Gruppe Mennoniten am Ende des Krieges geflohen war.

Das tragische Ende

der Danzig- Westpreußischen Mennoniten Gemeinden

von Ältesten Bruno Ewert, Gemeinde Heubuden, jetzt in Oksböl (Dänemark)

 

     Gar viel ist schon über unser Mennonitenvolk geschrieben worden, auch über Westpreußen

(Wo lag Westpreussen? Hier, und Ostpreussen).  Wenn ich über die letzten 20 Jahre berichten will, so muss ich doch zum besseren Verständnis des Gesagten bis an den Anfang der Siedlung zurückgreifen. Leider habe ich zu wenig Literatur gerettet, um ganz genaue Daten zu bringen, ich bitte dies zu berücksichtigen und zu entschuldigen.

    Soviel ich weiß, sind bald nach der Gründung unserer Täufergemeinschaft in das damals polnische Gebiet der Weichsel Taufgesinnte gezogen, so um 1530 nach Danzig. Dass schon mehrere Gemeinden in Westpreußen bestanden, beweist der Brief Mennos vom Jahre 1549, der zur Einigung der beiden Täuferrichtungen Friesen und Flamen ermahnte.

    Überall wurden Gemeinden gegründet, und schon 1562 wird das tief gelegene Gebiet um die jetzige Stadt Tiegenhof von Mennoniten, meist flämischen (aus Nordbelgien) Ursprungs besiedelt (Das damalige Tiegenhof auf der Karte, heute Nowy Dwór Gdański), die große Erfahrung mit der Urbarmachung von Sumpfgelände hatten und auch nach wenig Jahren aus dem Schilf fruchtbares Weide- und Ackerland schufen. Viel Handarbeit, Fleiß und Schweiß war allenthalben notwendig, um Entwässerungsmühlen zu bauen, unendlich viel Gräben zu ziehen, Polderdämme aufzuschütten  und auch die schon früher angelegten Flutdämme zu erhöhen gegen das Hochwasser der Flüsse.

    Die Gemeinde Danzig (Hier), erstmals 1569 erwähnt, war wohl die älteste von allen Westpreußischen Mennonitengemeinden, deren erster Ältester Hans Siemens, Rosenort, im Jahre 1639 gewählt wurde. Bis dahin ist diese Gemeinde von dem Ältesten der Gemeinde Danzig mit Taufe und Abendmahl bedient worden, hatte aber eigene Prediger (Lehrer), die in den Häusern hin und her in den Dörfern Versammlungen abhielten.

    In einem alten Bericht darüber heißt es: Für ihre Andachten wählten die Einwanderer große Stuben oder im Sommer gute Scheunen und Kuhställe, “die sauber gereinigt und mit grünem Kraut ausgelaubet waren". Gesungen wurde bis etwa 1700 in den Versammlungen nicht, was wohl damit zusammenhing, dass den Mennoniten in Westpreußen erst 1694 vom polnischen König Gottesdienstfreiheit gewährt wurde (Wie war die Stimmung in mennonitischen Gottesdiensten OHNE Gesang, über 100 Jahre lang, weil die Mächtigen es verboten?).

    Etwa um 1695 wird den Mennoniten in Westpreußen volle Religionsfreiheit gewährt. Um 1720 wird eine Mennonitische Gemeinde in Königsberg erwähnt. 1720 wählt die Gemeinde Elbing- Ellerwald den ersten Ältesten Hermann Janzen. Jede Gemeinde hatte ihre eigenen Prediger und Diakone, behielten aber einen gemeinsamen Ältesten (Man brauchte unbedingt ein Oberhaupt, der das letzte Wort hatte). 1768 erhalten verschiedene Gemeinden vom Bischof die Erlaubnis, ein Bethaus zu bauen, nur durfte es sich nicht von gewöhnlichen Wohnhäusern unterscheiden (mit einem das Strohdach überragenden Schornstein). Um 1800 entwickelt sich reges Gemeindeleben. (Zwar hatten die Mennoniten Glaubensfreiheit, aber ihre Versammlungshäuser sollten nicht wie Kirchen aussehen, um ja keine Fremde anzuziehen. Also absolutes Missionsverbot.)

