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Erinnerungen aus dem alten und neuen Rußland

 

Von C. MARTENS, 1929 veröffentlicht
 

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Teil VI

 

in den bergen des kaukasus

   

      Der Sturm heulte um die Hausecken, und weiße Flocken wirbelten wild durcheinander. Ein Schneegestöber erhob sich, so daß man nicht von Haus zu Haus sehen konnte. Um zwei Uhr nachts kam ein Schlitten vorgefahren, ich zog mich an, und die lieben Geschwister gaben mir Pelz und Filzstifel, denn es war schneidend kalt.

    Der Fuhrmann, ein alter Kosake, der aus einem 80 Kilometer entfernten Dorfe zum Markt gekommen war und hier am ersten Abend den Herrn gefunden hatte, wollte mich aus Dankbarkeit so weit fahren, bis ich vor meinen Verfolgern sicher war. Das war sehr gefährlich, denn wenn jemand einen von der G.P.U. Gesuchten wegbrachte, traf ihn das Todesurteil. Als ich ihn darauf aufmerksam machte, sagte er schlicht: „Durch Sie habe ich ewiges Leben gefunden, nun bin ich bereit, auch mit Ihnen zu sterben. Und wenn es niemand wagt, mit Ihnen zu fahren, ich will es tun und Sie fortbringen.

    Ich fürchtete mich nicht, denn ich hatte schon zu oft Gottes wunderbare Bewahrung erfahren und legte mit vollem Vertrauen mein Leben in Gottes Hände. Wir fuhren ganz langsam um das Haus herum und den nächsten Weg aus der Stadt hinaus. Der Schnee knirschte, der Sturm heulte. Es gelang uns, unbemerkt hinauszukommen. Die Stadt war aber sehr lang, und am Ende derselben mußten wir noch einmal durch eine Gasse fahren. Das Schneegestöber nahm zu, weder Weg noch Steg waren zu erkennen. Da entschlossen wir uns, in einer Hütte den Morgen abzuwarten. Gott sei Dank wohnte dort ein Gläubiger, und wir blieben bis zehn Uhr morgens bei ihm, aßen, tranken und waren guten Mutes. Die Geschwister wollten gleich andere einladen, aber wir sagten ihnen, wie unsere Sache stand. Als das Wetter sich gelegt hatte, fuhren wir langsam in ein anderes Dorf, weiter in die Berge hinein.

    Ungefähr sieben Kilometer waren wir gefahren, da sahen wir einen Schlitten mit ganz armseligen Pferdchen vor uns. Als wir näher kamen, erkannte ich zu meinem Erstaunen jene Nonne, die in einer Versammlung ihre Freundin so mißhandelt hatte. Gleich hieß es in mir, wie einst dem Philippus gesagt wurde: „Mache dich an diesen Schlitten heran.

    Ich setzte mich auf den einfachen Kosakenschlitten. Die Nonne erkannte mich und erschrak. „Warum erschrecken Sie?”  redete ich sie an. Sie schwieg. „Vor mir brauchen Sie sich nicht zu fürchten. Ich will Ihnen nur von dem Reichtum Gottes erzählen”, sagte ich und sprach mit ihr über das ewige Leben.

    Diese Anrede packte sie so, daß sie mich lange anschaute, und ich merkte, daß eine Bewegung in ihr vorging. „Tat es Ihnen damals nicht leid um Ihre Schwester? Warum ist sie nicht mit Ihnen? Wo fahren Sie hin?" fragte ich.

    Nach längerer Unterhaltung durfte ich ihr mit dem Worte Gottes helfen, und plötzlich sagte sie; „Ich habe Unrecht getan. Ich bin noch schlechter als meine Schwester und bin von ihr geflohen. Es tut mir leid, ich weiß nicht, wo ich hin soll. Ich bin ganz am Ende und habe keine Freunde mehr." "Ja, so muß es kommen, daß alle menschlichen Freunde uns verlassen. Aber wir haben einen, der auch Ihr Freund werden will, wenn Sie nur wollen.” Und wir vereinigten uns mitten in der schneebedeckten weißen Steppe auf dem Schlitten zum Gebet, und es wurde ein wirkliches Bethanien, wo der tote Lazarus in ihr auferweckt wurde.

    Wir erreichten das Dorf M. Da hier keine Gemeinde war, sagte die Nonne; „Bleiben Sie nur auf dem Markt bei der Kirche stehen, ich werde schnell laufen und den Leuten von Jesus erzählen, und wir werden noch heute abend einen Gottesdienst hier haben.

   Jedenfalls kannte sie die Einwohner, denn es dauerte nicht lange, dann kam sie zurück und lud uns in ein Haus ein. Die Pferde waren ausgespannt, auch war ein einfaches Mahl zubereitet, obgleich die Armut im Dorf groß war. Nach einigen Stunden kamen auch einige Brüder und Schwestern aus der Stanitza nachgefahren, die gut singen konnten, und wir hatten einen gesegneten Abendgottesdienst. Die Dorfbewohner hörten vielleicht zum erstenmal in ihrem Leben das reine Evangelium, und viele übergaben sich dem Herrn. Durch solche Erlebnisse wurde der Mut größer und der Glaube stärker. Da vergaß man die Vergangenheit und die Not, und mit tiefer Freude und innerlich erquickt fuhr ich mit meinem Kosaken weiter in die nächsten Dörfer.

    Wir beide waren nun wieder allein geblieben, und unsere Fahrt ging durch das Gebirge. Wiederholt warnte man uns, ohne scharfe Bewaffnung zu fahren, und machte darauf aufmerksam, daß wenige mit dem Leben durch diese Wildnis kämen, besonders jetzt in der Bolschewistenzeit, denn räuberische Bergvölker belagerten die engen Gebirgsstraßen und überfielen alle Reisenden, die vorbeikamen, um sie zu berauben.

    Aber manche Gefahren hatte ich schon erlebt, und immer hatte mich Gottes bewahrende Hand gerettet, darum fürchtete ich mich nicht. In der Berggegend, die wir durchquerten, gibt es Täler, die sehr windgeschützt sind, und den ganzen Winter scheint die Sonne hell und klar. Vieh und Schafe können das ganze Jahr draußen bleiben. Sie werden nur zur Nacht in Berghöhlen hineingetrieben, um sie vor den Wölfen zu schützen, die hier in Mengen hausen. Zu beiden Seiten des Weges erhoben sich wolkenhohe Berge, wir fuhren an tiefen Abgründen vorbei. Eine Stille war um uns, die durch keinen Menschenlaut unterbrochen wurde. Wir erreichten eine Stelle, die man die Totenecke nannte. Man erzählte sich, dort käme kein Mensch vorbei, der von den wilden Bergvölkern nicht beraubt und ausgezogen wurde, wenn sie ihn nicht sogar töteten. Ein Zurück gab es hier nicht, aus dem Wege fahren konnte man auch nicht, denn die Straße war ganz schmal. Als wir um einen Felsvorsprung bogen, sahen wir uns plötzlich sieben Reitern gegenüber, die uns scheinbar schon lange beobachtet und uns hier erwartet hatten. Es war wirklich eine Räuberbande, und mein Fuhrmann war ganz geschlagen, als er sie bemerkte. Ich aber stieg furchtlos vom Wagen und winkte ihnen mit der Hand, sie sollten näher kommen. Freundlich begrüßte ich sie und fragte: „Meine Herren, wo ist der Weg nach K.?" "Der Weg ist da!" sagte der Führer und fing mit seinen Gesellen an zu beraten, wie sie uns berauben sollten. Dann fragte ein Räuber mich: "Na, wie sieht es aus, werden die Bolschwisten noch lange an der Regierung bleiben?

    Wir kamen in ein lebhaftes Gespräch über die Verhältnisse in Rußland, denn da sie abgeschlossen von der Außenwelt lebten, aber große Feinde der Bolschewisten waren, interessierte sie alles, was ich berichtete, so sehr, daß sie uns fünf bis sechs Kilometer begleiteten. Plötzlich gebot der Führer Halt, reichte mir zum Abschied die Hand und sagte: „Nun seien Sie ganz ruhig. Wir waren eigentlich gekommen, um Sie auszuziehen und Ihnen die Pferde wegzunehmen, aber Ihre Nachrichten haben uns so interessiert, wir werden Ihnen nichts tun." Und er befahl einem Reiter, uns zu begleiten und uns den besten Weg zu zeigen. So kamen wir auch durch diese große Gefahr sicher und wohlbehalten hindurch.

      Unser Ziel war die Stanitza K., in der mein Kosake zu Hause war. Wir fuhren bergauf und bergab, oft auf ganz schmalen Bergstraßen, an schneebedeckten Wäldern vorbei. Manchmal stürzten rauschende Ströme die Täler hinab, oder Sturzbäche hingen steifgefroren an den Felswänden, und die klare Wintersonne spielte in tausend Farben in den gefrorenen Tropfen und Eiszapfen.

    Endlich kamen wir in K. an und fuhren auf den Hof des Kosaken. Das schönste Festessen wurde bereitet und die Badestube geheizt, denn die Kosaken sind ein besonders reinliches Volk. Ein Kosakenbad ist ganz eigenartig. Jedes Haus hat ein Badezimmer, etwa sieben bis neun Quadratmeter groß. In dem Zimmer steht ein geräumiger Herd, der ganz mit Kieselsteinen, etwa in der Größe eines Eies, gefüllt ist. Er ist ziemlich groß und wird aus dem Vorzimmer geheizt. In der Decke ist ein Loch, und der Rauch und das Feuer ziehen durch die Steine nach oben. Eine Tonne mit heißem und eine mit kaltem Wasser stehen im Baderaum. Man gießt nun Wasser auf die Steine und bekommt den heißesten Dampf. Die Kleider werden während des Bades über eine Stange gehängt und durch den heißen Dampf gleichzeitig desinfiziert. In den Kosakenhütten herrschte meist die größte Reinlichkeit. Die Dörfer sind groß, die Häuser sind nach dem neuesten Stil gebaut, und die Schulen sind hell und freundlich.

      Die alte Regierung hatte sich viel Mühe gegeben, die Kosakendörfer hochzubringen. Es gibt zwar auch Arme unter ihnen, aber das sind meist solche, die nicht arbeiten wollen. Durch die Revolution hat das Volk sehr gelitten, und auch dieses Dorf mußte viel durchmachen. Der Handel war vernichtet und viele Häuser niedergerissen. Nach dem Abendessen lud mein Freund seine Angehörigen und Bekannten in sein Haus zu einer Versammlung ein und fing an, zu erzählen, wo er gewesen, was er gehört und erfahren und wie er schließlich durch Gottes Gnade Frieden und Glück gefunden habe.

    „Hört zu, was dieser Mann euch zu sagen hat", sagte er, „ich empfehle euch, auch den Weg einzuschlagen, den ich betreten habe. Er wird euch von Jesus erzählen, und Ihr werdet es alle verstehen und das Evangelium auch annehmen.

    Die Unterhaltung wurde sehr lebhaft, man bestürmte mich mit Fragen, und am nächsten Tage hielt ich einen regelrechten Gottesdienst. Man muß sich nun nicht vorstellen, daß man gleich predigen kann, sondern man liest und erklärt die Grundbegriffe von Sünde und Tod, Gnade und Leben, man liest ihnen die betreffenden Stellen vor und fängt an, zu fragen, und auf diese Weise werden die Herzen für oder wider das Evangelium bewegt.

    Auch in diesem Dorf erlebten wir die Freude, daß nach zwei Tagen fünf Seelen sich entschlossen, den Lebensweg zu gehen, und so entstand eine kleine Gemeinde. Ungestört durfte ich von hier weiter fahren.

    Mein Kosake brachte mich noch fünfzehn Kilometer weiter ins Dorf P., wohin seinerzeit die ersten Stundisten verbannt worden waren. Noch lebte eine kleine Anzahl dieser alten Vorkämpfer des Glaubens, und sie waren sehr überrascht und erfreut über meinen Besuch.

     Hier verlebte ich ebenfalls gesegnete Tage in Gemeinschaft und Zusammenarbeit mit den lieben Brüdern. Von P. fuhr ich mit einem anderen Bruder mit der Bahn weiter. Das Reisen auf der Eisenbahn war in der damaligen Zeit mit großen Schwierigkeiten verbunden und sehr gefährlich, denn Plätze in den Wagen erhielten nur Parteigenossen, und die Züge waren überfüllt. Wenn man einen freien Puffer zwischen den Wagen oder einen Dachplatz fand, konnte man von Glück sagen. Oft mußten Verbindungsketten genügen, oder die Menschen klammerten sich an die Rahmen und legten in dieser unbequemen Stellung weite Strecken zurück. Viele fanden auf solchen Reisen den Tod.

    Uns gelang es, auf zwei Puffer zu klettern, und in diesem erstklassigen Abteil legten wir eine lange Strecke zurück. Der Wind pfiff zwischen den Wagen, die Hände froren steif, denn es war Winter, unsere Kleider waren dünn, und wir konnten uns kaum festhalten. Hungrig, zitternd und müde suchten wir uns mit den Segnungen zu trösten, die der Herr uns auf unseren bisherigen Reisen geschenkt hatte.

   Nach dreißig Stunden erreichten wir endlich die Stadt I. In diesem Ort war eine große Gemeinde mit einem lieben, gläubigen Leiter, der in großem Segen arbeitete. Ihm war es nicht gelungen, für unsere Arbeit einen Saal von der Behörde zu erhalten, und ich machte mich auf, um es bei dieser und jener Verwaltung zu versuchen, jedoch vergeblich.

     Die Stadt lag voller Militär, denn in dieser Gegend tobte ein heftiger Kampf mit den Bergvölkern, die sich den Bolschewisten nicht unterwerfen wollten. Man gab mir den Rat, ich sollte mich an den Chef des Stabes wenden, er habe die Gewalt und könne mir die Erlaubnis geben. Dieser war scheinbar ein Jude und noch sehr jung an Jahren. Als er meine Papiere sah, sagte er freundlich: „Gleich stelle ich Ihnen einen Saal zur Verfügung. Ihre Bitte wird erfüllt, und niemand soll Sie antasten."

   Er gab mir ein Schreiben an die Behörden mit dem Befehl, mir sofort einen Saal einzuräumen. Uns wurde ein Speicher, der etwa l000 Menschen faßte, angewiesen, dann schrieben wir alle eifrig mit der Hand Bekanntmachungen, zogen durch die Straßen und klebten sie an allen Straßenecken und Plätzen an und luden die Bevölkerung zum Abend ein. Schon am ersten Tage war der Saal voll. Am Schluß machte ich das Thema für den nächsten Tag bekannt: „Der rote Reiter auf dem roten Pferd, seine Tage und Folgen nach Offenbarung 6."

   Bruder T. war entsetzt und sagte: „Wenn Du darüber sprichst, kann ich nicht kommen, dann sind wir verloren.” Aber ich konnte nicht anders. Wir hatten die Gewohnheit, im Anschluß an die öffentliche Versammlung eine sogenannte Nachversammlung zu halten, zu der diejenigen eingeladen wurden, die angeregt worden waren, sich mit dem Evangelium persönlich auseinanderzusetzen.

    Als wir an diesem Abend zu solch einer Nachversammlung in das Gemeindehaus gingen, waren Haupt- und Nebenstraße schwer von Menschen. Wir konnten unmöglich alle hereinlassen. Was nun? Rasch entschlossen stellten wir uns an den Toreingang und fragten jeden, der hereinwollte, ob er wirklich nur gekommen sei, Frieden mit Gott zu finden. Wer das nicht bejahen konnte, mußte umkehren. Dennoch füllte sich das Bethaus.

    Am folgenden Tage war der Versammlungsraum so voll, daß wir nicht hineinkonnten. Wir ließen hinter der Kanzel ein Fenster herausnehmen und stiegen durch dasselbe ein. Die dortige Gemeinde hatte einen großen Chor, der wundervolle Lieder vortrug. Man muß es gehört haben, wie Russen singen können. Bruder T. war krank geworden und erschien nicht. Eine große Zahl von Kommunisten war zu der Versammlung gekommen. Sie waren sehr unruhig, lachten und unterhielten sich laut. Ich forderte wiederholt zur Ruhe auf, aber es half nichts. Da rief ich mit lauter Stimme: „Als verantwortlicher Leiter dieses Gottesdienstes fordere ich Sie im Namen des Staates auf, sich augenblicklich ruhig zu verhalten und die Kopfbedeckung abzunehmen."

   Die Kommunisten erschraken, nahmen die Mützen vom Kopf herunter und wurden ganz still. Zwei und eine halbe Stunde sprach ich, und alle hörten aufmerksam zu, denn das Thema: „Das rote Pferd und der rote Reiter" war ihnen sehr wichtig.

    Zur Nachversammlung strömte noch mehr Volk als am Abend vorher herbei, und auch diesmal ließen wir nur die herein, die wirklich Frieden mit Gott suchten. Etwa achtzig Menschen stellten ihr Leben Gott zur Verfügung.

    Am nächsten Abend sprach ich über den roten Drachen, das Tier, welches wir nicht anbeten und unter dessen Herrschaft man weder kaufen noch verkaufen kann. Das war ein sehr gefährliches Thema, weil wir ja die geschilderten Zustände in Rußland erlebten, aber alle Zuhörer verhielten sich ganz ruhig.

   Vor dem Bethaus versammelte sich zur Nachversammlung an diesem Abend eine solche Menschenmenge, daß eine Verkehrsstockung eintrat und Reiterei alles umstellte, um den Urheber dieses Volksauflaufes zu suchen. Ich wurde zum Oberst gebracht, der war aber sehr vernünftig und ließ mich gleich frei, als ich sagte, wer ich sei.

    „Genossen!" rief er laut, „hier ist keine Gefahr, ihr könnt ruhig fortreiten. — Haltet ihr nur eure Gottesdienste weiter", wandte er sich an mich.

   Auch an diesem Abend bekehrten sich viele zum Herrn. Weit hinten im Saal saßen aber zwei Kommunisten, die scheinbar die ganze Zeit lachten und spotteten. Lange tat ich, als merkte ich es nicht, endlich wandte ich mich aber an sie und sagte: „Es wundert mich eigentlich, daß ihr dort spotten und lachen könnt, während so viele Menschen ein anderes Leben beginnen wollen. Wißt ihr, daß geschrieben steht: "Wehe euch, die ihr jetzt lacht. Ihr werdet heulen und weinen!"

    Dann wollte ich die Versammlung mit einem Liede schließen. In diesem Augenblick sprang einer der Kommunisten auf und kam auf mich zu. Ich dachte, nun wird er schießen, er aber nahm das Gewehr und den Gürtel mit dem Säbel und sagte: „Es ist genug, daß ich damit soviel Unheil angerichtet und mein Leben unglücklich gemacht habe. Ich will von heute an für Gott leben. Sagen Sie mir, was soll ich tun?" Und er hatte noch nicht ausgeredet, da kam der zweite Kommunist auch herzu, kniete nieder, und beide legten ein erschütterndes Bekenntnis ab, innerlich vom Evangelium überwunden.