     Wie viele Eingaben, Reisen von Deputierten der Gemeinden waren notwendig, damit die Mennoniten ihres Glaubens leben konnten, dass sie ihre Grundstücke behielten, Handwerk und Gewerbe treiben konnten. Wie oft drohen ihnen auch in Westpreußen Ausweisung, Konfiskation ihrer Güter, Bestrafung und Gewalttat. Wie viel Gebet und Flehen um Hilfe und Gnade in aller Not und Bedrängnis, aber auch viel Lob und Dank für erfahrene Hilfe ist in jenen Jahren zu Gottes Thron emporgestiegen.

     Denn auch wirtschaftlich gab es manche Enttäuschung. Wie oft wurde jahrzehntelange Arbeit und Mühe, schweren und nassen Boden ertragreich zu machen, über Nacht zunichte gemacht durch das Hochwasser der Weichsel, wenn durch Eis-Stauungen der Damm brach und ungeheure Wassermengen sich in die blühenden Fluren ergossen, meilenweit alles Land unter Wasser setzte und fruchtbarste Felder versandete (Die mennonitischen Dörfer lagen auf trockengelegtem Sumpf. Früher, bei Hochwasser hatte sich die Weichsel immer über viele Kilometer in die Niederung verbreitet. Die Mennoniten hatten den Fluss mit Dämmen eingeengt, und das Wasser der Sümpfe mit Pumpen in den Fluss hinaufgeführt. Manchmal aber stieg der Fluss so sehr, dass die Deiche brachen und das ganze Land mit seinen Pflanzungen und Häuser unter Wasser kam).

     Wie viel Mühe und Arbeit, dann die Dämme wieder instand setzen, die beschädigten Gebäude zu reparieren, Gräben neu zu ziehen, wie oft war die Ernte auf Jahre ganz vernichtet. Wenn nicht immer wieder die gegenseitige Hilfe die Not der am schwersten Betroffenen gelindert hätte, es wäre für sehr viele zum Verzagen gewesen. So aber blieben sie der Scholle treu, auf bessere Zeiten hoffend.

     Aber die neue Not anderer Art zwang doch viele fortzuziehen, es mangelte an Land für die Söhne. In Polen war den Mennoniten volle Wehrfreiheit zugesichert. Als nun bei der Teilung Polens das Danziger Gebiet als Provinz Westpreußen zu Preußen kam, wohnten etwa 15000 Mennoniten dort. Bei der Huldigungsfeier in Marienburg am 7. September 1777 wurde dem König Friedrich II. eine Bittschrift überreicht, worin die Mennoniten, um die Bestätigung ihrer bisherigen Duldungs-Privilegien baten, die ihnen durch 200 Jahre von den polnischen Königen gewährt worden waren.   (Als Preussen, Russland und Österreich sich Polen aufteilten. Hier)

     Die Bittschrift hatte Erfolg. Der große König ließ bekanntlich jeden nach seiner Fasson selig werden. Der Geburtenüberschuss der Mennoniten war beträchtlich, sodass trotz Teilung der Wirtschaften der Landbesitz der einzelnen Familien zu klein wurde. Dies geht deutlich aus einer Aufstellung aus dem Jahre 1774 hervor, wo z. B. in der Gemeinde Tiegenhagen, die damals 1736 Seelen zählte, kam pro Kopf nur 2,1 Morgen Land (1 Morgen = 2.000 bis 5.000 m²).

     Im Jahre 1787 reist eine Deputation zwecks Landkauf nach Berlin, was aber nicht den gewünschten Erfolg hat. Denn als zur selben Zeit Katharina II. von Russland ihre Agenten nach Westpreußen schickt, um Ansiedler für Südrussland zu gewinnen, folgen viele landhungrige Mennoniten diesem Rufe und damit beginnt eine über 100 Jahre dauernde Auswanderung.