 

 

MÖRDER UND GELEHRTER

   Eine unvergeßliche Zeit erlebten Bruder T mit dem ich viel reiste, und ich in P. Wir waren als Beauftragte des Bundesvorstandes dorthin gefahren, um Gemeindestreitigkeiten zu schlichten. Als dies geschehen war, fingen wir an, am Ort zu evangelisieren. Gleich vom ersten Tage an lag ein großer Segen auf den Versammlungen. An einem Abend, als der Saal besonders gedrängt voll war, saß auch der Direktor der Realschule vorn auf einer Bank. Er schaute sich ziemlich verächtlich die Versammelten an. Man sah, daß er sich in unserer Mitte nicht wohl fühlte, denn die Zuhörerschaft war sehr bunt. Alles war vertreten, einfache Bauern, Arbeiter, Kommunisten und auch Gelehrte.

    Nach der Ansprache erhob sich ein schmutziger, finster aussehender Mann, der ganz hinten saß und mit großen, erstaunten Augen zugehört hatte, und rief: „Schaut mein Angesicht an, wie schwarz ich bin. Aber noch viel schwärzer ist es in mir. Achtzehn Jahre habe ich bei der alten Regierung in Ketten in Sibirien verbracht. Von meiner Jugend an bin ich ein Verbrecher und Mörder gewesen. Als die Sowjetregierung kam, ließ sie mich frei, ich kehrte zurück und wurde gleich Kommunist und bekam fast unumschränkte Rechte. Menschen hinzumorden war mir eine Lust, und ich besaß die Macht dazu. Ich habe gesetzlich und ungesetzlich mehr Menschen hingemordet, als hier im Saal versammelt sind.”

    Er warf sich weinend auf die Erde. Ich fragte ihn, ob er das Evangelium von Christus gekannt habe. „Nein", sagte er, „ich habe es nie gelesen. Zufällig kam ich hierher und hörte durch Sie zum erstenmal davon. Ich bereue meine Vergangenheit, kann einem Menschen wie mir noch vergeben werden?"

    Uns Menschen scheint es fast unmöglich, daß solche Mörder noch Vergebung der Sünden und ein neues Leben empfangen können. Dieser Mann hatte viele unschuldige Menschen hingemordet und schwere Greueltaten verübt, die kaum zu verzeihen waren. Aber da erlebt man die große Sünderliebe des Heilands und erfährt die Wahrheit des Wortes Gottes: „Wenn eure Sünden gleich blutrot wären, sollen sie doch schneeweiß werden.”  Auch bei ihm vollzog sich das Wunder eines neuen Lebensanfanges. So empfing er den Frieden Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft. Es war, als schauten wir die Heilung eines Besessenen, mit einem so befreiten und leuchtenden Angesicht saß er später auf der Bank neben den anderen. Aller Augen waren auf ihn gerichtet. Die Ehre, vorn auf der Bank zu sitzen, war ihm zu groß, er setzte sich deshalb auf die Erde und sagte:„Ich bin nicht wert, mit den anderen in einer Reihe zu sitzen.” Aber ich forderte ihn auf, wieder Platz zu nehmen.

   Der Direktor hörte alles mit an und rückte unruhig auf seiner Bank hin und her. Endlich stand er zornig auf, stampfte mit dem Fuß, schlug mit der Hand und sagte: „Was muß man hier unter diesen ungebildeten Menschen alles hören”, und ging hinaus. Seine Frau blieb zurück. Es war mir eine Erleichterung, daß er fort war, denn er störte mich. Unverwandt hatte er mich während der Ansprache angestarrt und schien jedes Wort abzuwägen.

    Nach etwa 15 Minuten kam er zurück, mit einem Taschentuch in der Hand. Er wischte sich fortwährend den Angstschweiß von der Stirn und schritt langsam nach vorne. „Lieber Herr Prediger, was soll aber ich tun?" fragte er. „Sie als gelehrter Mann sollten billig den Weg in das Himmelreich wissen”. „Den weiß ich eben nicht”, antwortete er, „weil ich ein Gottesleugner bin. Ich habe mich nie mit dem Evangelium beschäftigt.

    „Der Weg ist sehr einfach. Erkennen und bekennen Sie Ihre Sünden und demütigen Sie sich vor dem Schöpfer Himmels und der Erde, wie der Mörder es getan hat. Das Blut Jesu Christi macht uns rein von aller Sünde. Einen anderen Weg gibt es nicht.

    „Ja”, sagte er, „Sie können gut reden, Sie weisen auf den Mörder und glauben, ich, ein gelehrter Mann, habe nicht eine solche Vergangenheit hinter mir. Ja, ich bin ein gelehrter Mann, 35 Jahre habe ich im Petersburger Institut unterrichtet und eine hohe Stellung eingenommen. Mit großer Mühe gelang es mir, an diesen Ort zu flüchten und mein Leben zu retten. Ich muß sagen und bekennen, 55 Jahre habe ich Gott geleugnet, 35 Jahre unterrichtete ich, über 1000 Studenten saßen jährlich vor mir, denen ich immer wieder bewies, daß es keinen Schöpfer und keinen Gott, weder Himmel noch Hölle gibt. Das ist schrecklich, denn ich traf seit der Revolution viele von meinen Studenten, die sich an den Greueltaten derselben beteiligten. Das ist meine Arbeit, ich habe viel mehr getötet als dieser Mörder vor euch. Ich habe die Seelen der Menschen vergiftet und Mörder geboren und auferzogen, und sie üben ihr Handwerk aus. Dieser Mann neben mir mordete nur allein, ich tat es in vielen. Mit seiner Bekehrung hört sein früheres Leben auf, ich aber kann nichts mehr gutmachen. Wenn Gott mir auch vergibt. Meine Werke dauern fort und wirken weiter Greuel und Schrecken. Das bin ich und für solche. Menschen kann es keine Rettung geben”.

    Müde ließ er sein Haupt sinken, seine Wangen waren tränenbenetgt, er verbarg sein Antlitz in den Händen. Ich las die wunderbaren, unbegreiflichen Worte der Einladung und Liebe an die Verlorenen der Welt. Dann stand er noch einmal auf und sagte, sich an die ganze Versammlung wendend: „Das heutige Rußland haben wir gemacht. An dem großen Elend sind wir Gottesleugner schuld. Wir nahmen den Menschen das Gewissen, und sie haben Rußland umgedreht und herrschen nun auf die schrecklichste Weise. Betet für mich, ich will mich beugen und demütig glauben, daß Gott euch erhört!"

    Die ganze Versammlung weinte, es war wohl keiner da, der nicht an seine eigene Vergangenheit dachte. Es wurde eine unvergeßliche Gebetsstunde, und viele baten um Gnade für den alten Direktor. Da fing auch der Greis zu beten an und sprach „0 Gott, bist du da, dann offenbare dich mir. Wenn du kannst und Gnade hast, dann laß es mich heute erfahren und vergib mir meine Sünde."

    Sein Bekenntnis machte tiefen Eindruck auf alle Anwesenden. Die Nacht wollte nicht ausreichen, so viele kamen herzu, die auch mit ihrer Vergangenheit aufzuräumen wünschten. Der Geist Gottes hatte freien Raum und überführte viele Menschen von ihren Sünden. Erquickend waren die Zeugnisse und Dankgebete der jungen Gotteskinder.

    Als wir aufstanden und das Loblied sangen: „Was macht mich von Sünden rein? Nur das Blut des Lammes Jesu!” umarmte der Direktor den alten Verbrecher, und die beiden weinten lange miteinander vor Freuden, als ob sie Brüder wären, die sich nach langer Trennung wiedersahen. Und ist es nicht so? Sind wir Menschen nicht Kinder eines Vaters, die durch die Sünde getrennt worden sind? Wie köstlich ist es, zu erleben, wenn Herzen sich in Christus finden. Nur Gottes Geist kann zustande bringen, daß ein hochgebildeter Mann und ein Verbrecher zu Brüdern werden.

   Am nächsten Tage wurde ich zum Direktor zum Mittagessen eingeladen. Es war eine Freude, die beiden alten Menschen anzusehen. Sie hielten sich an den Händen und freuten sich wie die Kinder am Weihnachtsfest über die Erlösung, die ihnen in Christus zuteil geworden war.

    Als wir zusammen zur Abendversammlung gehen wollten, sagte der Direktor: „Gehen Sie nur mit meiner Frau voraus, ich habe noch etwas zu tun." Während des Eingangsliedes kam er mit seiner ganzen ältesten Klasse herein und setzte sich mit den Schülern nach vorne. Sieben Jünglinge und Jungfrauen, die ihn sehr verehrten und liebten, fanden an diesem Abend auch Frieden mit Gott.

    Es war wunderbar, mit welcher Hingabe der alte Direktor für Jesus zeugte und andere herbeiführte, als wollte er gutmachen, was er in den vielen Jahren der Gottesferne verschuldet hatte. Ein großes Arbeitsfeld war ihm gegeben unter seinen Schülern. Vierzehn Tage etwa arbeiteten Bruder T. und ich an diesem Ort. Ehebrecher, Diebe, Mörder fanden den Weg zum Freund der Sünder. Bei Gott ist kein Ding unmöglich.

Teil VII

Taufe im Kaukasus

   

     Es ist ein ganz besonders erhebendes Gefühl, im Kaukasus zwischen den hohen Bergen unter einem Naturvolk im Freien die Taufe zu feiern. Ich denke da so gern an ein Fest, das mich in die Zeit Johannes des Täufers versetzte, da das Volk herbeiströmte, um den Propheten zu hören. Das geschah in einer Stanitza, die noch ganz unberührt vom reinen Evangelium war. Ich besuchte in der Nähe ein Kosakendorf, in dem eine kleine Gemeinde bestand, und ein Bruder sprach den Wunsch aus, wir möchten eine Missionsreise nach L, machen. Zwei Brüder wurden hingeschickt, um die Arbeit vorzubereiten, und ich gab ihnen ein Bittschreiben an die kommunistischen Behörden dieser Stanitza mit und bat darin, uns einen Saal zur Verfügung zu stellen. Diese glaubten damals noch, wir würden ihnen in der Bekämpfung der orthodoxen Kirche helfen und ließen uns viel Freiheit. Wir erhielten den größten Saal im reichen, großen Kosakendorf für unsere Evangelisationsversammlungen.

Als ich am nächsten Tage mit einem Sängerchor nachkam, legte ich meine Papiere vor. Der große Saal füllte sich, und neugierig und erwartungsvoll saß bei Beginn der Versammlung eine große Menschenmenge vor uns. Der Chor sang die schönen russischen Evangelisationslieder. Atemlos lauschten die Kosaken und ihre Frauen diesen nie gehörten Gesängen. Tränen stahlen sich in manches Auge.

       Ein Bruder hielt die einleitende Rede, und ich machte Fortsetzung. Während meiner Predigt stand ein Mann ungeduldig am Fenster, er konnte es kaum erwarten, bis die Versammlung zu Ende war, um etwas zu sagen. Es war ein Kommunist, und er flüsterte seinen Nachbarn zu: „Wenn ich dem Redner drei Fragen vorlegen werde, wird er mir nicht auf eine antworten können”.

     Einige, die neben ihm standen, sagten: „Traue dir das nicht zu, er wird dir alle deine Fragen beantworten und du wirst bestimmt Stundist. Wenn du es nicht werden willst, dann gehe diesem Manne aus dem Wege”. Das versetzte ihn in Schrecken, er wurde unsicher, denn er dachte, man könnte recht haben, und schwieg.

     Auch die Töchter des Geistlichen waren erschienen. Sehr ergriffen gingen sie nach Hause und erzählten ihrem Vater, was sie gehört hatten. Er war natürlich sehr ungehalten und versuchte mit aller Macht, uns im Ort zu verleumden und unsere Tätigkeit zu verhindern. Am nächsten Tage hielt er gleich einen Protestgottesdienst und erklärte in der Kirche, der wirkliche Antichrist sei in die Stadt gekommen. Seine Töchter standen aber auf und sagten: „Unser Vater ist im Irrtum! Er spricht so, weil er die Worte des Predigers nicht gehört hat.

Das Volk teilte sich in zwei Lager, einige standen auf Seiten des Vaters, die anderen auf Seiten der Töchter, und als der Abend kam, drohte unsere Versammlung verhängnisvoll zu werden, denn durch den Protestgottesdienst waren alle aufmerksam geworden, und auch die Gegner kamen, um uns zu stören.

    Unter solchen Umständen zu predigen und das richtige Wort zu finden ist sehr schwer. Da reicht der menschliche Verstand und unser Wissen nicht aus, und nur der Geist Gottes kann uns die nötige Weisheit geben. Wir Redner vereinigten uns vorher im Gebet. Dann trat ich auf, bat, alle Fenster weit aufzumachen, damit auch draußen jeder näher hinzutreten könne, der an die Bibel glaube. Da drängten sich auch die Gegner hinzu, und jedes Fenster war dichtbesetzt, alle wollten hören, was ich wohl zu sagen hatte.

    Ich ergriff eine Bibel und zeigte auf das Kreuz auf dem Deckel. Es war auch ein kleines Heiligenbild in der Nähe, dies nahm ich in die andere Hand und sagte: „Von diesem Jesus, der hier abgebildet ist und den ihr so liebt und ehrt, für den ihr in den Tod zu gehen bereit seid, den ihr anbetet und höher haltet als Könige und Kommissare, von diesem Jesus will ich euch vorlesen, und zwar aus dem Buch, das kein Volk so heilig hält und hoch verehrt, wie unsere Russen es tun, die keine Verfälschung zulassen. Jeder beugt sich ehrfürchtig vor ihm und niemand geht zur Beichte, ohne dasselbe zu küssen. Laßt euch von keinem Menschen etwas einflüstern, sondern redet und handelt, wie es in diesem Buche geschrieben steht.

     Dann las ich ihnen Johannes 3 von Nikodemus vor, und als ich zu dem Verse kam: Also hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen einzigen Sohn gab, auf daß alle, die an ihn glauben, nicht verloren gehen, fragte ich: „Ist das Wahrheit? Sagt, meine teuren Zuhörer, gilt das auch heute noch? Wer das glaubt, der möge die Hand hochheben.

     Wie ein Mann erhoben Gegner und Freunde die Hände, einige nicht nur die Hände, sondern auch die Stöcke und schrien: „Wir sind irregeführt, wir sind irregeführt! Das ist ja unser Buch, das ist ja das Buch, das wir in der Kirche haben.

     Es wurde eine besonders gesegnete Massenversammlung, und die Einzelaussprachen dauerten bis zum Morgen. An diesem Orte konnten wir noch fünf Gottesdienste halten, und obwohl kein Gläubiger in der Stanitza wohnte, fehlte es uns nicht an Unterkommen und Nahrung. Verschiedene Leute luden uns in ihre Häuser ein, denn sie wollten noch mehr hören. Die Gespräche dauerten oft bis in den Morgen, denn das Licht scheint in die Finsternis, und überall sind Menschen, die das Sehnen haben, selig zu werden, aber leider haben wir nicht die Männer und Frauen, die sich hingeben und solche Stellen besuchen, wie die Apostel es taten, und durch Städte und Märkte ziehen, um dem Volke die frohe Botschaft zu verkündigen. Das ist auch heute die große Schuld, die wir Christen dem unwissenden Volke gegenüber haben.

     Fünf Seelen durfte ich in diesem Kosakendorf zum Fluß hinunterführen. Es war an einem sehr schönen Wintertage, denn der Ort liegt sehr windgeschützt und den ganzen Winter hindurch scheint dort die Sonne. Der Strom rauschte von den Bergen, stellenweise war er zugefroren, und die Eiszapfen glitzerten in allen Regenbogenfarben. Die Bäume waren mit Schnee bedeckt, und hohe Berge umrahmten das friedliche Tal. Die Sonne schien so herrlich, als predigte sie uns und lud die Bevölkerung zu einem feierlichen Fest. Ein Menschenzug nahte, der kaum zu übersehen war, Behörden, Kinder, Frauen, Männer.

     Alle kamen, um zu sehen, was nun geschehe. Auch auf der anderen Seite des Ufers standen Hunderte von Menschen wie Ameisen in den Gebüschen zerstreut, trotz der 5—6 Grad Frost. Mit großer Freude verkündigten wir das Wort des Herrn in der schönen Umgebung am Waldesrand.

    Wir brauchten auch dieselben Worte wie Johannes der Täufer. Als wir geendet hatten, stimmte der Chor mit voller Kehle an: „Wir stehen nun am Jordanufer, und schauen sehnsuchtsvoll hinüber." In der klaren Winterluft schallte der Gesang rein und voll zum jenseitigen Ufer.

     Die ganze Zeit sah ich, wie ein Mann sehr beschäftigt war, mit Eisen und Spaten ein schönes Loch in die Eisdecke des Flusses zu hacken und ein großes Bündel Stroh um und in dasselbe zu streuen. Ich dachte: Wie ist es nur möglich, daß man auf diesen Gedanken kommen kann? Da trat der Mann mir entgegen und fragte: „Ist es gut so?” ,Ja, sehr!”  antwortete ich. Und wer hatte sich diese Mühe gemacht? Es war der Kommunist, der an dem Fenster gestanden hatte und mir drei Fragen vorlegen wollte. Es ging ihm wie Felix: Es fehlte nicht viel, und du überredest mich noch. Ja, der Herr gebraucht auch unsere Feinde, um uns den Weg zu bahnen und uns zu unterstützen, sein Reich auszubreiten.

     Als ich in den Fluß ging und den ersten Täufling, eine junge Frau, an die Hand nahm und fragte: „Glaubst du an den eingeborenen Sohn Gottes Jesus Christus?”  antwortete sie mit klarer Stimme: „Ja, ich glaube an ihn.” „Glaubst du, daß Jesus Christus, Gottes Sohn, dir alle deine Sünden vergeben hat?” „Ja, ich glaube. Er hat mir alles vergeben!

     Da kamen vom Abhang des Berges die Menschen eilends heruntergelaufen und schrien: „Das ist Wahrheit, das ist Wahrheit, das haben wir gesucht und das brauchen wir. — Tauft auch uns, tauft auch uns.

     Hätte ich es gewagt, dann wäre wohl eine große Zahl, wie zur Zeit der Christianisierung Rußlands, herzugekommen. Doch da wir glauben und wissen, daß nicht die Taufe es macht, sondern der Glaube an den Sohn Gottes, tat ich es nicht, sondern sagte: „Abends ist Gottesdienst, da könnt ihr hinkommen und hören, was zu unserer Seligkeit dient.

So arbeiteten wir mehrere Tage und konnten uns fast nicht losreißen. Wir hielten Versammlungen, machten Hausbesuche und hatten Einzelaussprachen. Nie werde ich die Tage und Stunden vergessen, die wir auf dieser Missionsreise erlebten, und wenn ich an die einzelnen Menschen denke, dann ist meine Bitte zu Gott: „Herr, sende Arbeiter in deine Ernte, denn das Feld ist weiß zur Ernte!"