    Westpreußen wurde für lange Zeit das Mutterland für viele aufblühende Siedlungen in Russland und Amerika. Es war nicht Abenteuerlust oder Vaterlandslosigkeit, die den Mennoniten den Wanderstab in die Hand drückten, sondern das Bestreben, nach ihren Glaubensgrundsätzen zu leben, vor allem das Prinzip der Wehrlosigkeit aufrecht zu erhalten, um das sie dauernd in der alten Heimat kämpfen mussten.

    Die Zielländer sicherten Wehrlosigkeit zu und sie zogen, wenn auch schweren Herzens, in die Ferne, Verwandte und Freunde zurücklassend. Die Zurückbleibenden, die zum größten Teil wieder die Grundstücke der Abziehenden übernahmen, hatten es durch Fleiß und Sparsamkeit zu bescheidenem Wohlstand gebracht. Das erregte den Neid anderer Bewohner, deren Dörfer besonders auf den Außenländereien mit Mennoniten durchsetzt waren.

    Durch unlautere Machenschaften der Neider und Missgünstigen, durch falsche Informationen auch seitens evangelisch kirchlicher Behörden beeinflusst, erließ der Nachfolger des großen Königs 1789 ein Mennoniten Edikt, wonach es den Mennoniten in Westpreußen fast unmöglich wurde, neue Grundstücke zu kaufen. Nur die damals in mennonitischen befindlichen Grundstücke waren kantonfrei, d. h. deren wehrfähige Männer nicht wehrpflichtig. Kaufte aber ein Mennonit ein Grundstück aus evangelischer oder katholischer Hand, so mussten die Söhne Soldat werden. Und weil die Mennoniten wehrlos bleiben wollten, wanderte laufend der Überschuss aus.

    Es entstehen in Russland blühende Stammkolonien, deren erste Chortitza an Dnjepr war, wohin 1794 Cornelius Regier, Ältester von Heubuden und Cornelius Warkentin, Prediger von Rosenort, reisten, um Streitigkeiten zu schlichten, was zu aller Zufriedenheit gelang. Ältester Regier stirbt am 30. Mai in Chortitza, auf dem Sterbebette Prediger Warkentin zum Ältesten weihend, der die Einigungsbestrebungen glücklich zu Ende führte und dafür von Zaren Alexander I. eine große Goldmedaille erhält, die in der Gemeinde Rosenort aufbewahrt blieb. Ich habe sie auch in der Hand gehabt (Wie wichtig dieses allen Mennoniten war, ist die Tatsache, dass dieser Älteste 150 später es für erwähnenswert hält, dass er diese Goldmedaille "in der Hand" gehalten hat. Zar Alexander besuchte die Mennonitenkolonien am 21.Mai 1818 und nochmal 1525, kurz vor seinem mysteriösen Tod. Siehe hier seine Biografie! Neue mennonitische Kolonien wurden nach ihm benannt:  Alexanderkrone, Alexanderfeld, Alexandertal, Alexanderheim).

     Nach alter Tradition versuchten die in Westpreußen verbleibenden Mennoniten die Stillen im Lande zu bleiben, die weiter nichts wollten, als nach dem klaren Wortlaut der Schrift ihren Weg gehen, um im Lebenskampf zu bestehen, dem Heiland folgend, Gott und dem Nächsten dienend. Doch dieses Abgeschlossenseinwollen von allem weltlichen Treiben ließ sich nicht durchführen. Neben den Ämtern in der Kirchengemeinde, die mit großer Treue ausgeübt wurden, kam es bald dazu, dass Mennoniten in die Vertretung der politischen Gemeinde gewählt wurden, ja selbst von der Regierung zu Ortsschulzen und Amtsvorsteher bestellt und bestätigt wurden.

    Als nach dem Revolutionsjahr 1848 in Preußen die Ständevertretungen aufhörten und Parlamente gewählt wurden, kamen unsere Väter auch in das politische Leben hinein (Die Mennoniten von Colônia Nova und von Paraguay werden dieses wohl gut verstehen). Dabei kamen sie in engere und nähere Berührung mit den anderen Konfessionen, besonders auch durch die landwirtschaftlichen Vereine, Kredit- und Molkereigenossenschaften, Züchtervereinigungen, Deichverbände und Entwässerungsanlage.