 

KLEINE MITARBEITER GOTTES

     Auf unseren Reisen kamen wir in ein Kosakendorf. Am Ort war eine Gemeinde, die ein eigenes Bethaus hatte, sie war aber tot und kalt, so daß der Anfang sehr entmutigend war. Man fühlte, daß sie uns nicht willkommen hießen, das bedrückte uns. Wir ordneten dennoch einige Gottesdienste an. In der ersten Versammlung erschein fast niemand, nicht einmal die Gemeindeglieder waren anwesend. Wir fragten uns, ob es nicht verlorene Zeit sei, länger zu bleiben, denn an anderen Orten warteten viele hungrige Menschen auf das Lebensbrot. In der Abendversammlung hatte man nicht einmal für Lampen gesorgt, und wir mußten im Dunkeln sprechen. Nach all den früheren Segnungen war dies eine harte Prüfung für uns. Aber im Aufblick und Vertrauen zu Gott, der uns noch nie zuschanden werden ließ, luden wir zum nächsten Vormittag zu einem Gottesdienst ein durch entsprechende Bekanntmachungen. Wir kamen ins Bethaus, die Bänke waren leer. Nur hier und da saß verstreut ein alter Greis oder eine Frau. Sollten wir den Wänden predigen?

     Es war ein klarer, kalter Wintertag. Die Sonne hatte die Kinder des Dorfes auf den freien Platz vor dem Hause gelockt, und sie spielten dort ihre kindlichen Spiele. Man hörte im Saal ihr helles Lachen und Jauchzen. Wir stimmten ein Lied an, um den Gottesdienst zu beginnen, da öffnete sich langsam die Tür zum Bethaus. Ein Paar Kinderaugen schauten neugierig und scheu herein, eine vermummte kleine Gestalt schob sich durch die Spalte und blieb lauschend stehen. Ein zweites, drittes Kinderköpfchen wurde sichtbar. Immer mehr kamen herein, Knaben und Mädchen. Ich winkte mit der Hand und zeigte auf die leeren Plätze, und bald füllte sich der Saal mit Kindern, Es war ein lieblicher Anblick, eine Zuhörerschar mit leuchtenden, reinen Augen und von Spiel und Sonne geröteten Wangen vor sich zu sehen.

     Gott hatte sie uns gesandt, um uns Mut zu machen, und wir lasen das Wort: „Lasset die Kindlein zu mir kommen und wehret ihnen nicht, denn ihrer ist das Reich Gottes.” Bruder T. und ich wandten uns nun ausschließlich an unsere gottgesandten kleinen Gäste, lehrten sie schöne Lieder und erzählten ihnen vom großen Kinderfreund. Selten haben wir so aufmerksame Zuhörer gehabt wie in diesem Gottesdienst. Nie hatten sie diese Geschichten und so schöne Lieder gehört.

    Als sie freudestrahlend nach Hause gingen und von dem erzählten, was sie erlebt hatten, wurden die Eltern sehr unwillig. Einige straften ihre Kinder hart, andere schalten. Aber manche wurden nachdenklich, und als der Abend kam, waren alle Plätze besetzt. Gott hatte die Kinder zu kleinen Sendboten gebraucht, um die Botschaft von Jesus in die Häuser zu bringen und die Eltern herbeizuführen.

     Die Bewohner dieses Ortes litten unter schwerem Druck. Wilde Bergvölker kamen alle Augenblicke, nahmen ihnen fort, was sie fanden, und bedrängten sie hart. Bittere Armut und Not herrschten in den Häusern. Manche Mutter trauerte um ihren Sohn, manche junge Witwe um ihren Mann, der im Kampf gegen die Feinde gefallen war. Eine Hungersnot nahte heran, das Brot wurde teurer. In solchen Zeiten sind die Herzen weit offen für ein Wort des Trostes und der Liebe und für einen helfenden Heiland, der alle Sorgen auf sich nimmt. Wir erlebten wunderbare Tage in diesem Dorf.

     Am letzten Abend wurden wir in ein altes Kosakenhaus eingeladen. Der Besitzer war arm und besaß eine große Familie, aber wie einst Kornelius, entschloß er sich mit seinem ganzen Hause, dem Herrn zu dienen. Die Freude war groß. Auch einige Nachbarn waren gekommen, und das Zimmer füllte sich.

    Wir beteten, sangen und sprachen von der Herrlichkeit, die uns in Jesus Christus geschenkt worden ist. Da es sehr spät wurde, lohnte es nicht, auseinanderzugehen. Der Hauswirt brachte Stroh und breitete es auf den Fußboden als Nachtlager aus. Bruder T. und ich mußten uns in das einzige Bett legen, alle anderen lagen nebeneinander auf der Erde. Glücklich und müde wie Kinder schliefen wir ein, nicht ahnend, welche Schreckensnacht uns bevorstand.

    Plötzlich sprang der Hauswirt von seinem Lager auf und rief: „Gefahr! Uns droht Gefahr!" Und ehe wir uns besinnen konnten, pfiffen die Kugeln um unsere Ohren. Eine drang in Bruder T.'s Kissen und berührte seinen Kopf, aber er blieb unverletzt. Das Kissen hatte dem Geschoß die Wucht genommen. Aber einige Anwesende waren verwundet worden und jammerten und stöhnten laut.

    In großer Aufregung und Bestürzung suchten wir alle aus der Nähe des Fensters zu kommen und uns zu schützen. Und nun raubten die wilden Bergbewohner, die hoch zu Roß das Dorf überfallen hatten, alles Vieh und die Pferde. Kein Schaf, keine Kuh blieb dem armen Kosaken. Das gab viel Tränen und Not. Diese Notzeit bereitete eine offene Tür für das Evangelium.

 

FLUCHT

    Die Kommunisten waren mit meiner Tätigkeit natürlich nicht zufrieden, denn wo ich hinkam, verloren sie Parteigenossen, und so mußte ich eines Tages „verschwinden's um nicht hinter Schloß und Riegel zu kommen. Bergungsorte gab es im Kaukasus genug, und ich machte eine „Gebirgswanderung". Höher und höher hinauf, der Sonne entgegen, stieg ich bis zu den einsamsten Gegenden, wo nur vereinzelte Bergvölker und Kosaken ihre Hütten aufgeschlagen haben. Die Stille und Ruhe fern von der Hast und Unruhe der Menschen in der Tiefe war unsagbar schön. Ist es doch, als ob Gott uns näher rückt in seiner wunderbaren Schöpfung, Am kühlen Bach auf grüner Matte, unter dem schattigen Laub der Waldbäume hielt ich meine Rast. 

       Es war Frühling geworden, und mit seinem Zauberstab verwandelte er die weiße Berglandschaft in ein blühendes Paradies voller Duft und Gesang. Frischer Erdgeruch würzte die reine Höhenluft. Die Täler waren oft eng und felsig, dann wieder weiteten sie sich zu grünen, saftigen Matten, auf denen Hirsche und Rehe grasten oder Menschen ihre Herden trieben. Höher hinauf rauschten düstere Tannen und Fichten, und über allem leuchtete der ewige Schnee und die Gletscher. Die schmalen Gebirgspfade führten an steilen, dunklen Abgründen vorbei. Stolze Adler schwebten über den Tiefen und senkten sich beutebeladen und majestätisch zu ihrem Horst auf unerreichbarem Felsen herab.

     Auf meinen Wanderungen sah ich, daß im Kaukasus noch große Schätze verborgen sind, mancherlei Erze, sowie Steinkohle lagen an vielen Stellen hoch über der Erde frei zutage und warteten nur darauf, daß sie geholt würden. Teure Hölzer wuchsen in Mengen in den riesigen Wäldern.

     Ich war nicht der einzige „Gebirgswanderer". In den Höhlen hausten viele "Sommerfrischler”, die ihre Zuflucht zu den Bergen genommen hatten, um ihr Leben zu retten, besonders viele Kosaken, die an der Gegenrevolution beteiligt gewesen waren. Sie hatten sich ganz häuslich niedergelassen und warteten, bis sie zu den Ihren in die Stanitzen zurückkehren konnten. Wilde, traurige Lieder hallten durch die Täler, aber wehe dem, der seine Sehnsucht nach Weib und Kind nicht zähmen konnte. Wer sich da unten blicken ließ, war unrettbar dem Tode verfallen.

     Das Heimweh bewog eines Tages eine größere Gruppe von Männern, die aus den Stanitzen geflohen waren, zur Selbsthilfe zu greifen. Stark bewaffnet überfielen sie in einer Nacht die Kommunisten in ihrem Heimatdorf und trieben sie hinaus. Diese kehrten aber bald in großer Anzahl wieder, und die Heimwehkranken mußten eilen, um ihr Leben zu retten. Aus Rache nahmen die Bolschewisten aus jedem Hause, in dem die Aufständischen eingekehrt waren, einen Familienangehörigen gefangen. Alle Dorfbewohner wurden am Abend auf dem Marktplatz zusammengetrieben und mußten zusehen, wie etwa fünfzig Männer und Frauen erschossen wurden.

     Das war ein schauerlicher Anblick, und die Erregung war groß, aber niemand wagte etwas zu sagen, denn drohend hielten die Kommunisten eine lange Rede und riefen: „So werden wir mit jedem verfahren, der es wagt, gegen uns zu handeln.