    So kam es, dass viele Mennoniten mit an führender Stelle standen und in der Aufzucht von Pferden, Rindern und Schweinen und große Erfolge verzeichnen konnten in der Steigerung der Milch- und Fettmengen der eingetragenen Herdbuchkühe. Auch die einst von und für Mennoniten gegründete Feuerversicherung auf Gegenseitigkeit in Tiegenhof, die Hagelschutz- und Haftpflichtversicherung, nahmen schließlich alle Werderaner auf, die Versicherungsschutz suchten.

    So wurden auch die Gegensätze auf konfessionellem Gebiet verwischt. Auch kam es durch das nachbarliche Zusammenleben zu (aber nicht häufige) Heiraten zwischen Mennoniten und Lutheranern. Es entstanden Mischehen, besonders in den Stadtgemeinden, während es in den Landgemeinden überwiegend bis zuletzt beibehalten wurde, keine Mischehen zu trauen. Entweder beide Eheleute mennonitisch oder beide lutherisch, das blieb der Grundsatz, wenn es auch manchmal Missstimmung hervorrief. Meistens war es so, wenigstens bei uns in Heubuden, dass die Zahl der durch Heiraten von der Gemeinde-Trennenden kleiner blieb als die Zahl derer, die durch Übertritt anlässlich der Heirat zu uns kamen.

     Fühlbarer Verlust entstand dadurch, dass durch wachsenden Wohlstand viele Mennoniten ihre Kinder auf höhere Schulen schickten und studieren ließen. Nur wenige von ihnen konnten in der engeren Heimat bleiben, die meisten erhielten Beamtenstellen in der Ferne, verheirateten sich auch dort, hatten keinen Anschluss an mennonitische Gemeinden und gingen uns so verloren. Dies war umso bedauerlicher, als es sich um intelligente Menschen handelte, die unserer Mennonitischen Gemeinschaft hätten nützen und dienen können.

     So kam es denn nur in wenigen Gemeinden zu schweren inneren Kämpfen um die Wehrlosigkeit, als diese den preußischen Mennoniten durch Gesetz im Jahre 1868 genommen wurde und eine letzte größere Auswanderung nach Amerika auslöste. Auch der Bruder meines Großvaters, Ältester Wilhelm Ewert, war mit seiner Familie dabei und gründete in Hillsboro die Gemeinde Brudertal. Ebenso zog er mit einem Teil der Gemeinde Heubuden, dessen gesamter Lehrdienst mit dem ältesten Gerhard Penner an der Spitze, nach den USA.

     Ihm genügte nicht die Milderung des Gesetzes durch die Kabinettsorder Königs Wilhelm I. von 1872, welche die Dienstleistung der Mennoniten auf Antrag auf die Bestätigung als Krankenwärter, Trainfahrer (Ein Fahrer von militärischen Transporten) und Büroschreiber ermöglichte und so den Gebrauch der Waffe unnötig machte. Dieses Vorrecht haben die allermeisten Mennonitensöhne in Anspruch genommen, aber nach 1900 mehrten sich doch die Fälle, dass man Bauernsöhne sich zum Heeresdienst, besonders zur Kavallerie meldeten, waren doch in Danzig Leibhusaren, deren schmucke Uniformen eine große Anziehungskraft ausübten (Siehe Uniformen der Leibhusaren!).

    Aber noch im ersten Weltkrieg 1914/18 dienten sehr viele nach der Kabinettsorder, waren aber den Gefahren des Krieges genauso ausgesetzt wie die anderen Soldaten. So kam es, dass in allen Gemeinden große Trauer war um die jungen Brüder, die in Kampf für Heimat und Volk gefallen waren. Nach dem Friedensschluss, als im deutschen Reich nur 100.000 Mann Berufsheer verblieben, glaubten wir, dass für uns Mennoniten das Problem der Wehrlosigkeit gelöst sei. Doch die Folgezeit belehrte uns eines anderen.

    Der verlorene Krieg ergab für Westpreußen ein vollständig neues Bild. Fast die ganze Provinz wurde durch das Versailler Diktat polnisch. Dadurch kamen viele Mennoniten unter polnische Obrigkeit, unter der auch die Mennoniten, eben weil sie Deutsche waren, oft schwer zu leiden hatten.