    Ich war am Tage vorher in diesem Dorf gewesen, und unter den Verurteilten befanden sich auch drei Gläubige. Ein Mann und eine Frau von diesen waren nicht tödlich verwundet worden, sie verhielten sich aber still. Da befahl der Kommandant, man solle zur Sicherheit alle noch einmal durchbohren. Die Frau schrie fürchterlich, dreimal wurde sie durchspießt und endlich getötet. Der Mann unterdrückte den Schmerz, und in finsterer Nacht gelang es ihm, wegzukriechen und das nächste Haus zu erreichen. Hier nahm man ihn auf, verband die Wunden, und er blieb am Leben, wenn auch als Krüppel, und ist Zeuge dieser Schreckenstat. Nie wird jemand aus diesem Dorf diese schrecklichen Morde vergessen.

    Nach langen Wochen hoch oben in der Bergwelt wagte ich mich wieder talabwärts und ins Leben zurück. Ich reiste in eine Stadt am Meer und nahm meine alte Tätigkeit auf. Mit dem Vorsitzenden des Bundes zusammen ordnete ich die Gemeinde in der Stadt X. und hielt Evangelisationsvorträge, X. hat eine wunderbare Lage. Zu Füßen des Kaukasus rauschte und brandete das Schwarze Meer. Am Strande lag die Stadt in grünen Obst- und Weingärten eingebettet. Zwischen den großen Blättern der Weinreben hingen schwere gelbe, grüne und blaue Trauben, Ganze Ladungen Weintrauben wurden versandt. Wundervolle Walnußbäume gaben dem Landschaftsbild ein besonderes Gepräge und verbreiteten ihren frischen Duft.

     Die dortigen Hafenmauern waren weit ins Meer hineingebaut. Ich liebte es, einsam am Strande zu wandern und zu baden, und ging eines Tages hinaus auf die Mole. Weit draußen am Wasser setzte ich mich und betrachtete das wunderbare Bild vor mir, die Stadt mit den bunten Dächern im schattigen Grün, die vergoldeten Kuppeln der Kirchen glänzten in der Sonne, Möven schaukelten auf der leicht gekräuselten Oberfläche des Meeres. Da entdeckte ich am steilen Felsenufer, das sehr schwer zu erreichen war, eine einsame Frauengestalt, die da saß und starr ins Wasser blickte.

    „Eile und rette sie! Diese Frau sucht den Tod im Wasser!" hieß es in mir. Ich kletterte mühsam zu ihr hin und redete sie an. Erschrocken, als fürchtete sie, ich würde sie in ihrem Vorhaben stören, schaute sie auf. Da sagte ich: „Glauben Sie an Gott? Wissen Sie, daß nach diesem kurzen Leben eine Zeit kommen wird, wo für Gotteskinder kein Leid noch Geschrei noch Tränen sein werden?

     Traurig schüttelte sie den Kopf und fing bitterlich an zu schluchzen. Damit sie nicht abstürzte, führte ich sie vom Abhang hinweg. Nach langem Zureden beruhigte sie sich und fing an zu erzählen: Mein Vater war in der Zarenzeit General. Nach dem Zusammenbruch der alten Regierung erschienen eines Tages bewaffnete Bolschewisten in unserem Hause und erschossen ihn, meine Mutter und meine Geschwister. Mir gelang es zu entkommen. Ich lief sechzig Kilometer zu Fuß, bis ich das Dorf S. erreichte. Hier konnte ich mich längere Zeit unter großen Entbehrungen verbergen, bis ich ein Plätzchen bei einer geflüchteten Offiziersfamilie fand. Eines Tages kam unerwartet mein Onkel, auch ein früherer General, im geheimen zu mir, um mich zu besuchen, und verschwand dann wieder ebenso still. Nach längerer Zeit bekam ich einen Brief von ihm mit der Nachricht: „Marußja, komm zum .ten nach X. An dem genannten Ort an der ..... Ecke wirst du mich treffen, denn ich fahre an diesem Tage mit dem Schiff N. ins Ausland, um mich zu retten. Komm mit!

     "Einen Ausweis oder einen Erlaubnisschein für die Bahnfahrt hatte ich nicht, ich mußte heimlich den Zug besteigen. Aber die Kontrolle entdeckte mich und brachte mich in die G.P.U. Nachdem die Tschekisten mich furchtbar gequält hatten, ließen sie mich endlich frei, und halb krank vor Angst und von den erlebten Schrecken versuchte ich weiter zu kommen.

Ich hatte X. fast erreicht und war bis zur Station N. gekommen, da wurde ich wieder festgenommen, und es erging mir schlimmer als das erstemal. Weil ich eine Frau war, ließ man mich endlich doch frei, und müde und krank kam ich hier am Tage des Schiffsabganges an. Ich eilte zum Hafen und fragte nach dem Dampfer N. „Dort fährt er", sagte man mir und zeigte auf ein Schiff, welches langsam, langsam in der Ferne verschwand.

    Hoffnungslos und verzweifelt lief ich hierher an diesen einsamen Ort, um endlich diesem schrecklichen Leben ein Ende zu machen. Bekannte und Freunde habe ich nicht, und ich bin so hungrig und am Ende meiner Kraft.

     Wieder fing sie an, bitterlich zu weinen. Es gelang mir, sie etwas zu trösten, und ich brachte sie zu Gläubigen, die sie freundlich aufnahmen. Im Abendgottesdienst fand das junge Mädchen Frieden und dankte ihrem Herrn, daß Er sie vor dem Tode der Verzweiflung bewahrt hatte. Es gelang den Geschwistern, ihr eine Stelle als Stenotypistin im Postamt zu besorgen, und sie wirkt heute als treues Mitglied der Gemeinde für ihren Herrn und König Jesus, besonders durch ihren schönen Gesang.

Teil VIII

 

Gefangennahme

   

    Als ich in unserem neuen Wohnort von allen meinen Erlebnissen auf den Missionsreisen erzählte, kam die gläubige Jugend eines Tages zu mir und bat mich, auch daheim einmal eine Evangelisationswoche zu halten. Mit großem Eifer übernahmen sie die Vorbereitungen und trugen Einladungen in alle Häuser. Am ersten Abend war der Saal, der zwei- bis dreihundert Sitzplätze hatte, überfüllt. Auch viele Kinder waren zugegen. Ich sprach in zwei Sprachen, russisch und deutsch, denn es war eine sehr gemischte Zuhörerschar, Russen, Deutsche und sogar Armenier waren zugegen.

     Die Jugend und die Kinder, die die Kommunisten gewaltsam von jedem religiösen Einfluß fernhalten, soweit es ihnen laut Gesetz möglich ist, ergriff und bewegte das Gotteswort sehr, und sie fingen an, in den Schulen während der Pausen zu beten und zu singen. Das erregte die Lehrer, denn solches ist aufs strengste verboten. Gläubige Lehrer können in Rußland kaum ihr Amt behalten, da sie Prediger des Atheismus sein sollen, und als ein wichtiges Werkzeug zur Erziehung eines kommunistischen Staates verwendet man für diesen Dienst am liebsten nur Parteigenossen.

     Als man die Bewegung unter den Kindern unterdrücken wollte, versammelten sie sich heimlich draußen hinter den Strohhaufen im Schulhofe und beteten dort. Aber auch hier vertrieb man sie, und sie kamen auf dem in der Nähe liegenden Friedhof hinter den Gräbern zusammen und beteten. Es geschah manchmal, daß ich in ein Haus geholt wurde, wo viele halbwüchsige Knaben und Mädchen sich versammelt hatten.

      „Onkel, erzähle uns mehr von Jesus! Wir wollen auch ein neues Leben anfangen!" baten sie mich inständig. Was sollte ich tun? Da galt das Wort Christi auch mir: „Lasset die Kindlein zu mir kommen und wehret ihnen nicht!" Und ich sprach zu ihnen, trotzdem dies eine Übertretung des Gesetzes war.

     Die Leiter des Kinos und Theaters im Ort beschwerten sich bald, daß ihr Lokal leer wurde, und als sogar eine russische Sängerin aus der Stadt sich zum Herrn bekehrte, war die Aufregung unter den Kommunisten groß. Eiligst beriefen sie eine Sitzung ein und beschlossen, mich der G.P.U. zu übergeben. Ein Militärbeamter mußte mir den Beschluß während einer Versammlung zur Kanzel bringen mit dem Befehl, ihn sofort zu lesen und zu befolgen.

     „Jetzt ist nicht die Zeit, menschliche Beschlüsse zu lesen. Sie haben nach dem Gesetz kein Recht, den Gottesdienst zu stören", sagte ich zu dem Boten. Er wagte nicht zu widersprechen und mußte geduldig bis zum Schlußlied warten und alles anhören, was gesprochen und gesungen wurde. Meine Angelegenheit ging dann zur G,P.U. in der Nachbarstadt. Telegraphisch wurde ich hingerufen, und alle Versuche, die Sache zu ändern, gelangen nicht, ich mußte die Evangelisationsversammlungen abbrechen. Da aber die Bewegung dort so groß war, sprangen andere Redner für mich ein und setzten die Arbeit fort.

     Eine Nacht ließ man mich noch zu Hause schlafen. Die Aufregung in der Familie war groß, wußten wir doch aus Erfahrung, was es bedeutete, in die Hände der G.P.U. zu fallen. Für lange, ja vielleicht für alle Zeiten sollte ich die Meinen allein zurücklassen, unversorgt und ohne menschlichen Schutz. Es ist wohl zu verstehen, daß große Sorgen unser Herz bedrückten. Sehr spät schlief ich endlich ein, um in einigen Stunden zur schweren Fahrt aufzubrechen.