     Wirtschaftlich konnten sie sich, dank ihrer Tüchtigkeit, erhalten, trotz rigorosen Steuerdruck, der alles Deutsche betraf. Sie konnten ihre Gottesdienste in deutscher Sprache beibehalten, die Söhne wurden aber zum polnischen Militär eingezogen, auch sind damals vereinzelt Mennoniten, die für Deutschland optiert hatten, mit Verlust ihres Besitzes ausgewiesen worden.

     Alljährlich am 2. Donnerstag nach Pfingsten kamen die Vertreter der Gemeinden zur Beratung über gemeinsame Angelegenheiten und Fragen des Glaubenslebens zusammen, den Vorsitz hatte abwechselnd der Älteste der Gemeinde, welche die Einladung der Tagesordnung an die Vorstände aller Gemeinden verschickte. Seit langem war es so, dass diese wichtige Tagung im Bezirk der einladenden Gemeinde stattfand und im Laufe der Jahre aus etwa 15 Gemeinden mit 50-60 Brüdern beschickt wurde.

    Die Gäste kamen schon den Tag vorher an, bei Amtsbrüdern und Gemeindemitglieder untergebracht. Das war allemal ein frohes Grüßen und Wiedersehen. Die Beratungen selbst, mit gemeinsamem Mittagessen, waren im geräumigen Hause des Ältesten oder eines Predigers der Gemeinde, hie und da auch im Gotteshaus. Das waren schöne erbauliche Stunden und Tage brüderlichen Beisammenseins, bei denen alle Punkte der Tagesordnung und Anträge der Gemeinden in verstehender und brüderlicher Liebe im Sinne und Geiste Christi erledigt wurden und noch lange bei allen Teilnehmern nachklangen.

    Das Protokollbuch verzeichnet fast nur Einstimmigkeit bei den Beschlüssen der Konferenz. Außerordentliche Sitzungen fanden bei besonderen Anlässen statt, so bei der Wehrvorlage, bei der Annahme des gemeinsamen Glaubensbekenntnisses der flämischen und friesischen Gemeinden 1895, das eine besondere Kommission ausgearbeitet hatte. Ein gemeinsamer Katechismus sollte jetzt folgen, die Vorbereitungen wurden aber durch den I. Weltkrieg unterbrochen.

     Manch lieber Gast aus der Ferne hat zu uns gesprochen und gedient, auch in der Gemeinde. Ich denke da an die Brüder Prof. Benjamin H. Unruh, Karlsruhe, Christian Neff, Weierhof, Postma- Holland, die Vettern Nikolaus Siemens von der Krim und vom Amur anno 1929, Ältesten David Toews, Rosthorn Kanada, Prof. Hiebert- Hillsboro, Missionare aus Java und viele mehr, die ich alle auch als liebe Gäste in meinem Hause in Grünhagen begrüßen durfte.

     Und stets waren es unvergessliche Stunden, wo wir in besonderer Weise die innere Verbundenheit empfanden, gerade auf den Gebieten "Brüder in Not" und "Äußere Mission" und diese Reichsgottesarbeit blieb neben der Gemeindearbeit Gabe und Aufgabe, bis die Flucht aus der Heimat allem Weiterarbeiten ein plötzliches Ende bereitete.

     Wenn bis zum Ausgang des ersten Weltkrieges, der uns die Heimat ließ, der Wohlstand der Bevölkerung wuchs und gerade im Danziger Gebiet auch eine Zeitlang nach Gründung der Freien Stadt Danzig so blieb, durch die Zollunion mit Polen konnte dieses Agrarland so viel billig produzierte Lebensmittel nach Danzig liefern, die die Rentabilität der Landwirtschaft im Freistaat auf eine harte Probe stellten.

     Dringend benötigte Landmaschinen konnte nur Deutschland liefern, die aber durch hohe Zölle verteuert wurden und kaum einzuführen waren. Die Arbeitslöhne stiegen von Jahr zu Jahr, die Steuerlast wurde immer größer, die Einnahmen aber kleiner, so dass die Landwirtschaft vor dem Ruin stand.