     Wie im Traum hörte ich gegen Morgen in weiter Ferne ein leises Singen, und als ich erwachte — es war noch finster, — vernahm ich wie aus Engelsmund die mich wunderbar tröstenden Worte: „Befiehl du deine Wege und was dein Herze kränkt, der allertreusten Pflege des, der den Himmel lenkt. Der Wolken, Luft und Winden gibt Wege, Lauf und Bahn, Der wird auch Wege finden, da dein Fuß gehen kann”.

      Wie anders nehmen wir solche Worte in Stunden großer Not auf, wie lebendig und wirklich werden sie uns und wie gern ergreift man dann die treue Vaterhand Gottes und läßt sich von Ihm leiten. Viele, viele Menschen standen draußen vor meinem Fenster und sangen mir Abschiedslieder, als die Behörde mich holte, und mit den Klängen des Liedes „Befiehl du deine Wege" im Herzen fuhr ich mit zwei anderen Predigern, die auch verhaftet wurden, in finsterer Nacht dem Gefängnisse zu, Gott lobend und dankend, daß ich um Seines Namens willen leiden durfte.

      Wie immer in der G.P.U, durchschritten wir drei Doppelwachen, ehe wir das Geschäftszimmer erreichten. Lange warteten wir, bis jeder einzeln zum Verhör gerufen wurde.

      „Lesen Sie mir die Anklage vor!" bat ich, als ich eingetreten war. „Warum haben Sie mich herkommen lassen?” „Sie sind wegen religiöser Propaganda der G.P.U. übergeben worden. Sie halten die Bevölkerung von der Arbeit ab, diese läuft nur in die Häuser, um zu beten und zu singen und nichts zu tun. Auch Kinder haben Sie betört. Wie kommt es, daß solch eine Aufregung in Ihrem Ort entstanden ist? Wie haben Sie das zustande gebracht? Verantworten Sie sich.

     „Die Leute baten mich zu predigen”, antwortete ich, „darum habe ich es getan. Niemand von den vielen Zuhörern kann und wird mich beschuldigen, daß ich gegen die Regierung gesprochen oder Politik getrieben habe, denn damit beschäftige ich mich nicht. Meine Aufgabe ist, den Menschen, ob sie zu den Rechts- oder Linksparteien gehören, zu sagen: Es gibt kein Heil außer in Christus I Auch Sie möchte ich fragen, Genosse, wünschen Sie nicht manchmal, glücklicher zu sein? Werfen Sie sich auch dem zu Füßen, der alle glücklich machen kann, und Sie werden erleben, was uns froh sein läßt. Sehen Sie mich an und überzeugen Sie sich, ob ich glücklich bin oder nicht”.

     „Nun ja", sagte lächelnd der Vorsitzende, „das will ich schon glauben, daß Sie in ihrem Fanatismus sich etwas vortäuschen und mit dem trösten, was nicht da ist." „Und wenn Sie ein froher und guter Mensch werden wollen, werden Sie auch tun müssen, was wir tun: Gott anrufen und Ihn um Gnade bitten. Man sieht es Ihnen an, daß Sie nicht befriedigt sind, und es kommt die Zeit, da rufen auch Sie: Gott erbarme dich meiner! Alle Gottesleugner sind nur Helden, solange sie gesund sind, gute Tage und einen Regierungsposten haben. Aber wenn sie entlassen werden, sich wie andere an den Zäunen ihr Brot verdienen müssen, Krankheit oder ein Unglück sie trifft und Katastrophen hereinbrechen, dann merken sie und geben es innerlich zu: Ja, ja, es gibt doch einen Gott, aber ich habe ihn nicht. Das, was ich Ihnen hier sage, habe ich auch den Menschen gepredigt. Kindern erzählte ich aber nur von Jesus, wenn sie zu mir kamen, und befolgte damit das Gebot meines Gottes: Lasset die Kindlein zu mir kommen. Aber in Schulen und auf Plätzen predigte ich ihnen nicht, da mir gar keine Zeit dazu bleibt. Ich habe genug mit den Erwachsenen zu tun."

    Alles wurde aufgeschrieben. Das Verhör dauerte sehr lange, bis gegen Abend. Die beiden anderen Brüder waren schon längst freigelassen. Endlich, als alle meine Papiere durchgesehen und in Ordnung befunden waren, sagte der Vorsitzende mir: „Sie sind frei, Sie können nach Hause fahren und ruhig Ihre Versammlungen weiter halten. Aber ich gebe Ihnen einen Auftrag, den Sie unbedingt für uns ausführen müssen. In Ihrer Gegend wohnen Menschen, die keine Regierung und menschliche Ordnung anerkennen. Ist das so?”  —,Ja, solche gibt es, ich kenne sie." „Von solchen Leuten sollen Sie uns ganz genaue Nachricht bringen.”

     „Nein", antwortete ich, „das kann ich nicht, das ist nicht meine Aufgabe.” Drohend entließ er mich, ich hätte den Befehl zu erfüllen, und wir fuhren alle drei wieder nach Hause, wo große Freude und Jubel herrschten, als man uns erblickte. Ungeachtet dieser Erlebnisse setzten wir unsere Tätigkeit fort.

     Nur zwei Tage war ich daheim, am dritten wurde ich telegraphisch wieder zur G.P.U. beordert. Was war geschehen? Die Lehrer unseres Ortes hatten mich als sehr gefährliche Person angeklagt und dringend meine Verhaftung beantragt. Diesmal brachte man mich schon unter scharfer Bewachung allein hin.

      Als der Vorsitzende mich sah, schrie er mich an: „Nun, sind Sie gekommen?” „Ja, warum sollte ich nicht kommen?”  antwortete ich ruhig, „ich habe ja nichts zu fürchten. Wenn ich ein Verbrecher wäre, hätte ich mich in den Bergen versteckt, aber da ich ein gutes Gewissen habe, scheute ich mich nicht, zu kommen.

     „Haben Sie mir die Nachrichten gebracht, die ich von Ihnen forderte?” „Nein, das habe ich nicht getan!” „Bringt ihn in den Keller!”  schrie er wütend den Soldaten zu. Viele Augen schauten mir neugierig entgegen, als ich meine Zelle betrat. Wen mochte wohl wieder das Los getroffen haben? Es war eine sehr gemischte Gesellschaft, die ich hier vorfand. Kommunisten, Verbrecher, Unschuldige, einfache Bäuerlein, Gebildete und Ungebildete.

Guten Tag!" grüßte ich freundlich, „wie geht es euch hier? Lebt ihr hier in Frieden miteinander?" Diese Anrede verblüffte die Gefangenen so, daß sie kein Wort zu sagen wußten. Das kam ja nicht oft vor, daß man mit fröhlichem Angesicht in diesen Raum eintrat und einen freundlichen Gruß für die Anwesenden hatte, denn sie kannten ja das Glück nicht, das keine Macht der Welt mir rauben konnte. Neugierig umringten mich alle, fragten nach der Außenwelt, erzählten, und wir gewannen uns lieb. Am Abend kniete ich an meinem Lager nieder, dankte Gott mit lauter Stimme und sang dann das Lied: "Harre meine Seele, Harre des Herrn! Alles ihm befehle, Hilft er doch so gern. Wenn alles bricht, Gott verläßt uns nicht. Größer als der Helfer Ist die Not ja nicht!"

     Da verstummten Gelächter und Scherz, Weinen und Seufzen auf den Lagern, und alle wurden still. So habe ich es jeden Abend gehalten, und ich glaube, mancher lernte in diesen Stunden wieder, sein Herz vor Gott auszuschütten und Ihm sein Leid zu klagen. Einige Tage blieb ich unten, dann wurde ich wieder zum Verhör gerufen. Am grünen Tisch saßen drei Beamte, scharf bewaffnet und allem Anschein nach gut vorbereitet, um mich durch ein Kreuzfeuer von Fragen festzulegen. Das Verhör fing an.

      „Erzählen Sie uns von Ihren Vorfahren!”  befahl der Vorsitzende. Alles mußte ich berichten, das Leben meiner Urgroßeltern, der Großeltern, meiner Eltern und das eigene bis zur letzten Gegenwart. Als ich bis zu meiner Wiedergeburt kam, sagte ich: „Da mußte ich von Hause gehen, ohne Geld, ohne Mantel, Schuhe und mich selbst versorgen. Mit viel Mühe und unter großen Entbehrungen arbeitete ich und lernte ein gutes Handwerk. Ich lebte ehrlich und sittlich, reichte mit meinem Lohn bei gutem Leben aus, während meine Kollegen alles vertranken und verjubelten. Es gelang mir, nach vielen Jahren der Arbeit selbständig zu werden und eine eigene Fabrik zu erbauen, dadurch habe ich vielen Russen Brot und ein gutes Auskommen verschafft.

     Hart mußte ich arbeiten, um immer genug Bestellungen und Geld für den Lohn bereit zu haben. Meine Kollegen aber, die ohne Gott lebten und alle Laster ausübten, wurden Geld und Gesundheit los, verloren ihre Zufriedenheit und fluchten Gott und Menschen für ihr Elend. Ich kenne eine ganze Reihe derartiger Männer, die jetzt an der Regierung sitzen und solche Menschen verurteilen, die in aller Gottesfurcht und mit Fleiß ihr Brot verdienen.

     Erregt sprang der Vorsitzende auf, lief hin und her und schrie: „Das wird Ihnen nicht so durchgehen, was Sie da sagen." „Das weiß ich sehr gut, aber Sie sollen wissen, daß ich mich nicht fürchte. Ich weiß, daß Menschen, die Gott fürchten, Ihnen im Wege sind, und Sie alles in Bewegung setzen, solche aus dem Wege zu räumen. Aber das wird Ihnen nicht gelingen. Bekehren Sie sich lieber zu Gott und geben Sie den Menschen endlich zu verspüren, daß sie Menschen sind."

     „Ja, solche Leute wie Sie sind die allergefährlichsten. Diese sind das Hindernis, daß wir die Revolution nicht so durchführen können, wie wir wollen. Gerade mit ihnen müssen und werden wir aufräumen. Da machen Sie Geschäfte und predigen und beuten die Menschen aus, Sie versprechen ihnen die herrlichsten Güter und schrecken sie mit der Hölle, Sie machen sie dumm und saugen sie aus”. Er wurde sehr grob. „Nein, ich habe die Arbeiter nie ausgesaugt", verteidigte ich mich, „im Gegenteil, alle hatten bei mir ein Heim, ihr Brot, eine liebe Familie, und ich versuchte, sie zur Gottesfurcht anzuhalten, da sie die Grundlage eines guten Lebens ist. Wie steht es aber heute? Arbeiter, die früher eine Frau hatten, haben deren vier bis fünf, in den Häusern ist kein Brot, die Kinder treiben sich schmutzig, zerlumpt und hungrig auf den Straßen umher. Wer hat sie ausgebeutet? Sie oder ich? Meine Arbeiter, die an Gott glaubten, fluchten, stahlen und tranken nicht und konnten Ersparnisse machen. Aber was ist mit denen geworden, welchen ihr den Glauben an Gott genommen habt? Die meisten leben wie die Tiere, sind faul, trinken und fallen dem Reich zur Last."

      „Schweigen Sie! Von unseren Ideen bringen Sie uns nicht ab", donnerte der Vorsitzende, „Was wir uns vorgenommen haben, werden wir durchführen, und mit Ihnen und Ihren Genossen werden wir auch fertig werden. Ihr dürft uns nicht hindern.

     Sie fragten dann nach meinem Einkommen, meiner Familie und meiner jetzigen Tätigkeit. Endlich sollte ich versprechen, nicht mehr zu predigen, dann würden sie mich loslassen, aber ich konnte auf alle Drohungen nur antworten: „Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen."

    Mehrere Stunden quälten sie mich, und als sie nichts erreichten, wurde ich allein in einen ganz großen, nassen Keller eingesperrt. Ein fürchterlicher Verwesungsgeruch schlug mir entgegen und drohte mich zu ersticken, denn hier lagen Hingerichtete nur eben verscharrt unter der Erde. Es war ein schauerlicher Ort, der benutzt wurde, um Menschen mürbe zu machen und zu einem Geständnis zu zwingen. Es war stockfinster im Raum, wahrlich ein Ort des Grauens; wieviel Tränen mochten die schwarzen Wände gesehen haben.

    Nach einigen Stunden wurde ich durch einen alten orthodoxen Priester abgelöst, der sich hier auch in der Einsamkeit und Stille besinnen sollte, und da er auch „allein'' bleiben mußte, brachte man mich in die alte Zelle zurück.

 

PREDIGE DEN GEFANGENEN DIE FREIHEIT . . .

    Die Behörde glaubte, meine Tätigkeit als Bote Christi nun endlich abgeschnitten zu haben, aber sie irrte sich gewaltig. Das Arbeitsfeld war nur verlegt worden, und selten sind Menschen empfänglicher für das Evangelium als im Gefängnis angesichts des steinernen Käfigs. Denn wo könnte das Verlangen nach Freiheit wohl größer sein als hier? Die grauen Mauern, die lichtlosen, vergitterten Fenster und kahlen Wände lassen die Herzen fast brechen vor Weh, Sehnsucht und Entbehrung.

    Die ersten, denen ich die Freiheit in Christus bringen durfte, waren ein Diakon und der Geistliche, der am Abend aus der Einzelhaft zu uns gebracht wurde. Man hatte sie verhaftet, weil sie die Abgaben nicht zahlen konnten, die die Behörde verlangte, und außerdem beschuldigt wurden, gegen die Regierung zu arbeiten. Wir fingen an, uns gemeinsam über das ewige Leben zu unterhalten. Nach einigen Tagen gesellte sich ein akademisch gebildeter, höherer Geist lieber zu uns und nahm ebenfalls lebhaften Anteil an dem Gespräch. Nun waren wir schon vier. Die anderen umringten uns auch bald, und wir hatten sehr lebhafte Auseinandersetzungen, denn in unserer Zelle saßen einige Kommunisten, die wegen Disziplinarvergehen verhaftet worden waren. Sie widersprachen scharf, mußten aber doch zugeben, daß die Sünde die Ursache aller Not und alles Leidens auf Erden sei. Abends, wenn ich niederkniete, wurden alle still, alle legten sich ruhig auf ihre Lagerstätten, und wohl mancher betete in seinem Herzen mit.

     Die Augen wurden müde, die flüsternden Stimmen verstummten, und vor den Fenstern tönten dumpf die harten Schritte der Wachtposten auf und ab. Durch die schwarzen Kellerfenster war ein kleiner Streifen Nachthimmel sichtbar. Im Räume herrschte schwaches Dämmerlicht, damit die Wache erkennen konnte, ob alle lagen. Es war streng verboten, in der Nacht zu sitzen. Ich lag wach und dachte an meine Lieben, und das Herz wollte mir schwer werden. Da regte sich etwas zu meinen Füßen.

     „Genosse", flüsterte eine Stimme, „Genosse, sind Sie wach?" Verschwunden waren alle meine Sorgen, denn ich sah, hier war ein Mensch in großer, innerer Not. Es war einer der Kommunisten. Und ich hörte eine traurige Lebensgeschichte. Mit leiser, flüsternder Stimme, wehmütig und bedrückt, erzählte er: „Ich habe mein Leben lang das Glück gesucht und finden wollen, aber es ist mir nicht gelungen. Zuletzt wurde ich Kommunist und meinte, nun wäre das Paradies gekommen, jetzt hätte ich erreicht, wonach ich mich sehnte. Aber anstatt besser erging es mir immer schlechter. Früher besaß ich noch die Liebe der Familie und das Vertrauen der Nachbarn und Verwandten, aber jetzt ist alles zerstört. Man fürchtet mich nur und hat allen Grund dazu. Das Ende ist das Gefängnis. Wenn ich auch gegen Ihre Worte geredet habe, weiß ich doch, daß alles wahr ist, was Sie sagen. O, könnte ich mein Leben noch einmal anfangen. Aber jetzt kann mir niemand helfen, denn ich habe manches getan, was nie wieder gutzumachen ist. Für mich gibt es keine Hoffnung mehr."

     Er stöhnte schwer und man fühlte, daß Zentnerlasten seine Seele bedrückten. „Das Blut Jesu Christi macht uns rein von aller Sünde. Wenn eure Sünden gleich blutrot wären, sollen sie doch schneeweiß werden”, sprach ich leise. Hier und dort erhob sich ein Kopf aus seiner Hülle. Gefangene, von denen wir dachten, sie schliefen, richteten sich auf, denn sie vernahmen, was ihre Herzen brauchten, lebte in ihnen doch dieselbe Sehnsucht nach Frieden und Ruhe wie in diesem Kommunisten. Draußen schritten die Wachtposten, "sie hüteten das Gefängnis und seine Insassen vor der Freiheit da draußen, in unserer Zelle aber lagen Menschen auf ihrem Angesicht, weinten und bekannten ihre Sünden, beteten und erkannten ihren Erlöser und Befreier. Die Wände, die meistens von Flüchen und häßlichem Geschrei widerhallten, vernahmen Worte des Friedens und des Trostes. Ja, auch im Gefängnis erging der Auftrag an mich: „Predige den Gefangenen die Freiheit, und den Gebundenen, daß sie los sein sollen.

     Wer wollte da nicht froh sein, solche Erfahrungen im Gefängnis zu machen. Es waren köstliche Stunden, die ich mit denen verlebte, die Frieden gefunden hatten. Wie Kinder freuten wir uns der Herrlichkeit, die uns in Christus geschenkt worden ist, sangen frohe Lieder, lobten und dankten Gott. Das Fluchen verstummte, die Traurigkeit und Verzweiflung schlich davon. Der Diakon und der Priester sagten oft: „Wir sind froh, daß wir ins Gefängnis gekommen sind, und durch Sie den lebenschaffenden Christus kennen gelernt haben. Es war für uns eine Schule, wir haben Gott erlebt wie nie zuvor, und wenn wir wieder hinauskommen, werden wir dem Volk in einfachen Worten das wahre Evangelium bringen. Und wenn Sie frei werden, müssen Sie uns besuchen und unserer Gemeinde predigen”.

Auch von daheim kamen erfreuliche Nachrichten. Es war erlaubt, uns Nahrungsmittel zu bringen, und eines Tages fand ich in einem Weißbrot einen Zettel mit der Nachricht: „Sei getrost und freue Dich, sechsundzwanzig Seelen sind durch Deine Gefangenschaft bewegt worden, sich zum Herrn zu wenden. Es wird viel für Dich gebetet.

     Da wir Besuche empfangen durften, wagte es meine Tochter auch einmal. Man erlaubte ihr, fünf Minuten mit mir in Gegenwart der Tschekisten zu sprechen. Die Freude war groß, nach einem Monat Gefängnis ein liebes Angesicht zu sehen. Der Geistliche und der Diakon wurden freigelassen, mich aber holte man in einer Nacht wieder zum Verhör.

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