     Eine Anzahl Höfe wurde auf Betreiben der Gläubiger zwangsversteigert, arm gingen die Bauern vom Hof, dem neuen Besitzer Platz machend. Einige Bauern verkauften noch, zeitig, um mit gerettetem kleinem Vermögen irgendwo im Ausland neu anzufangen. Bei den anderen wurde trotz sparsamster Wirtschaftsweise die Schuldenlast immer drückender. Getreide, Vieh und Milch mussten zu Spottpreisen abgegeben werden, im Blick auf Polen war keine Besserung der Verhältnisse zu erwarten.

     Das war die Situation, als Adolf Hitler für seine Idee warb, durch außergewöhnliche Maßnahmen Deutschland vor dem wirtschaftlichen Ruin zu retten. Vor ihm hatten andere Staatsmänner es vergeblich versucht, die immer größer werdende Arbeitslosigkeit zu beseitigen und die Wirtschaftskrise zu überwinden. Die Arbeitslosenunterstützung reichte nicht aus, den dürftigsten Lebensunterhalt zu decken, die Bettelei auf dem Lande nahm überhand, die Kriminalität stieg, es drohte Anarchie, Hunger und Elend.

    Über 40 politische Parteien priesen die ihre als die einzige Richtige an, Ordnung zu schaffen, doch die Verwirrung der Gemüter wurde immer größer. Da war es kein Wunder, dass sich nicht nur Arbeiter in großer Zahl, sondern auch alle anderen schwerringenden Berufe, auch die Landwirte, sich der Hitlerbewegung anschlossen, die nach festen, gerechten, sozialen Richtlinien arbeiten wollte, diese bei den vielen Wahlen unterstützte und schließlich auch, als die Nazi-Partei 1933 zur Führung gelangte, zahlreich zur Aufnahme in die Partei meldete. Vielfach nur deshalb, um in der politischen Gemeinde ein Übergewicht oder Gegengewicht gegen die radikalen Elemente zu bilden, die sonst das Gemeinwesen durch die vielen Ämter voll beherrscht hätten.

    Das war der Grund, dass viele Mennoniten, insbesondere die, die Ehrenämter verwalteten, in die Partei gingen, selbst Älteste und Prediger, die wirklich ehrlich und von Herzen die frohe Botschaft von Christus verkündeten und Vorbilder ihrer Gemeinden waren. Und es ging ja in den ersten Jahren alles gut, der Aufstieg begann, jeder der arbeiten wollte, bekam wieder Arbeit, und damit Brot, die Bettler verschwanden von den Straßen, dem sozialen Elend wurde gesteuert. Millionen sorgenbeschwerter Menschen aller Berufe atmeten auf, Gewerbe- und Industrie hatten wieder Aufträge. Auch die Landwirtschaft wurde neu organisiert, eine feste Marktordnung wurde eingeführt, das Börsenschiebertum ausgeschaltet. Feste Preise für Getreide, Vieh und Milch ermöglichten eine sichere Kalkulation über Soll und Haben. Schuldzinsen wurden ganz erheblich herabgesetzt, überschuldete Betriebe auf Kosten des Staates soweit entschuldet, dass bei einigermaßen guter Bewirtschaftung der Besitzstand gesichert war, was auch zutraf.

     Auch den Bauern des Freistaates Danzig wurde indirekte Hilfe zuteil seitens des deutschen Reiches durch Hergabe billiger Kredite (diese aber nur an Parteimitglieder) und Bewilligung höherer Preise und größerer Kontingente für Getreide und Vieh, so dass auch die Landwirtschaft aufatmete. Dieses alles mag dazu beigetragen haben, dass auch im Freistaat Danzig bei Neuwahlen die Hitler-Partei die Mehrheit in der Volksvertretung erhielt.

     Auch hier konnte es nicht anders sein als im Deutschen Reich: "Jedermann sei Untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat." Ja, wir waren sogar stolz darauf, dass Mennoniten verantwortliche Posten erhielten, wie Landräte, Kreisleiter, Kreisbauernführer usw., die idealistisch veranlagt, bestimmt das Beste wollten.

   

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